War`s das jetzt?

Die Linke Immer schneller entfernt man sich von Durchsetzungsfähigkeit und Zukunftsperspektive. Kompromisse sind verpönt und die Aussicht auf Geländegewinne auf einem sinkenden Kahn treibt die Protagonisten. Dabei wäre Schöpfen angesagt..

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Der Chefkorrespondent des Hamburger Abendblatts Jens Meyer-Wellmann schrieb am Montag nach dem Linken-Parteitag in Hamburg (10. und 11.09.2022) in einem Kommentar, in dem er sich zuvor auf besonders skurrile Szenen und Vorkommnisse bezog: „Wer all das liest (oder gesehen hat), mag diese Partei nicht mehr ernst nehmen. Das aber wäre ein Fehler. Denn der Parteitag war beides: ein Sinnbild dessen, was in der Partei seit Langem falsch läuft. Aber auch ein klares Signal, dass die Mehrheit sich von den Destruktiven abwendet und dass konkrete Politik für die Bedürftigen bei den Linken künftig wichtiger sein soll als unendliche ideologische Debatten und groteskes und aggressives Polittheater. Eine klare Mehrheit der Delegierten hat … ein pragmatisches und erfahrenes neues Duo an die Spitze gewählt“.

Der unterstellte Pragmatismus ist erst einmal eine Projektion in Abwägung von Umständen, deren eine Seite (von mehreren) mit Irrsinn wohl treffend beschrieben ist. Heißt: bei dieser Relationsgröße kann der Vergleich nur euphorisch zugunsten der Gewählten ausfallen.

Insofern erscheint es als gütige Fügung des Schicksals, wenn jetzt mit >70 Prozent der Parteitagsdelegierten ein Vorstand gewählt wurde, der von „Konkret LinX“ angeführt wird und dessen besonderes Merkmal ein pragmatischer Umgang mit Politik ist, die sich vor allem an der Arbeit der Fraktion orientiert.

Denn bei allen andersartigen Bekenntnissen besteht die wesentliche Arbeit der Partei Die Linke vor allem in konstruktiver Kritik und im Aufzeigen reformpolitischer Alternativen in den Parlamenten und diesem nachempfundenen Gremien in Städten und Gemeinden.

Antikapitalismus

Dass neben diesem Ansatz Die Linke stets einen scheinradikalen Antikapitalismus pflegt und auch ihre Stiftung nach einer deutschen Kommunistin benannt haben, die Reformpolitik nur als Mittel zum Zwecke der sozialen Revolution begriff[1], ist diesem quasi religiösen Kern der Partei geschuldet.

Die Entstehungsgeschichte aus der SED zur Partei des demokratischen Sozialismus und schließlich der Vereinigung von westdeutscher WASG mit eben dieser PDS hat zwar stets offengelassen, ob man nun revolutionär und deswegen reformerisch oder umgekehrt reformerisch sein möchte und deswegen ggf. die Verhältnisse an dem Punkt bringt, wo sich eine Systemtransformation nicht mehr vermeiden lässt.

Als Perspektive bzw. Idee sollte jedoch eine Vorstellung alle Mitglieder einen: eine Gesellschaft in der, wenn schon keine Gleichheit, so doch zumindest eine Gerechtigkeitsvorstellung etabliert ist, die jedem und jeder den Zugang zu allen Chancen dieser Gesellschaft eröffnet und einen materiellen Standard etabliert, der zumindest eine sorgenfreie Existenz ermöglicht.

Hoch die..

Die Idee internationaler Solidarität galt immer als gesetzt. War diese geboren, um die nationale Kampfkraft des nationalen Proletariats zu stärken, indem sich die Arbeiterklasse nicht durch die international bestens vernetzte Klasse der Kapitalbesitzer gegeneinander ausspielen lässt und so beispielsweise nationale Arbeitskämpfe unterläuft, verkehrte sie sich in der Linken immer mehr zu einer Idee der Verpflichtung entwickelter Staaten, unbeschränkt zur Einwanderung von Menschen offen zu stehen, deren Perspektiven sich vom eigenen Land nach außen gekehrt hatte.

Das hatte bisweilen Ausformungen, die die Partizipation des nationalen Proletariats am selbstgeschaffenen Reichtum als Privilegierung gegenüber den Armen in anderen Ländern betrachtete.

Beziehungsweise wurde die Begrifflichkeit „Proletariat“ überwiegend durch die Alltagsbegriffe Beschäftigte oder gar Bürger*innen abgelöst und somit der Zusammenhang zwischen Reichtumsproduktion und marginaler Aneignung durch die unmittelbaren Produzenten zugunsten der Perspektive der Einkommensspreizung im internationalen Maßstab aufgegeben[2].

Menschenrechte

Damit stand die Ungerechtigkeit in Bezug auf die Idee, dass alle Menschen gleiche Rechte haben sollten, vor jeder Analyse und damit vor dem, was die marxistische Linke im Ursprung von Utopischen Sozialisten unterschied. Vor jeder Bestimmung der Politik hat stets die Analyse und Bestimmung der Grundlagen zu stehen, in der diese Politik stattfindet. Statt der Kälte des Verstandes sollte fortan die Wärme des Herzens und die Hitze der Leidenschaft linke Politik bestimmen. Tatsächlich war die Analyse auch nie eine wirkliche Stärke der marxistischen Linken. Anders als das marxsche Denken und Marxens Entwicklungsprozess vom Heißblut zum Analytiker der kapitalistischen Grundlagen und mithin zum Ökonomen hatte der affirmative Bezug auf Marx vielfach nur den postulierten positiven Bezug auf Analyse gesellschaftlicher Zustände zur Folge und im Gefolge die Ignoranz von Marx, aus dem ein Heiligenbildchen gemacht wurde.

