Der Vereinsmeier - wer oder was ist das eigentlich?

Vereinsmeier, Vereinsmeierei Früher hab ich um Vereine einen Bogen geschlagen wie der Teufel um das Weihwasser. Warum? Vereinsmeierei!

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Im Idealfall vereint ein Verein Menschen, die ein Interesse, eine Leidenschaft, ein Lebensgefühl teilen, sich gemeinsam freuen, anspornen und ergänzen können... aber bedauerlicherweise ziehen Vereine manchmal auch einen eher unangenehmen Typ Mitbürger an: Den Vereinsmeier, bzw. die Vereinsmeierine, Vereinsmeieröse oder Vereinsmeierin. Vereinsmeierei wurde früher mal als "typisch deutsch" bezeichnet. („Immer die alte Leier: Ihr Deutschen seid halt Vereinsmeier! Wenn ihr nur Vereine gründen könnt, Dann seid ihr in eurem Element!“ ― Heinrich Vierordt). Ich persönlich denke jedoch, dass es Spielarten der vermeintlich deutschen Vereinsmeierei weltweit gibt.

Manchmal spielen also in Vereinen auch Motive eine Rolle, die nichts mit der Vereinsarbeit zu tun haben und erst bei näherer Betrachtung deutlich werden.

Wikipedia trifft es hierbei m.E. ziemlich genau auf den Punkt: Den Vereinsmeiern geht es im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern in erster Linie darum, sich zu beschäftigen und sich oft auch in möglichst vielen Vereinen zu engagieren - Themen und Inhalte sind dabei eher zweitrangig. Er befasst sich mit Formalien und Bürokratie mehr als mit den eigentlichen Inhalten des Vereins.

Bald stellt man fest: Themenferne Inhalte sind eigentlich Hauptinhalt aller Gespräche mit Vereinsmeiern. Das sogenannte "gemeinsame Interesse" - egal ob es sich um Geschichte und Forschung, Sport, Natur- und Tierschutzinhalte, Heimat, Kunst- und Kultur, religiöse Vereine oder Sammlerthemen geht - gibt es in dem Ausmaß und in der Tiefe, wie man sich das eigentlich wünscht, gar nicht. Statt dessen wird Politik um das Miteinander betrieben. Und das kann auch - bei jenen, die ihn zunächst nicht sofort durchschauen - wirken: Der Vereinsmeier wirkt besonders engagiert, weil er auf achso vieles achtet, was angeblich schief läuft. Aber eines enttarnt ihn: Er hat keine Lösungen. Er negiert echte Probleme und bauscht zugleich Nichtigkeiten auf.

Oft glauben Vereinsmeier über eine überlegene Vorgehensweise und mehr Fachkompetenz gegenüber anderen Mitgliedern und dem Vorstand zu verfügen - das mag mitunter richtig sein (angenommen jemand sei wirklich studierter Betriebswirt, Jurist oder erfahrener Eventmanager und kann fundierte Kenntnisse und Fachwissen tatsächlich in den Verein zum Nutzen aller einbringen) - beim Vereinsmeier jedoch handelt es sich dabei schlichtweg um einen Dunning-Kruger-Effekt, sprich das kognitive Zerrbild im Selbstverständnis inkompetenter Menschen, eigenes Wissen und Können zu überschätzen und sich dennoch berufen zu fühlen in führender Rolle Einfluss zu nehmen. Seine Anforderungen an die anderen Mitglieder und den Vorstand sind nahezu übermenschlich und bald wird man feststellen, dass man ihm kaum genügen kann. Dabei kann er sogar den Eindruck erwecken, ganz besonders besorgt, plichtbewusst, engagiert und fürsorglich zu sein: Erkennen kann man ihn aber an der Unbarmherzigkeit mit der er vermeintliche Fehler und Schwächen bei anderen Mitgliedern sucht und bewertet!

