YOUNG EURO CLASSIC 2019 (2)

Konzertkritik Beethovens Streichquintett und das schwedische O/Modərnt Kammarorkester (im Konzerthaus Berlin)

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Jetzt gab es einen Großauftritt von lauter Musikerprofis - und das sollte ruhig an dieser Stelle extrastark betont sein, denn: Das Festival YOUNG EURO CLASSIC bespielt sich normalerweise (meistens jedenfalls) mit den lt. seines Werbeschlachtrufs "besten Jugendorchestern der Welt", und diese bestehen nun mal aus überwiegend heranwachsenden Musikerinnen und Musikern, von denen in der nahen oder fernen Zukunft sicherlich die meisten eine Profi-Karriere einzuschlagen gedenken; falls sie es dann wirklich zu den Profis schafften, denn die Konkurrenz ist übermäßig...

Diesmal also exklusives Musizieren ohne jeden Fehl und Tadel; absolute Profis waren halt (und wie gesagt) am Werk:

Am allerdeutlichsten manifestierte sich der Eindruck in der über halbstündigen Darbietung des allzu selten (live gespielt!) zu hörenden einzigen (!) Streichquintetts von Beethoven; ja und die beiden Geigerinnen Priya Mitchell, Hannah Dawson, der Cellist Brian O'Kana sowie die Bratschistin Bryony Gibson-Cornish mit ihrem Kollegen Nathan Braude wirkten im Zusammenspiel dann so, als wollte man von ihnen nachträglich und felsenfest behaupten, dass sie ewig schon zusammen musizierten und das Beethoven'sche Streichquintett womöglich eins von ihren absolut vorzeigbaren Aushängeschildern wäre. Das Ensemble setzte die vier Sätze des von ihm geistig wie musikantisch durchanalysierten Stückes scheinbar unter Strom; ein Spannungszustand sondergleichen tat nicht bloß die Ausführenden, sondern auch ihr Publikum magisch ergreifen - Mitchell (an der Ersten Violine) exponierte sich beinahe schon in Rage, ohne dass sie es trotz ihrer hörbar-aufstampfenden Stöckelschuhe-Gesten je zu "Explosionen der Gefühle" kommen ließ, im Gegenteil, sie "dämpfte" immer wieder ihren eigenen Impuls nach innen, und ihr maßgebendes Vor-Spiel wurde stellenweise derart pianissimo, dass man es kaum noch wahrzunehmen in der Lage war. Sensationelles Kammermusizieren! [Hatte sowas Suggestives lange, lange, lange nicht erlebt.]

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Das schwedische O/Modərnt Kammarorkester unter Leitung des Geigenvirtuosen Hugo Ticciati (dem Bruder des derzeitigen DSO-Chefdirigenten) und der finnische E-Gitarrist und Sänger Marzi Nyman bestritten nach der Pause einen umfangreichen "Misch-Block", wo es sogenannte E- und U-Musik barrierefrei zu hören gab - so beispielsweise eine Improvisation zu einem alten Ave Maria aus der Renaissance oder den "Heroes" aus dem David Bowie-Musical Lazarus, doch auch "Sommer" aus den Jahreszeiten von Vivaldi oder das verrockte Allegretto aus der Siebten Sinfonie von Beethoven standen auf dem Programm.

Tolles Konzert, und zwar im Ganzen!!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 24.07.2019.]

YOUNG EURO CLASSIC (Konzerthaus Berlin, 23.07.2019)

Ludwig van Beethoven: Klaviersonate Nr. 17 d-Moll op. 31 Nr. 2 Der Sturm
Ausführender:
Daniel Xia, Klavier

Beetheven: Streichquintett C-Dur op. 29
Ausführende:
Priya Mitchell, Violine
Hannah Dawson, Violine
Brian O'Kana, Violoncello
Nathan Braude, Viola
Bryony Gibson-Cornish, Viola

Arvo Pärt: Fratres
Marzi Nyman: Improvisation über Ave Maria von Jasquin des Préz
Antonio Vivaldi: "Der Sommer" aus Die vier Jahrszeiten op. 8, RV 315
Nyman: Solutasolla
David Bowie/Nyman: Heroes
Nyman: Kotosalla
Beethoven/Nyman: The Anxiety of the Seventh
Ausführende:
Marzi Nyman, E-Gitarre und Gesang
O/Modərnt Kammarorkester
Dirigent und Violine: Hugo Ticciati

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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