Eine ähnliche Entwicklung gab es nicht nur in der Partei gleichen Namens, sondern im gesamten Milieu der kulturellen Linken, die mit gesellschaftlicher Analyse wenig anzufangen weiß, weil die Probleme globaler Ungleichheit, globaler Erwärmung, Diskriminierung subkultureller Minderheiten usw. usf. ja klar zutage liegen. Neuerdings verbindet man sich gleich mit der Wissenschaft en bloc. Damit entgeht man zwar dem Problem, einzelne Wissenschaftler zu Ikonen zu machen, aber der Drang nach Erlösung durch Menschen, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen, bricht sich Bahn und schenkte der Menschheit zuletzt „Greta“ als Prophetin der Wissenschaft an sich.

Glaube und Überzeugungen

Die Systemtheorie nennt es Komplexitätsreduktion durch Vertrauen[3]. Vor- und Nachteile liegen auf der Hand. „Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit, als Lügen“ (Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches, Nr. 483). Ob Glaube oder Überzeugungen, es ist dasselbe und wie Nietzsche sagen würde „Ausdruck von Entselbstung, von Selbst-Entfremdung“ (Der Antichrist). Aber derselbe Nietzsche weiß auch, dass man vieles nur mittelst einer Überzeugung erreichen kann. Doch „(d)ie große Leidenschaft braucht, verbraucht Überzeugungen, sie unterwirft sich ihnen nicht – sie weiß sich souverän“ und hier nun liegt der Hase im Pfeffer.

Befindlichkeiten wurden wesentlicher als eine durchdringende Befassung mit Themen und Problemen und deren Einordnung in bestehende Theorien über das momentane Wirtschaftssystem und politischen Axiomen, die Ergebnis einer Mischung von Theorie und Überzeugungen sind. So beispielsweise die Festlegung, Anwalt der Menschen zu sein, die man früher als Arbeiterklasse oder Proletariat bezeichnete. Das entsprach sicherlich auch einem tiefsitzenden Bedürfnis nach Emanzipation von einem System des „wissenschaftlichen Sozialismus´“, das nicht nur, aber auch den Anspruch auf Analyse und daraus abgeleiteter Politik nachhaltig deskreditiert hat.

Ferner darf das Bedürfnis von Menschen, vom Rand in die Mitte der Gesellschaft zu gelangen, nicht unterschätzt werden. Die Mitglieder der Linken sehen keine Notwendigkeit, Überzeugungen unter und hinter sich zu lassen, die in dem Milieu, das ihnen kulturelle Heimat ist, hegemonial sind. Womit auch bereits angedeutet ist, worin das Problem der Linken besteht.

Die Linke ist eine zeitgeistige Bewegung und weniger eine Partei, die durch ein Programm formiert ist. Dieses Schicksal teilt sie mit Grünen und SPD gleichermaßen. Man könnte sagen, dass Grüne und Linke so überwiegend abhängige Größen des linksliberalen Milieus sind, dass sie glauben jede Volte dort um den Preis ihres Weiterbestehens mitmachen müssen.

Global denken, lokal handeln

Für die Grünen ist das völlig unproblematisch, weil sie die Partei ist, die mit diesem Milieu im doppelten Wortsinn aufgewachsen ist. „Global denken, lokal handeln“ ist Leitspruch und Imperativ zugleich und ermöglich so die vollständige Emanzipation von einer Basis in der Hauptsache anderer Parteien, die eine bewusste Ansprüchlichkeit als Bürger dieses Landes haben und das Gefühl gut regiert zu werden, davon abhängig machen, ob dabei ihre materiell-egoistischen Interessen berücksichtigt sind. Darüber, – weil die Grünen so relativ erfolgreich sind -, gelingt eine Hebelung der Bedeutung globaler Ansätze der Politik, die eine vordergründig auf Wählerinteressen ausgerichtete Politik als gestrig erscheinen lassen. Die Sache wird - wie alles – nicht von Dauer sein. Momentan jedoch verdrängen die Interessen „des herrschenden Milieus“ weitestgehend die Teilhabe, des hierin nicht vertretenden Milieus durch beharrliches Ignorieren.

