DIE FRAU OHNE SCHATTEN an der Oper Köln

Premierenkritik Szenisch mehr als enttäuschend - musikalisch durchaus akzeptabel

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Die Frau ohne Schatten von Strauss/ Hofmannsthal erfreut sich nicht erst seit ihrem 100-jährigen Jubiläum in 2019 wieder wachsender Beliebt- und somit auch Bestimmtheit auf den (nicht nur großen) Opernbühnen des abendländischen Kulturkreises. Sie aufzuführen bedeutet sämtliche Ressourcen eines Hauses zu bemühen und/ oder zu bündeln. Der Aufwand ist beträchtlich: es braucht eine gut funktionierende Bühnenmaschinerie, die sich zwischen den vielen Ober-, Zwischen- und Unterwelten dieses schwerlich nachzuerzählenden Kunstmärchens für Erwachsene rauf und runter oder hin und her zu bewegen vermag; es braucht ein riesiges Orchester; es braucht einen Extra-Kinderchor; es braucht eine Glasharmonika, die inkl. ihres Spielers extra aufgeboten werden muss; und es braucht mindestens fünf Topp-Gesangssolistinnen und -solisten, die für die in ihrer Schwere kaum singbaren Hauptpartien (des Kaisers, der Kaiserin, des Färbers, der Färberin und der Amme) zumeist auf dem internationalen Markt "zusammengekauft" werden müssen. Wer mutet sich letztendlich so was zu, wer hat das Potenzial (das Geld!), wer meint hiermit dann seine Säle für wie viele Vorstellungen voll zu kriegen? Fragen über Fragen, die ich mir dann eigentlich nach jeder FroSch-Aufführung, die ich live erleben durfte, freundlichst stellen müsste - diesmal ganz besonders:

Im Staatenhaus der OPER KÖLN wurde das Großprojekt ganz aktuell gewuchtet. Ja und da es dort, in dieser Interimsspielstätte im Köln-Deutzer Rheinpark, weder eine Drehbühne noch irgendwelche Hub- und Senkvorrichtungen zum Rund- und Hoch- und Runterbewegen von Bühnenbildern gibt, "musste" bzw. wollte sich der Bühnenausstatter Johannes Leiacker mit einem Einheitsbühnenbild (bestehend aus einem weißen achtstufigen Halbrund mit einem imitierten Felsklumpen obendrauf) zufrieden geben; das sah doch dann ziemlich kläglich aus, obgleich die vielen auf das Einheitsweiß draufprojizierten Videofilmchen Georg Lendorffs wenigsten ein bisschen visuelle Abwechslung zu bieten sich bemühten. Dieses gesamtdürftige Manko wurde allenthalben durch mitunter gut aussehende Kostüme (für den vielen Budenzauber, den die Amme in der Barak'schen Spelunkenwelt veranstaltete, um die Färbersfrau zur Abtretung ihres mutterschaftlichen Schattens gefügig zu machen) einigermaßen wettgemacht; hierfür zeichnete die Kostümdesignerin Irina Bartels veranwortlich. Ansonsten freilich: optisch öde bis zum Augendeckelzuklappen. Ich gebe zu, noch nie zuvor so etwas Trostlos- und womöglich gar absichtlich Einfallsloses - bei 'ner FroSch, das wohl gemerkt - gesehen haben zu müssen.

Die Personenführung von Regisseurin Katharina Thoma kann evtl. als handwerklich solide durchgehen. An besonderen Ideen mangelte es ihr wahrscheinlich, nach ihrem eigenen Verständnis, sicher nicht - so richtig überzeugen tat mich allerdings dann wenig; vielleicht dann doch der Schluss mit seinen vielen armen (Flüchtlings-) Kindern, die ein kleines Lebensbäumchen hervorholten und dieses mit dem Lebenswasser, worum es vor bzw. nach Durchschreitung der sog. Pforte des Todes ging, begossen - Optimismus im Klitzenkleinen, warum nicht.

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Rein musikalisch punktete die Kölner FroSch fast ungeheuerlich!

Dem riesig aufgestellten Gürzenich-Orchester gelauscht zu haben, war eine Wonne und eine Wollust der absoluten Extraklasse!! Dirigiert (und zusammengehalten) wurde es von Pultstar Marc Albrecht.

Von den fünf Protagonisten ragte - für meinen persönlichen Geschmack - besonders Irmgard Vilsmaier (als Amme) heraus; ein Paradestück für sie, das sie mit mutterinstinktiver Hintertrieben- und Verschlagenheit zu füllen wusste. Großartige Mimin, tolle Charakterstimme mit unglaublichen Abstiegen auch ins stimmlich Tiefe.

Daniela Köhler (die Bayreuther Siegfried-Brünnhilde seit zwei Jahren) wuchs in ihre mörderisch zu nennende Kaiserinnenpartie erst nach und nach hinein und stand zum Ende hin doch ziemlich sicher auf der Höhenrampe.

Die beiden "Haupt"-Herren AJ Glueckert (als Kaiser) und Jordan Shanahan (als Barak) schienen gut gecastet und bewältigten ihre zwei Schwerstarbeiten mehr als bloß zufriedenstellend.

Weshalb mir die StimmE Lise Lindstroms (als Baraks Weib) so furchtbar auf den Geist ging? Keine Ahnung. Aber schauspielern tat sie schon gut.

Alles in allem: szenisch mehr als enttäuschend - musikalisch durchaus akzeptabel.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 18.09.2023.]

DIE FRAU OHNE SCHATTEN (Staatenhaus, 17.09.2023)
Musikalische Leitung: Marc Albrecht
Inszenierung: Katharina Thoma
Bühne: Johannes Leiacker
Kostüme: Irina Bartels
Video: Georg Lendorff
Licht: Nicol Hungsberg
Chorleitung: Alfred Chen und Rustam Samedov
Dramaturgie: Stephan Steinmetz
Besetzung:
Der Kaiser ... AJ Glueckert
Die Kaiserin ... Daniela Köhler
Die Amme ... Irmgard Vilsmaier
Barak, der Färber ... Jordan Shanahan
Die Färberin ... Lise Lindstrom
Der Geisterbote ... Karl-Heinz Lehner
Falke/ Ein Hüter der Schwelle des Tempels ... Giulia Montanari
Erscheinung eines Jünglings ... Bryan Lopez Gonzalez
Der Einäugige ... Insik Choi
Der Einarmige ... Christoph Seidl
Der Bucklige ... Ralf Rachbauer
Eine Stimme von oben ... Jing Yang
Glasharmonika: Philipp Marguerre und Sscha Reckert
Statisterie
Knaben und Mädchen der Kölner Dommusik
Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere an der Oper Köln: 17. September 2023
Weitere Termine: 20., 23., 29.09./ 03., 08., 11.10.2023

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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