In der Standard National Bank entlang der Sam Nujoma Street von Harare blinken die Lichter der Geldautomaten vielversprechend. Auf dem Display steht: „Bitte führen Sie Ihre Karte ein.“ Wer das tut – und nur Touristen oder unverbesserliche Optimisten versuchen es –, erhält umgehend die Nachricht: „Keine Transaktionen möglich.“
Ein Jahr nach dem Machtwechsel, der Ende 2017 Langzeit-Präsident Robert Mugabe aus dem Amt und seinen politischen Ziehsohn Emmerson Mnangagwa an die Regierung brachte, dümpelt die Ökonomie Simbabwes hoffnungslos dahin. Es gibt keine Einlagen, keine Rücklagen, keine Devisen. Weder die Standard National Bank noch irgendein anderes Institut geben Bares heraus. 13 Millionen Menschen bezahlen mit einer Art Monopoly-Geld, Bonds genannt, grüne Noten auf dünnem Papier. Oder man versucht es über das Zahlsystem Ecocash oder mit Bitcoin. Zwar hat sich die Kryptowährung noch nicht bei der Mehrheit der Bevölkerung durchgesetzt, doch wer in Simbabwe Coins aus dem ersten Kryptowährungsautomaten der Welt ziehen will, hat vermutlich mehr Glück als an üblichen Bankautomaten.
Die Absenz von Bargeld führt zu skurrilen Situationen. Betreiber von Hotels und Pensionen, für die ein Kreditkartensystem zu teuer ist, können ihren Gästen kein Wechselgeld zurückzahlen. Vor Banken, über die das Gerücht geht, sie würden an einem bestimmten Tag geringe Summen an Dollars ausgeben, stehen vor Sonnenaufgang lange Schlangen. Touristen werden Preisnachlässe offeriert, wenn sie Souvenirs oder Kleidung in Dollar bezahlen. Benzin wird nur an jene verkauft, die Dollars bieten, Bonds-Zahler müssen weichen. Und weil Geldtransfers ins Ausland verboten sind, aber niemand mittellos reisen kann, blüht der Schwarzmarkt, wo für einen Dollar das 1,8-Fache an Bonds fällig ist.
Stets delikat
Seit nunmehr einem Vierteljahrhundert befindet sich Simbabwe auf Talfahrt, und die Hoffnung, dies werde nach dem Machtwechsel ein Ende haben, ist verflogen. Neue Steuern ziehen einen Anstieg der Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot und Reis nach sich, auch Medikamente haben sich dramatisch verteuert. Im November verdoppelte sich die Inflationsrate gegenüber den Vormonaten. Im dicht besiedelten, ärmlichen Mbare, dem ältesten Viertel Harares, in dem einst die Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) groß wurde, hört man Klagen über Not und Depression. Viele Bewohner handeln mit Waren, die sie im benachbarten Botswana einkaufen, mit Linienbussen oder Kleinlastern auf den Markt von Mbare bringen, um sie an Großhändler zu verkaufen. Ohne Dollars freilich sind diese Einkäufe nicht mehr möglich. „Ob Bob oder Ed“ (gemeint sind Mugabe und der jetzige Präsident Emmerson Dambudzo Mnangagwa – A. J.), sagen sie in Mbare, „für uns bleibt es alles gleich.“
Nach UN-Angaben wird 2019 eine Million Menschen, also jeder 16. Bewohner Simbabwes, auf Lebensmittelhilfen angewiesen sein. Selbst Mitglieder der Regierungspartei ZANU-PF warnen inzwischen vor dem Totalkollaps, wenn es keinen externen Beistand gibt. Dabei hatte Staatschef Mnangagwa versprochen, seine Politik werde Milliardäre hervorbringen. Nicht aus eigenen Mitteln, sondern dank Heerscharen von Investoren, die für den Tourismus, die Landwirtschaft, Banken, Immobilien, Telekommunikation, vor allem für den Bergbau Dollars, Dollars und nochmals Dollars ins Land bringen würden. Das war auch für jene Simbabwer, die keine Anhänger der ZANU-PF sind und Mnangagwa nicht trauten, ein Grund, das Ende der Herrschaft Robert Mugabes zu feiern. Für den war alles, was aus dem Westen kam, geradezu teuflisch. Er verwehrte Investoren jeden Spielraum, enteignete weiße Farmer und gab das Land seinen Günstlingen, Sanktionen der USA und der EU führten 2008 zu einer Hyperinflation, in deren Folge die landeseigene Währung entwertet und der US-Dollar de facto zum Zahlungsmittel wurde.
