SYM-PHONIE MMXX von Sasha Waltz

Uraufführung Georg Friedrich Haas steuerte seinerseits Musik zum anderthalbstündigen Tanzstück (in der Staatsoper Unter den Linden) bei

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Sasha Waltz' neueste Tanzperformance SYM-PHONIE MMXX hat einen ziemlich langen Geburtskanal durchlaufen müssen, geplant war ihre Aufführung (unter noch gänzlich anderem Titel) 2020, und zudem sollte sie mit Tänzerinnen und Tänzern des Staatsballetts Berlin auf die Bühne gelangen - daraus wurde aus diversen Gründen nichts; Grund 1: Waltz' Rücktritt als Staatsballett-Intendantin, Grund 2: Ausfall, Verschiebungen wegen Corona.

Nunmehr fand - endlich - die Uraufführung in der Lindenoper statt, die Choreografin tat sie (in Zusammenarbeit mit dem Staatsballett Berlin) mit ihrer eig'nen Truppe, Sasha Waltz & Guests, verwirklichen, und es war wieder mal, wieoft bei ihren besten oder allerbesten Stücken, welche sie mit ihrer eig'nen Truppe stemmt, ein Tanz-Ereignis sondergleichen!

Georg Friedrich Haas schrieb die Musik hierzu, und seine im Programmheft abgedruckte Szenenfolge wird mit 13 Nummern ausgewiesen, wobei vier von ihnen schlicht als "Lautlose Wiederholung" ihrer jeweiligen Vorgängerinnenszenen bestimmt sind - apropos "lautlos":

Die zeitliche Aufteilung der 90minütigen Performance war dann so, dass die erste halbe Stunde mit Musik, die darauffolgende Viertelstunde ohne Musik und der dreiviertelstündige Rest des Abends sowohl mit als auch nochmal (etwas oder bisschen) ohne Musik vonstatten ging - und wenn man das dann mit der abgedruckten Szenenfolge in Vergleiche brachte, waren, was das Grundverständnis eines hörerischen Laien angeht, wenig oder keine Überschneidungen zu konstatieren; sehr, sehr missverständlich alles das.

Doch wurscht.

Die vom Orchester resp. der Orchesterstärke her arg aufgeblähte Haas-Musik, die von der formidablen Staatskapelle Berlin unter dem Dirigenten Ilan Volkov live erklungen war, hatte an manchen Stellen ein paar Anlehnungen an das Rheingold-Vorspiel oder Hagens Hörnerchor aus Götterdämmerung von Richard Wagner; und ich meinte sogar eine Art Zitat des endlos anhaltenden Trompetentons aus Mahlers Adagio seiner Zehnten Sinfonie "wiedererkannt" zu haben.

Musik UND Tanz sind überwiegend handlungsfrei; es gibt zwar jede Menge zwischenmenschliche Aktionen, die jedoch durch keinen roten Faden mit-/ untereinander laufen. Allegorisches und Metaphorisches und viel, viel Sphärisches (in Haas' Musik) prasseln dann auf die strapazierten Sinne ein.

Das Eindrucksvollste war die viertelstündige Vor- als wie Rückwärtsszene einer Grablegung, die von zwei Tänzern (Virgis Puodžiūnas und Joel Suárez Gómez) an dem Rest der 21köpfigen Truppe vorgenommen wurde; das war der besagte Stückabschnitt "mit ohne" störender Akustik... Genial, genialer, am genialsten!!!

Eingebetteter Medieninhalt

Eine großflächige "Bronzeplatte" von der Bühnenbildnerin Pia Maier Schriever diente als das Einzige an Ausstattung, mal ist sie gemäldiger Hintergrund, mal vertikale Trennwand, mal horizontal herabschwebendes und die Tänzerinnen/ Tänzer letztlich fast zerquetschendes Materie-Ungetüm - - doch keine Angst, die Truppe brachte sich noch rechtzeitig in Sicherheit, bevor die Platte auf dem Boden unten anlangte.

Und was die Waltz so alles mit dem Körper eines Menschen anzustellen in der Lage ist, verschlägt einem die Sprache, ja und gut, dass sie zu sich und ihrer Truppe wieder voll (völlig unabgelenkt) zurückgefunden hat.

Anhaltende Begeisterung - Standing Ovations nach der zweiten Vorstellung.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 19.03.2022.]

SYM-PHONIE MMXX (Staatsoper Unter den Linden, 18.03.2022)
FÜR TANZ, LICHT UND ORCHESTER

Konzept und Choreographie: Sasha Waltz
Musik: Georg Friedrich Haas
Bühnenbild: Pia Maier Schriever
Kostüme: Bernd Skodzig
Licht: David Finn
Mit: Sean Nederlof, Virgis Puodziunas, Zaratiana Randrianantenaina, Joel Suárez Gómez, Ichiro Sugae, Sebastian Abarbanell, Blenard Azizaj, Jíři Bartovanec, Anne Brinon, Rosa Dicuonzo, Edivaldo Ernesto, Melissa Figueiredo, Yuya Fujinami, Tian Gao, Eva Georgitsopoulou, Hwanhee Hwang, Agnieszka Jachym, Lorena Justribó Manion, Kelvin Kilonzo, Annapaola Leso und Jaan Männima (Tänzerinnen und Tänzer von Sasha Waltz & Guests)
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Ilan Volkov
UA am Staatsballett Berlin: 13. März 2022
Weiterer Termin: 19.03.2022
Eine Produktion des Staatsballetts Berlin in Koproduktion mit Sasha Waltz & Guests

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

Andre Sokolowski

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden