Fiskalpakt: Bürger können für mehr Demokratie klagen

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Die stramme Summe von 500 Milliarden Euro will herrschende Politik dem ESM (einen dauerhaften europäischen Rettungsschirm) zur Verfügung stellen. Vorgesehen für den Fall, dass Euro-Staaten anderwo keinen Kredit mehr bekommen. Deutschland soll 22 Milliarden direkt einzahlen und für 167 Milliarden Euro haften! Der Verein Mehr Demokratie e.V. meint: Was heißt hier Deutschland? Das sind doch wir! Wir sind das Volk. Obendrein steht die Entscheidung zum Fiskalvertrag an. Allein er enthält auch durch neu gewählte Regierungen nicht rückholbare Festlegungen und Verpflichtungen. Mehr Demokratie will deshalb, dass die Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden. Mehr Demokratie sagt: “Volksentscheid! … sonst klagen wir!”

Bereits als Mehr Demokratie eine Bürgerklage vor dem Verfassungsgericht für den Fall, dass bis Juni Bundestag und Bundesrat den dauerhaften Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt tatsächlich beschließen sollte, nur angekündigte, zog das eine stark frequentierte Pressekonferenz, reichlich Erwähnungen in Presse, Funk und Fernsehen und sogar eine Reaktion der Bundesregierung nach sich. Vielleicht lag das auch daran, dass die angekündigte Bürgerklage von der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und dem Leipziger Staatsrechtler Prof. Christoph Degenhart vertreten werden wird.

Mehr Demokratie macht deutlich: “Wir müssen und dürfen nicht hinnehmen, wenn Grundregeln der Demokratie aufgegeben werden.”

Auch, verlautete, sei die von der Bundesregierung forcierte Politik schon gar nicht “alternativlos”. Der Verein und seine zur Klage bereiten Mitstreiter – es sind inzwischen 5634 Bundesbürgerinnen und Bürger – meinen, dass “nicht rückholbare Entscheidungen, ausreichend legitimiert sein müssen”. Sie fordern, dass die Grundlagen der Demokratie nicht aufgeben werden und finden, “Milliardenbeträge” dürften nicht ohne Bundestagsbeschluss (Haushaltsrecht gilt als das “Königsrecht” des Parlamentes) ausgezahlt werden dürften.

Für bedenklich halten sie, dass “mit dem ESM-Vertrag ein Gouverneursrat legitimiert werden soll, der keiner juristischen Kontrolle unterliegt und lizenzfrei auf internationalen Finanzmärkten unbegrenzt Handel treiben darf”.

Der Verein macht sich dafür stark, “dass die Demokratie die Finanzkrise überlebt und nicht umgekehrt”. Man setzt sich für “ein Europa zum Wohle der Bürger, nicht zum Wohle der Banken” ein.

Klagevertreter Professor Degenhart bemängelt, dass besonders durch den Fiskalpakt “unsere Wählerstimmen entwertet” würden. Das bedeute: “Das Volk könnte zukünftig wählen, wen es will. Was die eine Regierunge eingebrockt hat, kann keine andere mehr auslöffeln.”

Gregor Gysi: Grundgesetzwidrig

Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Partei DIE LINKE im Bundestag, ist der selben Meinung: ESM und Fiskalpakt sind grundgesetzwidrig. Er hat das übrigens in einer sehr beeindruckenden Rede im Bundestag verständlich dargelegt. Auch DIE LINKE hat übrigens ein Klage vorm Bundesverfassungsgericht angekündigt, sollte der Fiskalpakt wirklich beschlossen werden.

Mehr Demokratie zufolge handelt es sich gehen ESM und Fiskalpakt zu weit. Und zwar über das Grundgesetz und auch über die EU-Verträge hinaus. “Über solcherlei Eingriffe in die Souveränität eines Staates kann nur das Volk entscheiden. Hier geht es ans Eingemachte.”

Nach Informationen des Vereins ist seit dem 16. April diesen Jahres das “Mehr-Demokratie-Mobil” samt Aktionsausrüstung unterwegs, um “die 13 Wahlkreise der maßgeblichen Mitglieder des Haushalts- und Europausschusses” zu bereisen.

