Dieser Blog kommt aus der Vergangenheit:
Aber das Fragwürdige einer Rekonstruktion liegt auch in dem Gedanken, dass hier, am zentralen Ort der größten deutschen Stadt, ein Bauwerk entstünde, dessen neue Existenz sich aus keiner realen Aufgabe herleitete. Es würde um des Scheines willen entstehen, als permanente Illustration und als Point de vue des Lindenkorsos. Allenfalls übte es die pädagogische Funktion eines überdimensionalen Lehrmittels aus, das zeigt, wie es einst gewesen ist. Natürlich fände sich für 1200 Räume, sofern sie denn als Raumhülsen überhaupt wiedererstünden, letzten Endes immer irgendeine Verwendung, sei es, dass der Außenminister und die Seinen geruhten, darin Platz zu nehmen, sei es, dass der Direktor des Deutschen Historischen Museums in seinem expansiven Drang sich auch noch des Schlosses als herrschaftlicher Filiale bemächtigte. Auch im nachkaiserlichen Schloss hatten sich bis zu seiner Zerstörung die verschiedenartigsten Mieter und Institutionen eingenistet. Ein überzeugender Gebrauch wäre damit nicht gewährleistet. Die Advokaten der Rekonstruktion machen geltend, dass sich für historische Bauten immer das Problem der verträglichen Nutzung stelle. Das Groteske bestünde aber hier darin, dass man sich das Problem der angemessenen Zweckbestimmung mit einem Neubau (in historischer Fasson) überhaupt erst auflüde. Der Sinn des Bauens, für einen gegebenen Bedarf praktischer und ideeller Natur eine angemessene Form zu finden, würde ins Absurde verkehrt. Die Form ginge jedem Sinn voraus.
Wolfgang Pehnt
„Dagegen, aus Respekt“
aus dem Katalog zur Ausstellung „Das Schloss?“
des Fördervereins Berliner Stadtschloss
Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften
März 1993
Hier endet der 289. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
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Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
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Kommentare 13
Ich meine, dass das Schloss wieder aufgebaut werden soll. Aus einem städtebaulichen Grund: Blickt man Unter den Linden ostwärts, dann blickt man ins Leere. Die Arrondierung des Stadtensembles Unter den Linden, Universität, Lindenoper, Zeughaus, Museumsinsel usw. braucht einen festen Halt, kein durch Zerstörung übriggebliebenes Loch, das durch die wilhelminische Scheußlichkeit des Berliner Doms nur noch trübsinniger sich darstellt.
Die Polen haben es in Warschau mit ihrem Schloss genauso gesehen und es wieder aufgebaut und somit das Ensemble Altstadt und Novy Swiat wieder hergestellt. Und somit der ja viel stärker als Berlin zerstörten inneren Stadt so viel als möglich war an Geschlossenheit zurückgegeben. Dem "Triumph" der Zerstörung sollte nicht auf alle Zeiten das Feld überlassen bleiben.
Die Aufgabe, dem Schloss eine Funktion, ein lebhaftes Herz inmitten der Stadt, zu geben - warum sollte ich die für nicht lösbar halten? Die Menge an magazinierten sehenswerten Kulturgütern ist so groß, dass man sich da keine Sorgen machen sollte.
Und dass da mancher Museumsdirektor - wie Sie meinen - egoistische Träume über ein prächtiges Büro hegen sollte (falls das stimmt), so denke ich, seine Pensionierung wird sicher früher erfolgen als sein Einzug.
Man sollte Werner Hegemann fragen können. Er, der große Preußenkritiker, würde sagen: Seid ihr verrückt, ihr wollt da eine grüne Wiese belassen oder einen Glaskasten hinstellen?
In Stuttgart hat man das Schloss auch wieder aufgebaut, aber nicht das benachbarte Kronprinzenpalais, das steht heute eine übergroße Margarineschachtel aus Mattglas, eine Wunde im Stadtbild, nicht mehr.
Ja, wir wollen da eine Wiese!
Die trostlose Scheußlichkeit eines Schloss-Klons kann die wilhelminische Scheußlichkeit des Doms nur noch steigern.
Zwei Generationen haben an dieser Stelle zwei große Gebäude gesprengt/geschliffen, jetzt sollte an diesem Ort eine Schaffenspause eingelegt werden.
Es bleibt genug zu tun.