Im Osten Volkspartei – lange her

Die Sache ist natürlich nicht ungefährlich für die Linke, weil sie ihre Besonderheit verliert oder schon verloren hat. Im Westen Partei eines völlig anderen, geradezu entgegengesetzten Milieus zu sein, als im Osten. Dieser Spagat, der am Anfang der PDS zu gelingen schien, wurde durch die Aufnahme der WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative) im Sommer 2007 perspektivisch – also langsam und stetig - beendet. Zugleich war das wohl auch unvermeidbar. Die Linke hatte im Westen kein Interesse daran, dass Nostalgiker eines „wahren Sozialismus“ den Ton angaben. Deren Kritik an der DDR und Sowjetunion war vielfach die einer ideologischen Verflachung und zu starker Konsumorientierung, während im Osten Kern der Politik nicht nur die Kritik mangelnder Partizipation an der Entwicklungsdynamik des entwickelten Kapitalismus (BRD) war, sondern vor allem die Tatsache, dass die volkseigenen Betriebe im Rekordtempo zu Eigentumstiteln der Brüder (und Schwestern) im Westen wurden. Außerdem mussten die „gelernten DDR-Bürger“ alsbald zur Kenntnis nehmen, dass sie von findigen Westlern nach allen Regeln der Kunst mit Krediten, Versicherungen und Verträgen aller Art kräftig aufs Kreuz gelegt wurden. Etwas, was sie zuvor so nicht gekannt hatten. So wenig wie die Arbeitslosigkeit, die dann einsetzte.

Klein und groß zugleich

Das Problem des Unverständnis von Wessis gegenüber Ossis und umgekehrt wurde dadurch nicht geringer, löste sich aber innerhalb der Partei dadurch tendenziell auf, dass sich die Partei dem links kulturellen Milieu anpasste und nicht umgekehrt eine Anpassung an Wendeverlierer stattfand. Man kann das eigentlich nur feststellen. Es hat weder mit subjektiver Schuld, noch mit objektiven Notwendigkeiten zu tun, sondern folgt plan- wie alternativlos einem Hauptstrom geistiger Entwicklung des bürgerlich linksliberalen und alternativen Milieus der alten Bundesrepublik. Diesem ist allerdings vorzuwerfen, dass es die Idee des Ausgleichs konkurrierender Interessen zunehmend global und abnehmend bezogen auf den eigenen gesellschaftlichen Raum gedacht hat. Vielleicht auch deswegen, weil es sich seiner gesellschaftlichen Macht zu wenig bewusst ist und gedanklich vielfach noch subjektiv aus der Rolle der Minderheit denkt, – die sie zwar ist –, aber eben nicht mehr bezogen auf den gesellschaftlichen Einfluss. Man schaue sich nur einmal die politische Selbstverordnung bei gesellschaftlichen Multiplikatoren an, dann versteht man vielleicht die Diskrepanz zwischen Zahl und Einfluss[4].

Der Westwind besiegt den Ostwind!

Man darf annehmen, dass der Prozess des Zusammenwachsens innerhalb der Linken, der weniger einer der gegenseitigen Durchdringung war, mittlerweile in großen Teilen abgeschlossen ist. So wie die DDR nach Art. 23 GG a.F. Teil Deutschlands wurde, so wurde auch die ehemalige Staatspartei der DDR Teil der kulturellen Linken der BRD (alt).

Das Problem der Linken hier und jetzt besteht nicht primär in ihren Positionierungen, sondern dass es zwei stärkere Milieuparteien gibt, die das Potential der Linken auf kritische fünf Prozent begrenzt. Damit verlangt die Politik der Partei Die Linke die Kunst des Interessensausgleich innerhalb des eigenen Ladens in exzellenter Performance und mit Überzeugung auf Seiten aller wichtiger Akteure. Die Partei muss also einerseits die Erwartungen eines links kulturellen Milieus außen erfüllen und im Inneren muss das Kunststück gelingen, dass sich die Minderheit, deren einigendes Band in einer diffusen Transformationsperspektive des Kapitalismus besteht, mit- und ernstgenommen fühlt und nicht zugleich die Außenwirkung vermasselt.

Erfurter Weg

Schwierig, aber nicht aussichtslos, jedenfalls in der Theorie. Allerdings hat man sich in Hamburg für einen anderen Weg entschieden. Das ist Pragmatismus und Übernahme des Musters des vergangenen Bundesparteitages in Erfurt, aber eben zugleich auch Versagen unter realpolitischer Perspektive. Das Wenigste, was man hätte tun müssen, wäre gewesen, die pragmatischen Sozialisten einzubinden, die eine ungefähre Vorstellung von der Notwendigkeit eines Erhalts der Pluralität innerhalb der Linken haben und auch Kräfteverhältnisse einzuschätzen vermögen.

Der Kompromiss der auf dem 8. Parteitag in Erfurt im Juni 2022 gefunden wurde und der einerseits sich in negativen Beschreibungen Russlands und Putins ständig selbst überholt und andererseits erwähnt: „Sanktionen müssen sich gegen Putins Machtapparat und den militärisch-industriellen Komplex und damit gegen die Fähigkeit zur Kriegsführung richten. Sanktionen, die sich vor allem gegen die Bevölkerung richten oder zur Verarmung im Globalen Süden beitragen, lehnen wir ab“, schürt allerdings Erwartungen, die geradezu zwanghaft die Mitglieder und Anhänger der Linken enttäuschen müssen, weil der Zugriff auf diesen Beschluss von entgegengesetzten Seiten möglich ist.

Eklat

Sahra Wagenknecht hat es für die Minderheit innerhalb der Linken vorgemacht, wie das gehen kann. Dabei hat sie sich sicherlich nicht gegen Absprachen mit der Fraktionsführung verhalten, die den Kompromiss von Erfurt als Klammer für die Partei mit ersonnen hat. Übersehen wurde aber, dass im Wettstreit von Emotionen und sachlichen Feststellungen fast immer die Emotionen obsiegen. Der Verstand folgt der Emotion, nicht umgekehrt. Das wichtigste Entscheidungszentrum des Menschen ist der Bauch.