SPD und Grüne sollen Zustimmung zu ESM- und Fiskalvertrag von Grundgesetzänderung abhängig machen

Der Verein Mehr Demokratie ” ruft SPD und Grüne dazu auf, ihre Zustimmung zu ESM- und Fiskalvertrag an eine Grundgesetzänderung zu koppeln. Der Artikel 23 des Grundgesetzes, der die Mitwirkung der Bundesrepublik an einem vereinten Europa regelt, sowie der Artikel 79, der die Änderung des Grundgesetzes regelt, sollten nach Ansicht der Initiative um verpflichtende Volksabstimmungen ergänzt werden.

Beide Abstimmungen erst im Juni?

Heute wurde Mehr Demokratie e.V. bekannt, dass “die Abstimmung über den Fiskalvertrag und den Vertrag für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM möglicherweise erst im Juni (zunächst war geplant, der Bundestag sollte am 23. Mai abstimmen) stattfinden” (soll). “Der Hintergrund für die wahrscheinliche Verschiebung ist, dass SPD und Grüne dem Fiskalvertrag nur zustimmen wollen, wenn Elemente der Wachstums-Förderung aufgenommen werden. Um ESM- und Fiskalvertrag zu beschließen, ist im Bundestag und im Bundesrat jeweils eine Zweidrittel-Mehrheit nötig. ‘Eine Grundgesetzänderung zu Gunsten von Volksabstimmungen könnte ebenfalls mit Zweidrittel-Mehrheit beschlossen werden’, erläutert Michael Efler, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. Dadurch wäre gesichert, dass nicht nur die Abgeordneten, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden, wenn Kompetenzen auf die EU-Ebene übertragen beziehungsweise EU-Verträge verändert oder vergleichbare Regelungen getroffen werden.’ Würde eine entsprechende Änderung beschlossen, müssten die Bürgerinnen und Bürger als erstes über Eurorettungsschirm und Fiskalvertrag abstimmen.

Mehr Demokratie hat gemeinsam mit Bündnispartnern die Kampagne „Europa braucht mehr Demokratie“ gestartet. Im Kern der Aktion steht eine von Bürgerinnen und Bürgern getragene Verfassungsbeschwerde, die auf Volksabstimmungen über ESM- und Fiskalvertrag zielt. „Beide Verträge führen so wie sie jetzt gestaltet sind zu einem Demokratieabbau“, erklärt Efler. ‘Mit den Verträgen würde der EU-Einfluss auf die Haushaltspolitik Deutschlands und der anderen Mitgliedsstaaten weiter erhöht werden. Dadurch würde die Kontrolle der demokratisch unzureichend legitimierten EU-Organe verschärft und das Wahlrecht zum Bundestag weiter entleert.’

Neben Volksabstimmungen über Kompetenzübertragungen an die EU fordert Mehr Demokratie die Einrichtung eines Konvents zur Zukunft Europas. „Die Zusammenarbeit in der EU darf nicht von schnell getroffenen und angeblich alternativlosen Entscheidungen abhängen, sondern muss breit, ergebnisoffen und mit genügend Zeit diskutiert werden.“

Bürger können noch risiko- und kostenlos mitklagen

Bislang galt: Stimmen am 25. Mai der Bundestag und am 15. Juni der Bundesrat für Rettungschirm und Fiskalpaket, dann werde man mit vielen Bürger am 16. Juni Verfassungsbeschwerde einreichen. Mitmachen kann übrigens jeder. Auch jetzt noch. Wie das geht, erfahren Sie hier. Die Teilnahme als Unterstützer der Klage ist übrigens risiko- und kostenlos. Nähere Information zu Mehr Demokratie e.V. und zur geplanten Bürgerklage finden Sie hier. Auf der Webseite rechts erläutert ein Video was ESM und Fiskalpakt bedeuten.

Unter diesem Video finden an der (Mit-)Klage interessierte Bürgerinnen und Bürger den Link, über welchen die Unterlagen für die Bürgerklage heruntergeladen werden können.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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