Die Suche nach Anerkennung in einem Verein birgt Vorteile und Nachteile zugleich: Personen, die im Berufsleben nicht besonders hoch angesehen sind, können im Verein soziale Erfolge erleben, die sie sonst nicht erreichen. Das kann einem Menschen helfen, dessen Fähigkeiten anderswo womöglich tatsächlich verkannt wurden, gesehen zu werden. Von einem sozialem Erfolg im Verein versprechen sich Vereinsmeier allerdings auch Auswirkungen auf die Rangordnung in anderen sozialen Gruppen, statt Vertiefung in Themen, Kenntnisse und Fähigkeiten, die Gegenstand des Vereinsthemas sind.

Vereinsmeierei führt unweigerlich zu Frustration auf beiden Seiten: Der Vereinsmeier ist frustriert, weil die anderen den Verein anders organisieren als er das für richtig befindet. Er ärgert sich übermäßig oft über andere und verdirbt sich selbst damit den Spaß an der Sache. Oft erzeugt es Neid in ihm, wenn Aufgaben im Verein Menschen mit mehr Erfahrung überlassen werden. Neid kann Ansporn sein, sich selbst zu verbessern, Neid kann aber auch pures Gift sein und damit Ursache von Mobbing und Intrigen, sogar von Sabotage.

Die übrigen Vereinsmitglieder sind enttäuscht, weil sie natürlich spüren, dass der Vereinsmeier am eigentlichen Thema selbst weitaus weniger interessiert ist als sie. Eine echte Gemeinsamkeit ist so nur schwer herstellbar: Gespräche über Inhalte bleiben beim Austausch mit Vereinsmeiern eher oberflächlich und driften leicht wieder in Fragen über Nebensächlichkeiten, im schlimmsten Fall sogar in Geläster über Abwesende ab.

Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern eines Vereins ist der Vereinsmeier - egal ob er ein Amt bekleidet oder nicht - ein wahrer Kontrollfreak. Er vertraut nicht wohlmeinend darauf, dass auch andere erwachsene und vernünftige Menschen im Verein sind, die wissen, was sie tun, sondern er/sie alleine sieht sich in der Rolle dessen, der "immer alles zweimal sagen muss" und "immer noch mal nachschauen musste", weil "sonst macht's ja keiner". Typischerweise bietet er/sie auch bei jeder Gelegenheit seine/ihre Hilfe an, aber nur um diese später aufzurechnen: "Wenn's ich nicht getan hätte, ja wer denn dann?".

Step by step schürt er Schuldgefühle bei den anderen Mitgliedern und - sollten diese sich den Schuh tatsächlich auch noch anziehen - ist ab da in der Lage andere zu manipulieren und emotional zu erpressen, sprich pures Gift für das Miteinander! "Oh, wie er sich aufopfert, der/die Arme - aber wer dankt es ihr/ihm denn?" - Natürlich keiner, ist doch klar! ;)

Übrigens:Der Vereinsmeier hält sich selbst für einen Kritiker, wenn er mobbt, nicht für einen Mobber, fühlt sich selbst aber gemobbt, wenn er mal kritisiert wird.

Wenn ein vernünftiger Mensch kritisiert wird, dann geht er mit der Kritik souverän um: Entweder er klärt in Ruhe ein mögliches Missverständnis auf oder er/sie entschuldigt sich, falls ihm tatsächlich ein Fehler unterlaufen oder ein Missgeschick passiert ist. Eine - für das Klima und Miteinander im Verein - gesunde Reaktion darauf wäre, beiderseits nicht weiter nachtragend zu sein, über den Zwist später gemeinsam zu lachen und - vor allem - sich wieder den Inhalten zu widmen, die einen ja eigentlich verbinden und begeistern.

Der Vereinsmeier jedoch zeigt sich unversöhnlich, stilisiert sich selbst bei Kritik zum Opfer und reagiert mit Gegenvorwürfen, meist bar jedweder Selbstironie oder Humor.