Während so die Minderheit bei Wagenknecht die Empathie mit der Bevölkerung, -die von Verarmung betroffen sein wird, -heraushört, hört die Mehrheit nur die Verharmlosung des Kriegsverbrechers Putin und Propagierung nationaler Unternehmerinteressen durch die bekannteste Linke des Landes. Das dürfte dann auch wiederum zur Entmutigung bei Kompromissbereiten führen, die glauben, dass sich die Minderheit bzw. Mehrheit nicht an Absprachen hält.

Der große Graben

Wahrscheinlich ist der Riss, - der durch die Partei geht -,schon zu stark, zu verfestigt, als dass er durch die drohende Perspektive der Bedeutungslosigkeit zu überbrücken wäre. Zugleich fehlt es in der Breite der Partei an der Fähigkeit zur kritischen Reflexion der eigenen Situation und zur Bestimmung von „Haupt -und Nebenwidersprüchen“[5] in der aktuellen Situation. Also dem, was jetzt angesagt wäre. Dabei überlagert der interne Konflikt auch die zaghaften Analyseansätze in dieser Partei. Hinzukommt und tragisch ist dabei, dass Russland ehemals als Sowjetunion das „Vaterland aller Werktätigen“ und die „die Freundschaft mit der Sowjetunion der Herzschlag“ der SED war. So entsteht ein dreifach starker Wunsch nach Abgrenzung und Verurteilung, um sich nicht des Verdachts heimlicher Sympathie für den Nachfolgestaat der SU auszusetzen. Das führt dann dazu, dass der Stellvertreterkrieg der USA, der als einer des westlichen Bündnisses inszeniert und von der Ukraine kämpfend aufgeführt wird und auf den ersten Blick nicht wirklich mit EU- und deutschen Interessen kompatibel ist, die Ehre erwiesen wird, indem man sich als Menschen- und Völkerrechtspartei in Pose wirft und auf Moral anstelle von Realpolitik setzt.

Wer ist „wir“?

Zusätzlich behindert die Analyse eine absurde Idee von Nationalismus, der nach Meinung vieler Linker da beginnt, wo die eigenen Interessen denen der Menschheit an sich untergeordnet werden. Eine Sichtweise, die wiederum begünstigt wird durch das Fortschreiten der globalen Erwärmung, als drängendstes Menschheitsproblem, das tatsächlich nur in Bezug auf Lösungen durch den Fokus der einen, gemeinsamen Welt betrachtet werden sollte. So dass man schon mal auf die Idee kommen kann, dass partielle Interessen den Weltinteressen generell unterzuordnen sind. Der Fehler besteht halt nur in der Generalisierung, die aber hat es in sich. Während in Deutschland die kleinen und mittleren Einkommensbezieher und große Teile des selbständigen Mittelstandes von individuellen Inflationsraten betroffen sein könnten, die direkt an den Rand der Gesellschaft und in Armut führen, hat die Linke im o.g. Beschluss des Erfurter Parteitages festgelegt: „Preissteigerungen für Energie müssen sozial ausgeglichen werden, so dass Strom und Heizung sowie Benzin für alle bezahlbar sind“. Man kann sich ungefähr vorstellen, welch eine Dimension diese Intervention haben müsste, um tatsächlich die absehbaren Preissteigerungen auszugleichen. Weswegen es das auch nicht geben wird. Stattdessen werden 300, 500 oder auch 1.000 EUR pro Haushalt gezahlt werden. Summen, die nicht ansatzweise die realen Kostenbelastungen abfangen werden, zumal der Energiepreis sich in jedem Apfel, jedem Ei und jedem Liter Milch niederschlagen wird.

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit

Im gleichen Beschluss heißt es auch: „Geflüchtete, egal welcher Herkunft, müssen schneller und unbürokratischer aufgenommen werden. Dass das möglich ist, sieht man am Umgang mit den Geflüchteten aus der Ukraine. Dieser Umgang muss für alle Geflüchteten gelten“.

Was sicher freundlich gemeint ist, offenbart zugleich die Ignoranz gegenüber eigenen Bürgern und Wählern sowie den Staatsfinanzen gleichermaßen. Aber selbst, wenn man eine stabile Geldpolitik innerhalb der EU für vernachlässigbar hielte, bliebe ja noch die Aufnahmebereitschaft- und Fähigkeit der Gesellschaft, die in großen Teilen mit erheblichen Kosten für die Wohnunterbringung und momentan vor allem den Nebenkosten zu kämpfen hat, vom Zustand des Bildungssystems und der Schulen, dort wo Flüchtlinge gerne und bevorzugt untergebracht werden, ganz zu schweigen.