Mit den Jahrzehnten der Misswirtschaft hat die aktuelle Misere ebenso zu tun wie mit der Tatsache, dass die neue Regierung die internen, korruptionsgeschwängerten Strukturen kaum verändert und angekündigte Reformen nicht umgesetzt hat. Tendai Biti, Mitglied der oppositionellen MDC und Ex-Finanzminister, warnt vor Investitionen, solange es keinen Paradigmenwechsel gibt. „Wir brauchen eine inklusive statt einer räuberischen Politik. Selbst wenn Simbabwe Millionen von Dollar erhält, wird das die Probleme nicht lösen, sondern nur die Position des Regimes festigen.“
Eine Warnung, die etliche Kapitalgeber in den Wind schlagen. Mnangagwas Bekenntnis zu Öffnung lässt etwa Großkonzerne aus Nigeria und Angola oder mittelständische Unternehmen aus Südafrika Morgenluft wittern. Die meisten wollen in den Bergbau einsteigen und werden wohl an chinesische Geldgeber geraten, die bereits Verträge auf Dollarbasis mit der Regierung geschlossen haben. Der Mangel an Kapital, Expertise und Technik hat es bislang verhindert, dass Simbabwes Minen so ausgebeutet wurden, wie das möglich schien. Umso größer sind nun die Gewinnerwartungen bei Diamanten, Gold, Kupfer oder Chrom.
Einer der Investoren ist Marius K., Unternehmer aus Johannesburg, der anonym bleiben will, damit die Konkurrenz ihm „keine Pfründe wegschnappt“. Die Vertragsverhandlungen mit der Regierung seien stets delikat, und der Zuschlag würde immer an jene gehen, die am meisten Geld böten. K. will in eine Chrommine investieren, eine Schule und ein Hospital bauen – und eine der wenigen, heiß umkämpften Lizenzen bekommen, die demnächst für den Anbau von Cannabis vergeben werden. Zu rein medizinischen Zwecken sei dieser Anbau, heißt es, viel Geld ist damit dennoch zu verdienen. K. glaubt, die Nase bei den Lizenzen vorn zu haben. Er war schon unter Mugabe „in diesem und jenem Projekt“ unternehmerisch tätig und pflegt gute Kontakte zur Regierung.
Vor allem Nashörner
Europäische Investoren – lange die Ausnahme in Simbabwe – wollen besonders von Mnangagwas neuer Landvergabepolitik profitieren. Er bietet jedem Weißen, der nach Simbabwe kommt, um sich als Farmer niederzulassen oder mit einem eigenen Wildpark ins Safari-Geschäft einzusteigen, einen Pachtvertrag für 99 Jahre. Erst vor einigen Monaten hat der Geschäftsführer eines Nürnberger IT-Unternehmens im Nordwesten von Simbabwe 75.000 Hektar Land geleast, um Wildtiere anzusiedeln, vor allem Nashörner, die er von eigenen Rangern schützen lässt. Ein Österreicher baut in der Nähe von Harare erfolgreich Tabak an – solche Geschichten werden unter Simbabwes Oberschicht herumgereicht wie ein schillerndes Mantra. Es geht voran, so lautet die Botschaft.
Für all jene, die ohne Tuchfühlung mit den Geldtöpfen sind, wird es indes noch lange nicht aufwärtsgehen. Die Jugend wirkt desillusioniert, sie hätte sich die Macht in den Händen von Nelson Chamisa gewünscht, Mnangagwas Herausforderer von der MDC, doch ist die Partei seit Jahren derart zerstritten, dass viele nicht mehr an einen Neuanfang glauben.
Dass Mnangagwas Hoffnungen auf Investorenscharen sich kaum erfüllen dürften, liegt nicht nur an der Instabilität des Landes, auch am Ruf des Präsidenten. Der Ex-Geheimdienstchef und Ex-Verteidigungsminister hat ranghohe Soldaten, die seinen Aufstieg eskortierten, mit Regierungsposten belohnt. Armeechef Constantino Chiwenga beispielsweise, der für Mugabes Sturz verantwortlich zeichnete, wurde zum Vizepräsidenten ernannt, General Sibusiso Moyo, der Mugabe verhaftete, zum Außenminister. Was absolut nichts daran ändert, dass auf Mnangagwa selbst die Vergangenheit wie ein Schatten liegt. Er hatte in den 1980er Jahren – als Staatsminister für Sicherheit – ein Massaker im Matabeleland, einer Region im Westen, zu verantworten. Der brutale Mord an schätzungsweise 15.000 Menschen ging als gukurahundi ins kollektive Bewusstsein des Volkes der Ndebele ein. Ein Wort, das so viel bedeutet wie „Früher Regen wäscht die Spreu vom Weizen“. Eine Wiedergutmachung für die Hinterbliebenen der Opfer lehnt Mnangagwa bis heute ab. Perence Shiri, einer der an dem Verbrechen Beteiligten, wurde erst jüngst zum Agrarminister ernannt.
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