Spiegel-Lesen

Künstleralltag Du bist ne Jute und your other bag is Chanel. Von Kunst und Armut in Berlin

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Du kaufst dir doch kein iPhone, sondern ein Android, weil das System offen ist.
Und dann nimmst Du weniger Waschmittel, weil die Wäsche ja auch gar nicht so richtig schmutzig wird.
Dann fängst Du an mit Drehtabak, weil das viel echter schmeckt, als Gekaufte.
Du fährst Fahrrad und nicht Bahn, denn das geht in der Stadt viel schneller.
Im Görli wird man auch braun, sagst Du und Surfen in Marokko ist für Spießer.
Second-hand ist cool und originale Chucks sinds nicht.
Dass deine Mitbewohner in den großen Zimmern "ständig laut ficken", ist kein Argument mehr gegen eine WG, denn Du magst es, wenn was los ist.
Nach dem Bauen bist Du nicht der, der haut, weil Du nichts dabei hast von dem, was man zum Bauen braucht, denn das ist ja schädlich, okay, einmal ziehen wird schon gehen.
Wedding ist dein neues Neukölln.
OBEY ist Kommerz.
Drinks schmuggelst Du ins Kater Holzig, weil das ne mega witzige challenge ist.
Du bist ne Jute und your other bag is Chanel.
Hast nur noch Wasser in der Club Mate Flasche, denn … Zucken mit den Schultern und ein Lächeln.
Nimmst eine Pappstiege, weil Plastiktüten die Umwelt verpesten.
Bist nicht verschwenderisch, entscheidest global, ganzheitlich, nachhaltig.
Stimmst für das bedingungslose Grundeinkommen, denn nur dann kann sich der Mensch frei entfalten.
Widersprichst nicht mehr reflexhaft, wenn dich einer auf was einlädt, weil Widersprechen unhöflich ist.
Und beim Spiegel-Lesen im Supermarkt wird dir plötzlich klar, dass du nicht Künstler in Berlin, sondern arm geworden bist.

Hinweis: Der Text wurde vorgestern bereits hier veröffentlicht.

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