YOUNG EURO CLASSIC 2019 (5)

Konzertkritik Grandioser Festival-Abschluss mit dem National Youth Orchestra of the USA

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Gestern Abend endete der 20. Jahrgang von YOUNG EURO CLASSIC. Das Jugendorchesterfestival erfreut sich einer stabilen und v.a. sommerlich bedingten Beliebtheit - sämtliche Berliner Orchester stecken in der Spielzeitpause, auch an Gastspielen von andersher mangelt es während dieser Zeit (Philharmonie geschlossen); und da trifft es sich - wie jedes Jahr seit 1999 - gut, dass im Konzerthaus am Gendarmenmarkt (welches gottlob dann also NICHT geschlossen ist) über zwei Wochen lang die Post so richtig abgeht...

Es gab 25 Auftritte mit (mindestens) 16 Orchestern oder orchesterähnlichen Ensembles aus (mindestens) genauso vielen Ländern, auch außerhalb Europas. Die Platzauslastung lag bei 95 Prozent, d.h. dass zirka 27.000 Konzertbesucher die Events vor Ort erlebten. Alle Kartenpreise waren moderat, ein nicht geringer Anteil der Konzerte wurde live ins Netz gestreamt oder auf Arte übertragen. Auch gab es, wie jedes Jahr, einen sog. "Europäischen Komponistenpreisträger", diesmal ging das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro an den Portugiesen João Godinho für sein Werk Alcance I Reach, das beim gemeinsamen Gastspiel des Jovem Orquestra Portuguesa und des Ensemble Notas de Contacto am 26. Juli uraufgeführt wurde.

Soweit ein paar Details lt. der Statistik.

Eingebetteter Medieninhalt

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Mit einem Kronjuwel der besonderen Art schloss sich der vorzeigbare Reigen der in diesem Jahr gastiert habenden Klangkörper: Das National Youth Orchestra of the USA- ein Initiativprojekt der New Yorker Carnegie Hall - trat an und wurde dirigiert von keinem Geringeren als Sir Antonio Pappano!

Zu Beginn erklangen die mit orchestraler Vollkraft und viel klopfendem und pochendem Geschlage lediglich nur 5 Minuten andauernden Zarten Spannungen (Originaltitel: Delicate Tension) von Tyson J. Davis. Eine nicht zu überhörende und windmaschinenähnliche Vorüberhuschung irgend einer (hoffentlich dann) mitzudenkenden Bedeutendheit; angeblich hätte sich der junge Komponist "durch den 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer" zu dem Kurzwerk inspirieren lassen. Gut, das lassen wir jetzt einfach mal so stehen.

Nach der kleinen Uraufführung taten uns die flirrend-wundersamen und durch ihre Interpretin arg-verinnerlichten sieben Liebes- und Orchesterlieder Les Nuits d'été (dt.: Sommernächte) vom Franzosen Hector Berlioz mitunter fast zu Tränen rühren. Magdalena Kožená sang und gestaltete mit solcher Suggestion, dass man sich nicht entscheiden wollte, ob man ihr zuallererst nun lauschen sollte oder sie halt nur beobachten, WIE sie das alles darbot... Hochgenial!!

Ja und zur Auskehr reichten uns diese mit ihrem musikantischen Perfektionismus (typisch für US-amerikanische Orchester) auftrumpfenden und gleichsam nicht unbeseelt "daher kommenden" jungen Musiker Prokofjews Fünfte Sinfonie - eines von diesen obsessiv-sowjetisch sich verlautbarenden Anti-Zweiter-Weltkrieg-Schlachtgemälden - dar. Mit andern Worten ausgedrückt: Es wurde mehr und mehr heroisch, und man war am Ende irgendwie doch froh, als es vorbei gewesen war.

Grandioses Gastspiel.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 07.08.2019.]

YOUNG EURO CLASSIC (Konzerthaus Berlin, 06.08.2019)
Tyson J. Davis: Delicate Tension (UA)
Hector Berlioz: Les Nuits d'été op. 7
Sergei Prokofjew: Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 100
Magdalena Kožená, Mezzosopran
National Youth Orchestra of the USA
Dirigent: Sir Antonio Pappano

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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