Ein KZ als passender Gedenkort für Opfer und Täter?

Vergangenheitsbewältigung? Die Bergische Universität Wuppertal ist gerade dabei, sich ein veritables Problem im Umgang mit einem ehem. KZ an den Hals zu organisieren. Sie versucht Differenzierung da wo es um Eindeutigkeit ginge.

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Dr. Ulrike Schrader, eine deutsche Literaturwissenschaftlerin und Leiterin der Begegnungsstätte „Alte Synagoge“ in Wuppertal, ist vor gut einer Woche auffällig mit Äußerungen im Rahmen einer Veröffentlichung in der Westdeutschen Zeitung (Barmen) vom 16.6.2023 geworden. Hier erschien ein Bericht über ein studentisches Projekt zum ehemaligen KZ im Wuppertaler Stadtteil Kemna unter Leitung von Frau Dr. Ulrike Schrader über die geplante Einrichtung einer Gedenkstätte am Ort des frühen Konzentrationslager, das die örtliche SA benutzte, um politische Gegner zwischen Juli 1933 bis zum Januar 1934 auf das erbärmlichste zu drangsalieren, zu mißhandeln und zu töten

Im Bericht wird ein Student zitiert: "Die Schwierigkeit war für uns, einen passenden Ort für Opfer und Täter zu finden“ und schon fangen Hunderte von Fragezeichen an zu leuchten und zu blinken und steigern sich zu einem grellen Leuchten: „Die Einteilung in Opfer und Täter versuchen sie jedoch zu vermeiden. denn die Grenzen seien schwammig. `Natürlich hat niemand dieses Leid verdient´, sagt Studentin Daniela Thiele. Doch wurden auch Täter zu Opfern und umgekehrt. `Rund 80 Prozent der Häftlinge waren Kommunisten und damit auch Gegner der Weimarer Republik, also der Demokratie´, führte Ulrike Schrader aus. Eine weiße Weste habe deshalb keiner, man wolle niemand zum Helden machen oder eine Vorbildfunktion geben, die er nicht hat.“ Mit einem Mal sind alle Blinklichter verschwunden. Stille breitet sich aus und man fragt sich, ob man richtig gelesen habe? Aber es steht da so und das hat dann auch der Universität, bei der Ulrike Schrader einen Lehrauftrag hat keine Ruhe gelassen. In einer Presseerklärung vom 21. Juni 2023 verbreitet sie u.a. das Folgende:


Frau Dr. Ulrike Schrader erläutert: „Jeder Häftling, der in Kemna einsaß, war zu Unrecht dort. Im Zentrum der Idee dieses Gedenkortes stehen die Tat, die Grausamkeit, Folter und Misshandlung – und das völlig unabhängig von etwaigen Zugehörigkeiten. Mit dem vorliegenden Artikel konnten wir auf unsere Projektarbeit aufmerksam machen; jedoch handelt es sich um einen diesbezüglich seitens der Berichterstattung besonders unglücklich verkürzten und missverständlich verknüpften Wortlaut. Die Projektarbeit dieser universitären Übung basiert auf der Dissertation von Herrn David M. Mintert, die im Internet einsehbar ist.“

Das Rektorat der Bergischen Universität Wuppertal und die Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften distanzieren sich grundsätzlich und mit allem Nachdruck von jeglicher Art relativierender und geschichtsrevisionistischer Formulierungen im Hinblick auf die Verbrechen der Nationalsozialisten. Frau Prof. Dr. Juliane Brauer, Fachsprecherin der Fachgruppe Geschichte an der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät, erklärt dazu: „Es handelte sich um eine universitäre Veranstaltung, in der sich die Studierenden mit Akribie und Engagement dem Thema gewidmet haben. Die Be- und Verurteilung dieser Arbeit auf der Grundlage von fälschlichen Darstellungen eines Artikels ist entschieden zurückzuweisen. Die Mitarbeitenden des Faches Geschichte leisten kompetente Arbeit und pflegen ein wertschätzendes Miteinander mit den Studierenden.

Hätte die Universität doch lieber geschwiegen, man hätte dann vermuten dürfen, dass sie auf das Entschiedenste ablehnt, die Opfer des Nationalsozialismus in Hinblick auf ihr Leben zuvor moralisch zu vermessen. So aber kommt nur halbgares Zeugs heraus: „besonders unglücklich verkürzten und missverständlich verknüpften Wortlaut“. Was denn bitte? Was ist daran missverständlich: „Eine weiße Weste habe deshalb keiner, man wolle niemand zum Helden machen oder eine Vorbildfunktion geben, die er nicht hat“? Verkürzt ist es sicherlich, aber missverständlich ist daran rein gar nichts und der Verweis auf 387 Seiten Text ist eine Frechheit! Das vielleicht Böseste ist der Schluss: „Die Be- und Verurteilung dieser Arbeit auf der Grundlage von fälschlichen Darstellungen eines Artikels ist entschieden zurückzuweisen. Die Mitarbeitenden des Faches Geschichte leisten kompetente Arbeit und pflegen ein wertschätzendes Miteinander mit den Studierenden“. Wahrscheinlich sind sie auch gut zu Tieren und in der Mensa gibt es ja auch ein veganes Angebot.

Was Not getan hätte, wäre eine Erklärung der Frau Dr. Ulrike Schrader, dass sie sich von dem unerträglichen Quatsch, den die WZ ihr und den von ihr betreuten Studenten zugeschrieben hat distanziert und ihn künftig auch nicht wiederholen wird. Die Alternative wäre, ihn zu verteidigen und zu begründen. Letzteres ist aber sowenig intendiert, wie eine klare Haltung zu der Haltung die im WZ-Artikel deutlich wurde. Stattdessen verschanzt man sich hinter einer Dissertation, der von David M. Mintert aus dem Jahr 2007, die sich u.a. auf den Seiten 98ff. auch der militanten Strategie der KPD vor Ort widmet. Das gehört auch in eine Arbeit, die „Das frühe Konzentrationslager Kemna und das sozialistische Milieu im Bergischen Land“ betitelt ist, denn da geht es nicht um eine Gedenkstätte, die immer nur Erinnerungsort für die Opfer sein kann und niemals „einen passende(r) Ort für Opfer und Täter“. Dieser Ansatz ist per se absurd und zum Scheitern verurteilt, wird aber mit Verweis auf die angesprochene Dissertation weiterhin offensiv aufrechterhalten. Offenbar auch mit dem Segen der Fachsprecherin der Fachgruppe Geschichte an der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Bergischen Universität Wuppertal, Prof. Dr. Juliane Brauer und der ehemaligen CDU-Politikerin, Kultusministerin von Sachsen-Anhalt und heutigen Rektorin Prof. Dr. Birgitta Wolff.

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