Klatschen im Flugzeug?

Auf dem Weg Lokal, global, scheißegal? Oder darf man bald wieder im Flugzeug klatschen und der Weihnachtsmann nach Hause?

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Mir ist heute etwas aufgefallen beim Flug nach Helsinki. Die Globalisierung macht sinnlose Traditionen kaputt. Nämlich konkret die des nach der Landung Klatschens. Völlig sinnlos, weil der Pilot wird ja bezahlt dafür, dass er einen von A nach B unversehrt transportiert. Dafür wurde er ausgebildet, hat starten und landen geübt und weiß, was man bei einem Luftloch zu tun hat. Von daher ist eine geglückte Landung nach einem ereignislosen Flug nichts besonderes und verdient eigentlich keinem besonderen Lob. Eigentlich.

Als ich jünger war, flog der Otto Normal Bürger im Großen und Ganzen nicht öfters als heute. Früher waren die Flüge teurer, heute hat der Otto Normal Bürger weniger Geld zur Verfügung. 20 Jahre Reallohnverlust machen es möglich. Jedoch musste man in damaligen Zeiten nicht so abgeklärt tun. Wer heute noch klatscht, der zeigt allen anderen, dass er noch nicht in der globalisierten Welt angekommen ist. Er denkt noch nicht global und handelt lokal. Sprich, er bezieht sein Gemüse noch nicht von einem genossenschaftlich organisiertem Urban Gardening Projekt zwischen der Schnellstraße und der Sickergrube vom alten Chemiewerk. Er geht noch in den Supermarkt und kauft dort sein Gemüse – mit Biosiegel natürlich, aber was heißt das schon? Jeder weiß doch, dass die Siegel von den Supermärkten nichts wert sind. Fairtrade von Aldi heißt soviel, dass die ausgebeuteten ArbeiterInnen in, na wie hieß des? Ich hab's extra noch bei Wikipedia nachgeschaut, voll den schlechten Gini Index haben die, furchtbar. Ja die Arbeiter da halt, wenn da bei Aldi Fairtrade draufsteht, dann heißt das ja nur, dass man ihnen beigebracht hat, die Aufschrift „G I F T I G“ auf den Düngesäcken zu lesen. Was das dann bedeutet, sagt man ihnen natürlich nicht, typisch Aldi halt. Und die, die dann so was auch noch kaufen, die klatschen auch im Flugzeug nach der Landung. Und wer mit der Zeit gegangen ist, ein Local im Global so zu sagen, der fliegt auch mal dort hin und schaut sich an wie sein Kohlrabi oder seine Süßkartoffel so wächst oder wie glücklich seine Wolle von noch viel glücklicheren Freilandschafen durch die Gegend getragen wird. Von den Schäfern mit ihrem Dauergrinsen im Gesicht ganz zu schweigen. Mit 3 Euro am Tag sind sie nämlich weit über die landesübliche Armutsgrenze hinweg.

Ich persönlich habe nichts gegen Urban Gardening, Fairtrade und Genossenschaften. Obwohl! Fairtrade ist unter den gegenwärtigen Bedingungen, Marx und andere Spaßvögel nannten und nennen es konkreter „kapitalistische Produktionsbedingungen“, nicht möglich. Mit dieser Feststellung kann man aber meistens nur einen „Ich studiere soziale Arbeit und mir ist die Umwelt wichtig“-Menschen und sein öko-soziales Gewissen an den Rand des Wahnsinns treiben. Und so was ist nicht nett. Von daher sei – voll klugscheißerisch – auf die Schriften von Adam Smith, David Ricardo, Karl Marx und viele andere kluge Menschen verwiesen, von denen die meisten eine mehr oder weniger Ähnlichkeit mit dem Weihnachtsmann besitzen.

Und ich bin ja auf dem Weg zum Weihnachtsmann bzw. nach Rovaniemi. Man hat in den 80iger Jahren ein buntes Weihnachtsmannsdorf in Rovaniemi hingestellt. Der Berg, wo der Weihnachtsmann aus den Überlieferungen, sprich einer Kinderradiosendung aus dem 1920iger Jahren - ganz alte Tradition und so - herkommt, liegt an der finnisch-russischen Grenze. Dort, wo niemand hinkommt und wenn dann schon mal einer, dann braucht er eine Sondergenehmigung der finnischen Grenzbehörde, um auf den Weihnachtsmannberg, alias Korvatunturi, raufzusteigen. Kurzum schlechtes Geschäft... Sodann wurde der Weihnachtsmann nach Rovaniemi zwangsumgesiedelt – gutes Geschäft. Da ich Urban Gardening und Genossenschaften mag und Fairtrade gut finde, wenn es echter Fairtrade wäre, werde ich auch zum gefakten Weihnachtsmannsdorf in Rovaniemi schauen. Obwohl ich nicht bei der Landung in Helsinki geklatscht habe, aber mich zumindest ein bisschen schlecht gefühlt habe. Eine völlig sinnlose Tradition, aber irgendwie schön, weil sie wohl mit meiner Kindheit irgendwie verwoben ist und jetzt von der kaltschnäuzigen Gegenwart hinweggefegt wurde. Wer heute lebt, der fliegt so viel, der ist mit dem ganzen Fliegereizeug so abgeklärt, der weiß einfach, dass man nicht klatschen braucht. Er hat ja recht, aber wenn ich Pilot wäre, würde ich mich trotzdem freuen, wenn meine Passagiere für mich klatschen würden.

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Geschrieben von

Arctic Matters

Das Reisetagebuch von Christoph Hentschel, eines Doktoranden im hohen Norden Finnlands.

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