Die Klimakatastrophe der Bahn

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Inzwischen weiß man ja, wer sich auf die Deutsche Bahn verlässt, ist verloren. Deshalb haben wir am Sonntag, 5.06.2011, bewusst eine IC-Bahnverbindung von Berlin nach Münster gesucht, die im aktuellen Plan nicht mit einem Warndreieck gekennzeichnet war, welches auf Überfüllung hinwies. Wir haben unseren Zeitplan bewusst auf die eine Fahrt ausgerichtet, die Erträglichkeit versprach und haben für den kleinen Umweg auch noch etwas mehr gezahlt. Reservierungen gab es sowieso schon Tage zuvor nicht mehr.

1. Klimaanlagen-Ausfall Berlin - Hannover

Um 14.03 Uhr stiegen wir also ein und erfuhren als erstes, dass der Zug ohne den Waggon 6 ausgestattet wäre. Die Gäste wurden auf die übrigen Waggons verteilt. Nur kurze Zeit nachdem der Zug ins Rollen kam, wurde darauf hingewiesen, dass die Klimaanlage in Waggon 7 ausgefallen sei – die Zugbegleiter waren ernsthaft bemüht, ausreichend Mineralwasser in den betreffenden Waggon zu transportieren und zu verteilen. Gleichzeitig wurden die Gäste darauf hingewiesen, dass beim Erreichen des Bahnhofs Stendal Reparaturarbeiten an der Klimaanlage vorgenommen werden würden und dass dies zu einem Aufenthalt von 20 Minuten führen würde. Beim Verlassen des Bahnhofs Stendals fielen dann noch weitere Klimaanlagen aus, was bei der Hitze und den nicht zu öffnenden Fenstern äußerst unangenehm und gesundheitlich nicht ungefährlich war. In Hannover hielt schließlich der Zug mit dem Hinweis, dass alle Reisende bis Osnabrück und Rheine in den Regionalexpress in den gegenüberliegenden Zug umsteigen sollten. Der Regionalexpress konnte aber nur einen geringen Teil dieser zusätzlichen Fahrgäste aufnehmen. Die übrigen Fahrgäste wurden gebeten, sich draußen gleichmäßig auf dem Bahnsteig zu verteilen und die Treppen freizuhalten. Sie wurden damit getröstet, dass der nächste Zug bereits zwei Stunden später käme.

Wir gehörten zu den Glücklichen, die einen Platz im Regionalexpress erhielten, mussten aber auf eigene Faust eine weitere Verbindung von Osnabrück aus suchen.

2.Klimaanlagen-Ausfall Hamburg-Osnabrück

In Osnabrück angekommen, glaubten wir Glück im Unglück zu haben. Denn ein IC nach Münster hatte ebenfalls Verspätung, so dass wir diesen noch nutzen konnten. Zumindest war dies unsere Vermutung. Was wir nicht wissen konnten: auch in diesem Zug waren in drei Waggons und im Bord-Restaurant die Klimaanlagen ausgefallen. Da diese Waggons geräumt werden sollten, wogegen sich die Gäste wehrten, waren zum einen die übrigen Abteile so überfüllt, dass es zunächst nicht mal mehr Stehplätze gab. Die Fahrgäste wurden genötigt, gegen eine Prämie von 25 Euro den Zug zu verlassen. Erst nach einer weiteren Stunde, als die Polizei in den überhitzten Waggons autoritär auftrat und daraufhin die letzten Gäste sich in die überfüllten und ebenso erhitzten Gänge zwängten, fuhr dann dieser Zug mit mehreren teils leeren, teils unerträglich überfüllten Waggons weiter. In dem Gang, wo wir uns auf dem Fußboden erschöpft hinsetzten, hörten wir aus dem Abteil, dass auch dort die Klimaanlage nicht funktionierte.

Erschreckend zu sehen war, dass durch die Polizeipräsenz das Gefühl vermittelt wurde, dass einige Fahrgäste für die Nichtweiterfahrt verantwortlich sind.

In keinster Weise liegt hier ein Fehlverhalten von Fahrgästen vor, die schließlich ihre Fahrkarte bezahlt haben. Die alleinige Verantwortung liegt bei denjenigen, die aus den Fehlern vom vergangenen Jahr nichts gelernt zu haben scheinen.

Die Bahn wird ihre Probleme zukünftig nicht los, in dem sie ihre Fahrgäste unter Zugzwang setzt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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