Diese Ignoranz gegenüber den früheren Wählern, die jetzt zum Teil bei der AfD gelandet sind, wird man der Linken nur dort verzeihen, wo man sich selbst kulturell dem Kreis der Linken oder dem großstädtischen und/oder kosmopolitischen Milieus zurechnet. Linke Wähler, die wegen Wagenknecht, Fabio de Masi usw. noch bei der Linken blieben, werden weggehen. Wie auch die Genannten selbst. Bei denjenigen, die sich sozialpolitisch engagieren, werden diejenigen bleiben, denen Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) und Wegfall aller Sanktion beim kommenden Bürgergeld und dessen bedingungslose Gewährung an Asylbewerber und Flüchtlinge ein wesentliches Anliegen, gleich dem bundesweiten Neun-Euro-Ticket ist. Diejenigen, die die soziale Lage der unteren und mittleren Einkommen für wesentlich halten und die deswegen dort gezielt helfen möchten, - statt mit Blick auf die Staatsgießkanne Beglückung für alle zu fordern -, werden gehen.

Großreinemachen?

Gerade wird von der Thüringer Landtagssageordneten Katharina König-Preuss in einem offenen Brief für den Ausschluss Wagenknechts aus der Partei und den Rücktritt der Vorsitzenden der Linksfraktion Bartsch und Mohamed Ali geworben. Erstunterzeichnet wurde der Brief auch von der Abgeordneten Henriette Quade aus Sachsen-Anhalt und der Abgeordneten Juliane Nagel aus dem sächsischen Landtag. Mittlerweile dürften einige (> 1.000) Unterschriften mehr unter dem Text stehen. So auch die Hamburgische Bürgerschaftsabgeordnete Carola Ensslen, neu-Landesvorstandsmitglied Gernot Wollter, Alt- und Nichtmehr-Landesvorstandsmitglied Anne Pipenbrinck, Carsten Polzin, Sprecher der LAG Bildungspolitik HH und Kai-Uwe Helmers, Sprecher der LAG Gesundheit, um nur einige der ca. 100 Menschen aus Hamburg zu nennen, die dafür kämpfen, die Linke von ihrer beliebtesten Politikerin zu emanzipieren. Mittlerweile hat sich dem Appel auch die erste Bundestagsabgeordnete der Fraktion die Linke, Martina Renner angeschlossen.

Kampf gegen Rechts

Einen Versuch der Konkurrenz mit der AfD um Wählerzuspruch aus dem Kreis von Menschen, die sich weder von den Grünen noch der SPD vertreten fühlen, gab es zaghaft vom Kreis um Wagenknecht und Lafontaine (schon vor einiger Zeit ausgetreten) und war nur mäßig erfolgreich, seit Wagenknecht auf offener Bühne und aus der Parteispitze heraus gemobbt wurde. Damit wurde der AfD das Feld weitgehend und vor allem kampflos überlassen

Dieses woke Lebensgefühl hat wohl niemand so schön auf den Punkt gebracht, wie Spiegel-Redakteur Hasnain Kazim am 1. November 2019 in einem Twitter-Tweet: „Es geht nicht darum, AfD-Wählerinnen und AfD-Wähler zu „erreichen“. Es geht darum, sie auszugrenzen, zu ächten, sie klein zu halten, ihnen das Leben schwer zu machen, sie dafür, dass sie Neonazis und Rassisten den Weg zur Macht ebnen wollen, zur Verantwortung zu ziehen“.

Darin ist zwar richtig verstanden, dass Parteien primär das Produkt ihrer Wähler sind, außer sie verprellen sie lustvoll oder einfach nur systematisch, aber es übersieht, dass der Kampf gegen rechts da am effektivsten ist, wo er rechten Parteien die Wähler wieder abnimmt, die aus purer Verzweiflung die Seite gewechselt haben, weil sie sich und ihre Interessen nicht vertreten fühlten.

Rechtsverschiebung

Parallel zum Parteitag der Linken in Hamburg haben die Schweden gewählt. Die rechten Schwedendemokraten wurden zweitstärkste Partei und holten erstmalig mehr als 20 Prozent der gültigen Wählerstimmen. Auf kommunaler Ebene erzielte die islamisch geprägte Partei Nyans bis zu 30 Prozent in Vororten von Stockholm und Malmö. Auch wenn es für den Einzug in den Riksdag nicht gereicht hat, veranschaulicht es das Dilemma. Die Linke generell verliert gerade große Teile ihrer früheren Wählerkernschichten an die Rechte und bindet womöglich die Einwanderer, die im Westen Deutschlands und generell in Großstädten in Teilen eine abgeschlossene Community bilden, nicht stark genug an sich, um dauerhaft zu verhindern, dass diese nicht als neue Kraft in die Konkurrenz um Wähler mit ihnen eintritt.

Letzteres steht aktuell noch nicht an, aber die islamischen Kreise in Deutschland werden die Entwicklung der „Neuen“ (Nyans) in Schweden sehr genau beobachten.

Polarisierung

Die Linke hat sich in der Bestimmung wie der Kampf gegen Rechts zu führen ist selbst auferlegt, den direkten Kontakt und unmittelbare Auseinandersetzungen mit Rechten zu meiden, um diese nicht „aufzuwerten“.