Warum soll dieser "politische Ort" verschwinden?
.... und vielen Dank für den Kronzeugen Hegemann:
"Hegemann debütierte 1924 unter dem Pseudonym Manfred Maria Ellis als politischer Schriftsteller. Er kritisierte die idealistische Tradition deutschen politischen Denkens, das die Vergangenheit zum Maßstab der Gegenwart machte."
de.wikipedia.org/wiki/Werner_Hegemann
Na ja, er war auch der Architekturmensch, der mit seinem Buch "Das steinerne Berlin" das wichtigste Buch über Stadt, Politik und Stadtästhetik geschrieben hat, der noch nicht übertroffene Klassiker unübertroffen in seiner Schärfe der Kritik an den Hohenzollern (auch als Bauherrn) UND in seiner Wertschätzung einer Stadtform, die ihm trotz der Widrigkeiten der Politik als groß erschien. Angenommen die Deutschen hätten Paris zerstört (die Pläne dafür gab es ja) meinen Sie der Louvre wäre nicht wieder aufgebaut worden? Auch dieser ein Klon (der italienischen Architektur) und Stadtschloss der Bourbonen, die man einst vertrieb. Ein nicht mehr vorhandenes Gebäude als politische Botschaft? Im Ergebnis nichts anderes als eine Amputation einer Stadtgestalt, die Hegemann als beeindruckend gewürdigt hat.
Liebe oder lieber Zeitleser,
mit der Absetzung des Kaisers hat sich die politische Kraft, die das alte Schloss über viele hundert Jahre formte, aus der Geschichte verabschiedet, zwischen den Kriegen wurden die Räume an verschiedenste Nutzer vermietet, der Bau war aber bereits dem ruinösen Verfall ausgeliefert.... die Sprengung nach dem Krieg mag ideologisch begründet worden sein, war aber auch pragmatisch (wie es sich beim Abriss des Palasts der Republik ja wiederholte!)
Zu Louvre-Vergleich ist anzumerken, dass das Schloss nicht durch einen Feind zerstört wurde, sondern durch die rechtmäßigen Erben, die auch das Recht haben (müssen!), ein Erbe auszuschlagen.... (übrigens möchte ich auch meine eigenen Kinder vor einem neuen Millionengrab an dieser Stelle bewahren)
Was mich gewiss am meisten empört, ist die Unverfrorenheit, mit der man ein teures, überflüssiges, neu zu errichtendes Gebäude der Öffentlichkeit als historische Überlieferung andrehen möchte - das hätte sich Orwell nicht besser ausdenken können!
Es brauchte viele hundert Jahre Arbeit, um das Ensemble in all seiner historischen Einzigartigkeit zu schaffen (auch an der viel kleineren Sagrada Familia in Barcelona bauen mehrere Generationen), niemand kann ernsthaft behaupten, dass etwas gleichwertiges in sechs bis acht Jahren entstehen kann.
Also wird ein modernes Gebäude mit historisierenden Versatzstücken in den Fassaden hochgezogen, zu besichtigen ist so etwas gerade in Potsdam, dort aber durch eine angemessene Nutzung besser legitimiert.
Allerdings scheinen scheinen wir aufgrund der heutigen technischen Anforderungen und Entwicklungen nicht in der Lage zu sein, ein Gebäude zu bauen, das eine Nutzungsdauer von hundert Jahren erreicht (siehe ICC und andere Großbauten)..... auch wenn genau das die (irrationale) Hoffnung ist, die den sogenannten "Wiederaufbau" so verführerisch erscheinen lässt.
Auch von Politikern erwarte ich Lösungen für morgen, nicht Rezepturen von gestern....
Frohe Grüße
archie
@Archie,
Ich sagte ja schon einmal, dass ich mit Vergnügen deine Blogs genieße auch wenn ich mich mit Kommentaren zurückhalte.
Aber läßt sich dieses Schloß eigentlich noch verhindern?
Wenn ja, bin ich gerne dabei.
Hallo Georg,
die Umsetzung eines Bundestagsbeschlusses lässt sich dadurch verhindern, dass der Bundestag einen neuen Beschluss fasst....
entweder aufgrund einer Petition, eines Volksbegehrens o.ä.,
oder wenn eine der gewählten Parteien erkennt, dass der Plan unsinnig ist und entsprechend handelt (bisher war das Schloss kein Wahlkamfthema, das ändert sich hoffentlich noch vor der 2013 geplanten Grundsteinlegung).