Selbstverständlich gibt es in einigen Vereinen Menschen, die tatsächlich benachteiligt, ausgegrenzt und isoliert werden. Und die brauchen auch Hilfe und das Verständnis von anderen! Der Unterschied zu jenen, die tatsächlich von Mobbing im Verein betroffen sind, ist jedoch: Der Vereinsmeier fühlt sich ausgegrenzt und isoliert, ohne tatsächlich je ausgegrenzt und isoliert worden zu sein. Da er ein überdurchschnittliches Maß an Hinwendung und Aufmerksamkeit braucht fühlt er sich ausgegrenzt, wenn andere miteinander lachen, fühlt sich isoliert, wenn ihm jemand keinen Stuhl holt, um sich dazuzusetzen, fühlt sich missachtet, wenn er nicht ständig gelobt und gewürdigt wird und zeigt das auch ganz deutlich: Große dramatische Gesten und schnell entgleisende Gesichtszüge.

Ein echtes Opfer von Diskriminierung und Ausgrenzung braucht Hilfe, ein Vereinsmeier inszeniert sich selbst in einer Opferrolle, bei der sich jeder - der sich nicht nach seinen egoistischen Ansprüchen und ich-zentrierten Befindlichkeiten richtet - sich fühlen soll wie ein sehr schlechter Mensch. Wohl dem, der sich davon abgrenzen kann, denn oft durchschaut man das am Anfang gar nicht. Empathische Menschen möchten dafür sorgen, dass es allen im Verein gut geht, bis sie feststellen: Dem Vereinsmeier geht es nie gut, egal wie sehr man sich bemüht.

Ein positiver und sozial halbwegs kompetenter/achtsamer Mensch bemüht sich die anderen Vereinsmitglieder richtig zu verstehen, der Vereinsmeier bemüht sich lieber, sie falsch zu verstehen: Nur so kann er sich weiter einbilden moralisch über Ihnen zu stehen!

Viele Vereine schaffen es erfolgreich Vereinsmeierei zu unterbinden. Manche Vereine leider nicht, so dass oft das Vergnügen an der Sache beeinträchtigt wird durch kleinliches Gängeln anderer, Eifersüchteleien, Angst um Aufmerksamkeitsverlust, Vorwürfe und Vorhaltungen wegen Nichtigkeiten und andere toxische Phänomene, die in der Regel auch von Vereinsmeiern ausgelöst werden. Die Mitglieder freuen sich nicht mehr aufeinander, sondern gehen auf Eierschalen in den Verein.

Das erzeugt Unbehagen bei den anderen Vereinsmitgliedern, und oft erst nach vielen Wochen oder Monaten wird einem bewusst, woher dieses zunehmende Unwohlsein eigentlich rührt. Viele fragen sich: Bilde ich mir das nur ein? Nein, in den meisten Fällen bildet man sich gar nichts ein! Hier ist es wichtig und richtig der eigenen Intuition zu vertrauen.

Aber was tun? Der gesamte Verein müsste sich deutlich gegen Intrigen, Mobbing, Klatsch und Tratsch positionieren und sich sehr klar darüber sein, wie diese psychologischen Mechanismen greifen und funktionieren. Viele sind sich darüber nicht bewusst und auch wenn sie es sind bleibt oft nur eins: Selbst zu gehen. Vergeblich wird man versuchen den Störenfried davon zu überzeugen, dass eigentlich er/sie gehen sollte.

Was denken Sie?

Die Folgen der Vereinsmeierei:
  • Frustration:Sowohl der Vereinsmeier selbst als auch die anderen Mitglieder werden frustriert. Der Vereinsmeier, weil er nie zufrieden ist und die anderen, weil sie sich ständig kontrolliert und bevormundet fühlen.
  • Mobbing:Die ständige Kritik und das Lästern des Vereinsmeiers können zu Mobbing und Ausgrenzung führen.
  • Angst und Misstrauen:Im Verein entsteht zunehmend ein Klima der Angst und des Misstrauens. Die Mitglieder trauen sich nicht mehr, ihre Meinung zu sagen oder eigene Ideen einzubringen.
  • Verlust von Mitgliedern:Viele Mitglieder geben frustriert auf und verlassen den Verein.

Was tun gegen Vereinsmeierei?

Es ist nicht einfach, gegen Vereinsmeierei vorzugehen. Der erste Schritt ist jedoch, das Problem zu erkennen und zu benennen. Die Mitglieder des Vereins müssen sich darüber bewusst sein, dass die ständige Kritik und das destruktive Verhalten des Vereinsmeiers nicht toleriert werden kann.