Der „Kabarettist Dieter Nuhr wurde allein im vergangenen Jahr als Nazi und als linker Hetzer beschimpft, als homophob und als schwule Sau“, schrieb Jakob Biazza am 13.11.2020 in der Süddeutschen Zeitung. Das mag veranschaulichen, wie sich die zunehmende Polarisierung auf die Debattenfähigkeit ganz allgemein auswirkt. Auch wenn das sicherlich Extreme sind, in abgeschwächter Form finden sie sich zahlreich. Dabei ist am weitesten verbreitet das Nichtstattfinden von Auseinandersetzung von politischen Gegnern ganz allgemein. Damit ist nicht die Rede von der Kanzel oder dem Podium gemeint, sondern die Verweigerung von Diskussion und Debatte mit anderen als der eigenen Meinung. Das Problem, was dadurch entsteht, lässt sich wiederum in seiner Rückwirkung auf die Linken ganz wunderbar beobachten. Man nimmt den eigenen Parteikollegen nicht mehr als Mitstreiter, sondern als Feind wahr, wenn diese sich zu arg außerhalb des engen, als korrekt geltenden Meinungsspektrum bewegt. Die Räume werden logischerweise immer enger und die Strategie der Tabuisierung, im Ursprung als Strategie gegen Nazis ersonnen, greift über auf den eigenen, engsten Bereich. Betroffenheit ersetzt im Zweifel das Argument.

Verengungen

Keine guten Zeiten für Meinungsexperimente, was ja in der Regel die Einnahme einer Position ist. Man legt sich fest, um die Meinung in der Diskussion zu testen und bei Bewährung fortzuentwickeln bzw. was viel wichtiger ist, sich in Debatten auch(!) eines Besseren belehren zu lassen. Die hierfür notwendige Idee, dass man sich irren könnte, ist teilweise zugunsten einer übergeordneten Wahrheitsinstanz der Betroffenheit aufgehoben.

Da, wo Debatte noch akzeptiert ist, spielt die Frage nach „Korrektheit“ aber auch immer eine Rolle. Die Karte „inkorrekter Positionen“ und/oder „Begrifflichkeiten“ kann jederzeit gezogen werden und bringt den Konterpart sofort in die Defensive. Das aber ist kein spezielles Problem der Partei Die Linke, sondern betrifft das linkskulturelle Milieu in Gänze.

Zurück zur Frage:

braucht man diese Linke noch?

Das kommt darauf an! Wenn sie aushalten möchte und kann, dass es in ihr nicht nur Pragmatiker gibt, die im Prinzip nichts anderes als Rotgrün mit der Verstärkung durch Die Linke möchten, dann könnte die Linke ggf. hinreichend attraktiv bleiben, um als eigenständige Kraft weiterexistieren zu können. Allerdings ist sie dabei nicht völlig autonom, sondern im Gegenteil stark von den eigenen Wählern abhängig. Die Spreizung von Aktivist*innen aller möglichen Subkulturen bis hin zu gewerkschaftlich Aktiven, von Systemopposition um jeden Preis bis zur Einschätzung prinzipieller (Bundes)regierungsfähigkeit ist gewaltig und wird Wähler ab- und aufspringen lassen. Vor allem wird es für die Linke darauf ankommen, ob sie drängende soziale Fragen nicht nur aufruft, sondern auch so zu fokussieren vermag, dass sie damit die Widersprüche ins Regierungslager hineinträgt und so echten Druck aufzubauen vermag.

Vor allem wird es darauf ankommen, dass die Linke aufhört, so zu tun, als sei Geld eine Ressource, die unbegrenzt verfügbar wäre, sollte man nur guten Willens sein, auf sie Zugriff zu nehmen. Damit hintertreibt sie die Ansätze klassisch linker Sozialpolitik, die auch wegen des Wissens um die Begrenzung von Ressourcen stets auf eine bessere, gerechtere Verteilung gedrängt hat. Damit verböten sich aber Forderungen nach kostenfreien Leistungen für alle Bürger, völlig unabhängig von der Bedürftigkeit, da diese stets einen hohen Anteil Ressourcen in Anspruch nimmt, ohne dass sich das über Bedürftigkeit rechtfertigen ließe. Faktisch ist das nichts anderes als falsche und richtige Umverteilung in einer Tüte. Vorteil, wer selbst profitiert, protestiert weniger gegen den „ausufernden Sozialstaat“. Nachteil, die Angelegenheit wird mindestens doppelt so teuer[6].

Ferner muss die Linke die Substanz von Politik angreifen, die zur Verarmung derjenigen beiträgt, die sich sowieso schon schwer tun, ihr Leben menschenwürdig finanzieren zu können. Die Idee, dass der Staat das alles auszugleichen hat, ist nämlich nicht durch die Erfahrung gedeckt, dass das auch passieren wird. Hier darf es kein Vertun geben, dass die Linke ohne wenn und aber auf der Seite derjenigen steht, die ggf. als Kollateralschaden dieses Krieges einkalkuliert werden. Diejenigen nämlich, die zwar die Mehrheit der Bevölkerung repräsentieren, aber im parlamentarischen Betrieb als Repräsentanten krass unterrepräsentiert sind. Es darf nicht strittig sein, dass die diejenigen, die Parteien mit politischem Mandat ausstatten, die personelle Basis sind und deren Interessen anderen im Zweifel vorgehen, ohne dabei die Notwendigkeit globaler Reflexionen der eigenen Politik zu negieren. Das hat mit Nationalismus gar nichts, aber viel mit der momentanen Verfasstheit der Welt zu tun, in der sich auch die Durchsetzung von Völkerrecht ausschließlich an die Fähigkeit von Nationalstaaten bindet, dieses ggf. durchzusetzen.