Würde der Schlossplan in der Liquid Democracy überleben? Die Bankenkrise hat das Schloss bisher scheinbar nicht in Frage gestellt. Der Plan taugt vielleicht besonders gut für unsichere Zeiten und unsichere Zeitgenossen....
Da ich Deine berechtigte Frage schnell beantworten will, logge ich mich jetzt (ausnahmsweise) einmal tagsüber ein - Freue mich über Dein Interesse!
archie
Ortho-Korrektur:
Wahlkampfthema
@Zeitleser
Es geht doch gar nicht um das Füllen eines Loches und auch nicht um das Wiederherstellen eines Gebäudes, dass aufgrund äußerer kriegerischer Einwirkung verschwand (insofern der Vgl. zu Warschau hinkt).
Ein Loch müsste da nicht sein, wäre nicht der Palast der Republik abgerissen worden. Dessen Abriß, mit den Plänen für das Schloß in der Hinterhand, war ideologischer Natur - eigentlich kein Unterschied zum damaligen Schloßabriss.
Hier verstehe ich übrigens auch den archinaut nicht, dass er von "pragmatisch" spricht!? Pragmatisch wäre doch eher gewesen, "Honnis Lampenladen" stehen zu lassen. Wäre im übrigen auch ein Klasse Touristenmagnet gewesen; für Übersee-Touris, die noch ein bisschen Ostcharme schnuppern wollen. Was ist dagegen ein falsches Schloss? Aber auch für die dem Schlossaufbau nun untergeschobenen "Gründe", hätte sich vielleicht der DDR-Palast geeignet.
Städtebauliche und architektonische Gründe für den Schloßaufbau, ohnhin ein nur halbgarer, sind also nur vorgeschobene.
Und: Die jetzige Grünfläche, so, wie sie mit dem terrassenförmigen hölzernen Rundweg gestaltet ist, ist doch eigentlich eine schöne Anlage! Noch ein paar Bäumchen dazwischen u. vielleicht ein bisschen Struktur rundherum - könnte ein Magnet im Sommer werden. Wie eine Spanische Treppe in Rom ...
Na, Sie tun der spanischen Treppe aber unrecht. Warum der Vergleich mit dem Warschauer Schloss hinkt, ist mir nicht klar, da war auch nichts mehr übrig als die Wehrmacht es gesprengt hatte, wie so fast alles in Warschau. Als studierter Stadtplaner behalte ich mir das Recht sogar die Pflicht aus stadtgestalterischer Sicht zu argumentieren vor. Um die Touristenmassen zu befriedigen sollte man - wenn es denn mit dem Rasen so bleibt - eine Schaschlikbude und eine Bedürfnisanstalt errichten: dann läuft das ja. Und die Kulturwerte bleiben in den Magazinen versteckt.
Lieber archie,
"Die Form ginge jedem Sinn voraus." , hat mich besonders beeindruckt, aber natürlich stehen auch diese Worte in Verbindung mit dem gesamten von Dir aufgeführten Zitat von Wolfgang Pehnt, dass total lesenswert und aus meiner Sicht auch vollkommen richtig ist.
Herzliche Grüßé
por
Lieber miauxx,
"pragmatisch" war der Abriss in beiden Fällen, weil eine Sanierung des ruinösen Schlosses wie auch des asbestgereinigten Palastreliktes zwar technisch möglich gewesen wäre, der Aufwand aber in beiden Fällen den wirtschaftlichen Nutzen weit überstiegen hätte - das Los der meisten Denkmäler.
Der Abriss des DDR-Palastes war eine bau- und kulturhistorische Sünde, ebenso wie die Sprengung des Preussen-Schlosses, auch wenn ich zugeben muss, dass die städtebauliche Einfügung des PdR nicht besonders geglückt war..... aber als Begründung zur Beseitigung ist die städtebauliche Kritik nicht ausreichend, und auch die Asbestproblematik hätte man ohne Abriss lösen können, wenn man nur gewollt hätte.
Aber der PdR ist "gegangen worden"
und kommt nicht wieder....
Lieber por,
ein Denkmal muss keinen Nutzen haben,
aber 1200 nutzlose Räume sind noch kein Denkmal...
Wolfgang Pehnt war ein kluger Mensch.
Herzlichst
archie