Mögliche Maßnahmen gegen Vereinsmeierei:

  • Offene Kommunikation:Die Mitglieder des Vereins sollten offen über das Problem sprechen und dem Vereinsmeier klar sagen, dass sein Verhalten nicht akzeptabel ist.
  • Klare Regeln:Der Verein sollte klare Regeln und Verhaltensrichtlinien aufstellen, die das Miteinander regeln.
  • Konsequenzen:Bei Verstößen gegen die Regeln müssen Konsequenzen gezogen werden. Im Ernstfall Ausschluß aus dem Verein.
  • Bewusstsein stärken: Der Vereinsmeier lästert heute über andere bei Dir und morgen über Dich bei anderen! Vereinsmeier gehen meistens gegen Menschen vor, die sie als Konkurrenz wahrnehmen. Konkurrenten sind in dem Fall insbesondere jene, die mit echter Leidenschaft und aufrichtigem Interesse bei der Sache sind oder jene, die ihn durchschauen, sprich Mitglieder von denen er sich bedroht fühlt. Der besonders manipulative Vereinsmeier ist ein Opfer seiner eignenen Neigung zur Projektion: Alles, was in ihm selbst schlummert, unterstellt er auch anderen. Auffällig sein Schwarz-Weiß-Denken: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Bist Du heute sein bester Freund, kannst Du morgen schon sein ärgster Feind sein, wenn er spürt, dass Du Dich von ihm oder ihr langsam distanzierst, denn dafür wer gegen oder für ihn ist, hat er sehr feine Antennen und dieser Frage widmet er in einem neurotischen Ausmaß seine ganze Aufmerksamkeit. Wenn Du plötzlich vom Vereinsmeier ignoriert wirst, wundere Dich nicht. Auch Schweigen und Ignorieren kann eine Waffe sein, genau wie das Erteilen und Zuweisen von kränkenden oder sinnlosen Aufgaben.
  • Sich gegenseitig unterstützen: Menschen, die die Unfairness von Vereinsmeiern beobachten oder am eigenen Leib erleben haben oft Angst, selbst als Lästermäuler zu gelten, wenn sie sich beim Vorstand/anderen Mitgliedern Hilfe suchen. Hier ist es wichtig genau darauf zu achten, ob jemand wirklich einen Missstand benennen und aufklären möchte oder nur jemanden versucht anzuschwärzen. Man darf nicht selbst als Lästerer missverstanden werden, wenn man den eigentlichen Intriganten auch als solchen benennt!
  • Stärkung des Miteinanders:Der Verein sollte sich auf das gemeinsame Hobby/Interesse/Thema/Ziel und die positiven Aspekte des Vereinslebens konzentrieren, ohne Probleme zu ignorieren. Wer jedoch immer wieder mit seinem Verhalten dafür sorgt, dass man sich auf diese Inhalte nicht mehr konzentrieren kann, schadet dem Verein!

Fazit:

Vereinsmeierei ist ein ernstzunehmendes Problem, das das Vereinsleben zerstören kann. Es ist wichtig, dass die Mitglieder des Vereins sich gegen dieses Problem wehren und aktiv für ein positives Miteinander sorgen.

Ergänzende Gedanken:

  • Prävention:Der Verein kann durch gezielte Maßnahmen, wie z.B. Workshops oder Seminare, die Mitglieder für das Thema sensibilisieren und ihnen Strategien im Umgang mit Vereinsmeiern an die Hand geben.
  • Externe Unterstützung:In schwierigen Fällen kann es sinnvoll sein, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen, z.B. durch einen Mediator oder einen Coach.
  • Unterstützung des Vorstands:Der Vorstand sollte aktiv gegen Vereinsmeierei vorgehen.
(Der Text ist eigentlich am 10.März.2012 von mir geschrieben worden. Heute wiederentdeckt und üerarbeitet.)
Interessante Lektüre dazu: Bernhart Ruso, Klaus Atzwanger: Vereinsmeierei als evolutionspsychologisches Relikt.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Anja Gsottschneider

Ich male, schreibe, fotografiere und koche auch mal was.

Anja Gsottschneider

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