Die Linke sollte sich gegen politische Konzepte wenden, die auf der Idee des Theaterdonners beruhen und die sich von idealistischen Motiven leiten lassen und deswegen das Motiv höher als die tatsächlichen Effekte bewerten.

Sie sollte insbesondere darauf hinweisen, dass ihr in der Vergangenheit häufiger und teilweise zu Recht vorgeworfen wurde, sich mit idealistischen Vorstellung aus dem Machbarkeitsbereich von Politik herauszubewegen und dass jetzt geradewegs das Umgekehrte passiert. Mit einem gravierenden Unterschied, der darin besteht, dass alle Zwischen- und Grautöne verschwunden sind und so getan wird, als wenn sich hier das absolut Gute und Rationale und das absolut Böse und Irrationale in einer Art Endschlacht gegenüberstehen. Dem Bösen dabei aber zugleich unterstellt wird, dass er seine mächtigste Waffe niemals einsetzen wird.

Zugleich hat die Linke dabei stets mitzudenken, dass ihr eine besondere Verantwortung für vulnerable Gruppen in der Gesellschaft zukommt. Während Parteien wie die FDP keinerlei Erwartungen ausgeprägter Empathie für diesen Kreis erzeugt, ist das -selbst bei ausgeprägter Ferne zur Linken – eine aus- oder unausgesprochene Erwartung. Die wesentliche Kompetenzzuschreibung besteht in der Erwartung an die Linke, dass wenn es ganz schlimm kommt, diese alles tun wird, um denen, die relativ wehrlos sind, beizustehen. Schafft sie hier Klarheit, dann hat sie auch gute Chancen, zur AfD abgewanderte Wähler zurückzugewinnen. Man darf weder die soziale Frage, noch die davon am meisten betroffenen Menschen, Rechten freiwillig überlassen. Verachtung gegenüber diesen Menschen ist höchst unangebracht, wiewohl sie einen essentiellen Anteil an der Wirkungsmacht rechter Parteien haben. Umgekehrt ist das erst recht der Grund hier anzusetzen, weil nur so die Schwächung der AfD zum eigenem Vorteil dauerhaft möglich ist.

Fraglich ist hingegen, ob die Betonung des Antikapitalistischen in der momentanen Situation einer fast vollständig auf Marktwirtschaft beruhenden Ökonomie, mit entsprechenden Verwerfungen aufgrund der Konzentration von Kapital und mehr als diffusen Vorstellungen von einer sozialistischen Leistungsgesellschaft[7] und wenig ausgeprägten Engagement eine solche Gesellschaft zu errichten, besonders klug ist? Die Ablehnung des Kapitalismus machte doch nur Sinn, wenn konkrete Vorstellungen da wären, wie die ökonomischen Verkehrsformen stattdessen beschaffen sein sollten. Davon unabhängig gilt natürlich das, was Mephisto Faust, nachdem er hinter dem Ofen in der Studierstube hervortrat, offenbarte: „Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht“[8]. So gesehen ist nicht davon auszugehen, dass der Kapitalismus das Endprodukt einer abgeschlossenen Entwicklung gesellschaftlicher Systeme darstellt. Die Proklamation des Sozialismus ist vorläufig aber nicht nur hohl, sondern lädt auch zum Missverständnis ein, dass man einem autoritärem System anhängt, das den Menschen die Bedürfnisse diktiert und sie mit Verweis auf später paradiesische Zustände in ihrer freien Entfaltung beschränkt und unterdrückt.

Die Aufgabe bestände somit eher in der Entwicklung von politischen Vorstellungen, die die Innovationskraft von Geist und Gier mit sozialer Absicherung und ökologischer Transformationserzwingung verbindet. Im Kern also einer Bestimmung, wie Staatsmacht noch die Funktion des ideellen Gesamtkapitalisten[9] wahrnehmen kann, wenn es privatwirtschaftlichen, globalen Akteuren gegenübersteht, die Firmenwerte von >2 Billionen repräsentieren, wie Apple, Aramco und Microsoft und damit jeweils 10 Prozent vom jährlichen Bruttosozialprodukt (BSP) der USA oder >50 Prozent des BSP von Deutschland.

Bevor aber diese Aufgaben überhaupt sinnvoll angegangen werden können, bedarf es der Erneuerung eines tragfähigen Minimalkonsenses dieser Partei. Ohne dies, oder des Abgangs von nicht zu integrierenden Antagonisten, wird es nicht funktionieren. Als sicher kann gelten, dass sich die Linke dabei wird nicht leisten können, dass sie weiterhin zulässt, dass die beliebteste Linken Politikerin Sahra Wagenknecht, die gerade vom nicht schlechten siebten Platz des Ranking auf die Vier vorgerückt ist, in Permanenz aus den eigenen Reihen gemoppt wird. Da empfiehlt es sich, dass die Linken noch einmal bei den Grünen nachschauen, wie diese mit Joschka Fischer umgegangen sind, bevor sie auf seinen Kurs einschwenkten. Fischer war da zwar tendenziell nicht mehrheitsfähig, aber die Partei ließ ihm aus parteiegoistischen Gründen stets die Beinfreiheit, die er brauchte. Klar wurde er kritisiert, aber eben nicht gemobbt und vor allem gab es keine lustvoll zelebrierte Entsolidarisierung mit ihm.

