Brennender Mond

Lappland So farblos wie in Deutschland mit Bundestagswahl und Münchner Wies'n geht es in Lappland nicht zu.

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Nordlichter, Aurora borealis, das farbenfrohe Festspiel am nordischen Himmel blieb mir leider bis jetzt verwehrt. Wolken glitten über das Firmament oder ich glitt in wohligen Schlaf. In beiden Fällen hat man keine Chance das Spektakel zu beobachten, wenn der Sonnenwind auf die Erdatmosphäre trifft. Anders als man meinen könnte, geizt dazu die Natur mit diesem Schauspiel und nicht jede Nacht kann man damit rechnen. Jedoch heißt das nicht, dass die Nacht hier so farblos seien muss, wie in den gemäßigten Breitengraden. Brennender Mond, so nenne ich es, wenn der Mond die Sonne reflektiert, obwohl sie für einen selber nicht mehr sichtbar ist und der Mond in ein feuerrotes-goldgelbes Inferno getaucht ist und man meinen könnte Luzifer und alle Päpste zusammen, würden eine teuflisch ekstatische Party auf dem Mond feiern und Wolfgang Petry schmettert „Hölle, Hölle, Hölle!“ in Dauerschleife durch die Nacht. So oder so, schaut man sich das Farbenspiel lieber aus der Ferne an.

Aber auch in der Nähe, sogar in Bodennähe findet man in Lappland weitere Farbspektakel. Man muss nur in einen der zahlreich vorhandenen Wälder gehen und schon kotzt die Natur einem ein Farbenmeer vor die Füße, als hätte sie versucht sich mit Smarties zu überfressen und schlussendlich doch versagt. Zwischen dem Meer an grünem Nadelgehölz flackern kleine Miniaturmonde hervor. Einzelne kleine Laubbäume, die wohl das ganze Jahr von ihren großen Brüdern, den Nadelbäumen nie so wirklich ernst genommen werden, versuchen im kurzen Herbst, alle ertragende Schmähungen auf einen Schlag weg zu machen und färben ihre Blätter in „Lappisch Mond“, in das feurigste Rot und in das goldenste Gelb, dass selbst die Medici und die Fugger trotz all ihrem geraubten Goldes aus Lateinamerika, neidisch geworden wären. Wären sie lieber mal nach Lappland gereist, anstatt zum Papst und irgendwelchen Monarchen.

Blickt man dann geblendet auf dem Boden, entsinnt man sich, dass die Schokokügelchen namens Smarties noch mehr Farben in Petto haben als Rot und Gelb. Moose, Steine, Fahne, Gräser und und und verwandeln den unaufgeräumten finnischen Waldboden (anders als der korrekt aufgeforstete deutsche Waldboden) ein expressionistisches Feuerwerk an Farben und Formen. Um bei der Kotzen Allegorie zu bleiben, sieht ein finnischer Waldboden wie der Boden eines Münchner Bierzeltes auf der „Wies'n“ gegen 23 Uhr aus. Nur bunter, riecht besser und man ekelt sich nicht, wenn man aus Versehen in ein Farbbröckchen tritt.

Okay, ich muss zugeben, der Vergleich hinkt wirklich. Ich habe zumindest noch nicht Frauen in quitschbunten Dirndl auf dem Waldboden liegen gesehen. Auch habe ich keine Australier und Neuseeländer schon mit einer Alkoholvergiftung intus in den Wald rennen gesehen oder Italiener, die glauben, man bestellt sich mit der Maß gleich ein Dirndl samt Inhalt mit.

Zwar fern von Dirndl und Maßkrug ist man aber Dank Social Networks und Skype nicht ahnungslos über die alltäglichen Mühen und Klagen in der alten Heimat. Zum Glück oder zum Pech, wie man es sehen möchte. So bekommt man unmittelbar mit, dass in den heutigen Krisenzeiten in Deutschland gewählt wurde. Aber warum man dann gleich schwarz sehen muss, bleibt einem im Angesicht der verschiedenen Rottönen und dem Grün in der lappischen Landschaft ein Rätsel. Das Gelb möchte ich in Lapplands weiten Wäldern nicht missen, so reicht es wohl mehr als aus, dass es hier noch Gelbes gibt.

Aber nicht nur unverständliches offenbart sich. Auch das wohl größte Klischee über Lappland klatscht einem ins Gesicht, wenn die Tasten zur zwischenmenschlichen Kommunikation bemüht werden. Die beliebtesten Fragen sind „Frierst du schon?“ oder „Kommst du klar ohne Sonne?“. Ich interpretiere das natürlich wohlwollend und gerührt von so viel Sorge um mein Wohlbefinden verneine ich es gleichmütig und unerschütterlich. Jedoch möchte ich mit diesem Klischee doch aufräumen, dass in manch sonst nicht dummen Köpfen herum spuckt. In Lappland liegt nicht ganzjährig Schnee, ist nicht immer minus 30 Grad kalt und nie geht die Sonne auf. Der Schnee kommt nicht viel früher als in Deutschland. Noch haben wir angenehme, weil ziemlich trockene 5 bis 10 Grad und morgens geht die Sonne auf und abends unter. So wahr, wie dass der Mond brennt!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Arctic Matters

Das Reisetagebuch von Christoph Hentschel, eines Doktoranden im hohen Norden Finnlands.

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