Wissing auf der Standspur

Debatte um Tempolimit Der Bundesverkehrsminister hält nichts von maximal 120 km/h auf der Autobahn - und rechnet und redet Unsinn daher. Man fragt sich, woher der FDP-Mann seine mathematisch fragwürdigen Weisheiten nimmt.

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Volker Wissing ist Deutschlands Verkehrsminister. Und ein Mann, der schnell aufs Tempo drückt. Auch wenn es um Tempo 130 oder 120 auf Autobahnen geht. Dabei bringt er allerdings Vieles durcheinander. Und beweist: Oft ist driving fast nicht mehr als thinking slow! Wie das eben so ist bei der FDP.

Schon Andi Scheuer (CSU) war ja im Rechnen nicht sonderlich wach. Aber sein Nachfolger, FDP-Mann Volker Wissing, muss in der Schule komplett gepennt haben. Von ihm stammt, der auf den ersten Blick nicht auf Mathematik-Schwächen hindeutende Reim: Wenn sich zum Beispiel wegen eines Tempolimits auf der Autobahn der direkte Weg durch die Dörfer zeitlich wieder lohnt, werden die Anwohner mit Lärm belastet. Wir haben Infrastruktur gebaut, damit Menschen von Verkehr entlastet werden. Und dann kommen Vorschläge, die Autofahrer zu motivieren, wieder den kürzeren Weg durch die Ortschaften zu wählen.

Mit diesem Unsinn versucht der Freidemokrat dieser Tage gegen Tempo 120 auf Autobahnen zu argumentieren. Dass er damit soviel Verstand beweist, wie seine Partei gerade in Umfragen an Prozenten sammeln kann, könnte ein kleiner Blick in die Navi-Welt verraten. Nehmen wir mal die Strecke Hannover-Hamburg. Das sind via A7 etwa 150 Kilometer, für die man etwa eine Stunde und 45 Minuten braucht. Die Strecke ist deswegen als Beispiel ganz gut geeignet, weil dort auf vielen Abschnitten Tempo 120 gilt. Für die 160-km-Alternative über die L190 müsste man etwa drei Stunden und 10 Minuten veranschlagen.

Wach geworden, Wissing? Ode schläfst noch? Mag sein, dass irgendwo irgendwer durch die Dörfer rast und schneller von A nach B kommt als bei 120 km/h auf der Autobahn. Das aber würde ihn vermutlich deutlich mehr kosten, weil er ja die ganzen Strafzettel wegen Geschwindigkeits-Überschreitungen zahlen müsste. Da der Autofahrer nicht nur ein kühler Kilometer-Rechner ist, sondern sonst schon bei der kleinsten Spritpreis-Erhöhung den Europäischen Menschengerichtshof anrufen möchte, wird er schön auf der A7 bleiben. Und zähneknirschend sein Tempo bei noch soviel Pferdestärken drosseln.

Wissing ist halt Doktor der Juristik und nicht der Mathematik. Das mag man ihm nachsehen. Aber wenigstens die Erhebungen bei den Menschen, für die er zu sprechen vorgibt, sollte er kennen oder nicht ignorieren. Demnach sind – zugegeben in Sachen Tempo 130, aber das sind grad mal 10 km/h Differenz – 64% der Deutschen für Tempo 130 (42% sagen „ja, unbedingt“) oder stehen dem sehr aufgeschlossen gegenüber (22%, votierten mit „tendenziell dafür“). Andere Umfragen kamen auf ähnlich deutliche Werte. Aber wurscht, jüngste Zahlen kommen vom Bundesumweltamt, also von Feindesland.

Was ich seit Ampel-Beginn eh nicht begreife, begreife ich angesichts solcher Rechennot schon gar nicht. Und auch das hat mit rechnen zu tun. Weshalb nämlich ein Verkehrsminister der FDP, also einer Partei, die sich von Wahl zu Wahl um den Einzug in den Bundestag zittert und auch in die nächste Wahl nicht mit komfortablen Aussichten geht, mit derart gründlicher Kompetenz noch in seinem Sessel sitzt. In der Schule würde man bei solchen Leistungen in der nächsten Saison auf der Ersatzbank Platz nehmen dürfen. Aber so ist das mit den Zünglein an der Waage. Da wiegt ein Gramm ’nen Zentner.

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Geschrieben von

Andreas Mijic

think-tank aus hamburg & bale (Istrien)

Andreas Mijic

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