Sollte die Linke das nicht hinbekommen und sich auf ein kaum von Rotgrün zu unterscheidenden Profil verständigen, so brächte ihr das zwar große Sympathien in den Redaktionsstuben, Grünen und SPD ein, aber wohl kaum den Wählerzuspruch, den es braucht, um als Parlamentspartei dauerhaft zu existieren zu können. Spekulationen, dass insbesondere Die Grünen Teile ihrer eher radikaleren Wähler an die Linke verlieren könnten, sind als kurzfristiger Effekt nicht ausgeschlossen. Darauf spekulieren sollte man aber lieber nicht, denn Parteien wie die Linke leben vom klarem Profil bzw. gehen ins Siechtum über, wenn die Konturen verwischen und sich ihnen kein Überleben als Funktionspartei[10] bietet.

* * * * *

Fußnoten und Anmerkungen:

[1]Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist“ Rosa Luxemburg, Berlin (1899) „Sozialreform oder Revolution?“ Vorwort).„Diese Wand wird durch die Entwicklung der Sozialreformen wie der Demokratie nicht durchlöchert, sondern umgekehrt fester starre gemacht. Wodurch sie also niedergerissen werden kann, ist einzig der Hammerschlag der Revolution, d. h. die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat“(ebenda, Zollpolitik und Militarismus).

[2] Hierzu trägt sicherlich auch die Verwirrung im Zusammenhang mit dem Ausbeutungsbegriff bei. Grundrentenprofite werden nicht als relativ mühelose Einkommensgenerierung begriffen, sondern abgeleitet aus dem technischen Begriff der Ausbeutung von Bodenschätzen, als Ausbeutung von Ländern des globalen Südens betrachtet.

[3] Vergl. Niklas Luhmann (1989),Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 1ff.

[4]Im November 2020 veröffentlichte die Zeitschrift „Journalist“ eine Analyse soziodemographischer Merkmale von Volontärinnen und Volontären der ARD. Mehr als die Hälfte der zu diesem Zeitpunkt aktiven ARD-Volontäre hatten an einer Umfrage teilgenommen, die unter anderem Geschlecht oder Migrationshintergrund des Journalismus-Nachwuchses erhob. Ein Element der Analyse jedoch sorgte für erheblichen öffentlichen Trubel: die Frage nach der Parteienpräferenz. Gemäß Umfrage würden fast 57,1 Prozent der ARD-Volontärinnen und -Volontäre die Grünen wählen, weitere 23,4 Prozent die Linke. Union und FDP gemeinsam kämen dagegen nur auf 3,9 Prozent der Stimmen“ (Focus-online, 06.05.2021, Baerbock und die Öffentlich-Rechtlichen: Wie nah sind ARD und ZDF den Grünen wirklich?).

[5] Vergl. u.a. Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus (HKWM) 5, 2001, Spalte 1040ff. U.a. a.: Mao Tse-Tung: „Über den Widerspruch“ in: Ausgewählte Werke. Band 1

[6] Die ganze Absurdität solch einer allgemein als gut wahrgenommenen Politik ist das kostenfreie Studium im Vergleich zur kostenpflichtigen Meisterausbildung, die mit Prüfungs- und Lehrgangsgebühren um die 10.000 EUR kostet. Während die betriebliche Ausbildung in Deutschland die Norm ist. 46,6 Prozent machen eine „Lehre“. Dagegen 18,5 Prozent einen akademischen Abschluss, wird das Studium an den öffentlichen Hochschulen kostenfrei angeboten, während die Kosten betrieblicher Ausbildung an die Betriebe delegiert sind. Dort wird allerdings der schulische Ausbildungsteil kostenmäßig übernommen. Richtiger wäre es sicherlich aus linker Perspektive darauf zu drängen das die Kosten der akademischen Ausbildung von den Partizipateuren zu tragen sind. Entweder sofort oder mit späterer Verrechnung, wenn entsprechend der Höhe des Einkommens die Möglichkeiten der Rückzahlung gegeben wären. Statt Studienkosten zu finanzieren, sollte man sich lieber darauf konzentrieren, jungen Menschen aus Haushalten mit geringem bis mittlerem Einkommen auskömmliche Stipendien zu gewähren, damit diese frei von materiellen Sorgen studieren können. Auch da kann man die ggf. Rückzahlung an dem späteren ökonomischen Erfolg knüpfen.

Der Grundsatz, wer sich nicht selbst helfen kann, dem wird geholfen, sollte die Idee sein, die linke Sozialpolitik prägt. Ideen wie Neun-Euro-Ticket und Bedingungsloses Grundeinkommen, sind so gesehen keine linke Politik. Allerdings lassen sie sich links ausgestalten. Neun-Euro-Ticket für alle, die weniger als 12 EUR x Monatsarbeitszeit (2.064 EUR/Monat) verdienen, bekommen das Ticket für neun EUR.

[7] Vergl. Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms in: MEW 19

[8] Johann Wolfgang von Goethe, Faust: Eine Tragödie

[9] Friedrich Engels: "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft", in MEW 19, 222: „Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist“.

[10] Mehrheitsbeschafferin zwecks Regierungsbildung

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