Kann die "Occupy-Bewegung" ein Blutvergießen vermeiden helfen?

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So halbwegs glimpflich wie die letzte Finanzkrise von 2008 dürfte die jetzige Euro-Krise nicht ausgehen. Schon deshalb nicht, weil der Diktatur des Finanzkapitalismus seitens herrschender Politik keine Ketten angelegt worden sind. Von einer nennenswerten Regulierung der Finanzmärkte kann keine Rede sein. Stattdessen sind neuerliche Probleme in Sachen Griechlandkrise nur durch abermalige Aufstockung des Rettungschirmes und der Installation des EFSF wenn überhaupt gerade einmal aufgeschoben - in keiner Weise aber einer Lösung zugeführt worden, die diesen Namen verdiente. Überdies ist kaum Zeit gewonnen, sondern im Grunde genommen eher verloren gegangen. Kakophonisches Geplapper führender europäischer Regierungschefs wurde von den einschlägigen privaten Ratingagenturen dankbar aufgenommen und entsprechend ausgenutzt. Deren Herunterstufungen von Banken oder Staaten nützte wieder eum Spekulanten, die abermals bestens daran verdienten.

Was sich einzig geändert hat: Hauptsächlich angestossen durch Occupy-Wall- Street-Bewegung formiert sich spätestens seit dem 15. Oktober weltweit - endlich auch hierzulande - Widerstand. Denn: immer mehr Menschen ahnen nicht nur - sie glauben auch ziemlich genau zu wissen - wer nach dem möglichen nächsten Zusammenbruch die Zechen zahlen wird. Dass dieser Crash - mag er uns nun früher oder später ereilen - so einfach nicht wird zu reparieren sein. Schon jetzt haben sich Menschen in den USA in Griechenland, aber auch andersow, von den Folgen der einstigen Krise erholt. Nun schlägt bereits die neue zu. In den USA verlieren Tausende nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Bleibe. An eine Altersicherung ist kaum noch zu denken.

Die Proteste in Griechenland - man mag die Ausschreitungen kleiner Gruppen verurteilen: nur wird halt niemand bestreiten, dass wo gehobelt wird auch Späne fallen - zeigen was Menschen auf die Straßen treibt: Die absolute Perspektivlosigkeit. EU, Europäische Zentralbank und der IWF verschärfen den Niedergang Griechenlands noch, indem sie von Athen eine äußerst rigide Austeritätspolitik fordern. Klar muss auch gespart werden, sagen auch kritische Ökonomen, doch wenn ein Land in die Rezession gespart wird, ist am Ende niemand geholfen. Es braucht mehrere sich gegenseitig flankierende Maßnahmen: Sparen, Entschuldung bzw. Schuldenschnitt (hair cut), sowie eine Art Marshall-Plan, der Griechenlands Wirtschaft, das Land wieder Luft zum Atmen brächte und zu einem Neustart verhülfe.

Nichts dergleichen - außer eben der verhängnisvollen Sparpolitik - geschieht jedoch.

Nun sind im ebenfalls ins Wanken geratene Portugal Einsparschnitte (Kürzungen bei Gehältern um die 20 Prozent!) auf den Weg gebracht. Schon werden auch dort Generalstreiks und Massenproteste geplant.

Was eigentlich - in Griechenland wie in Portugal - erwartet man sich seitens europäischer Politik auch anderes? Sollen die Menschen etwa alles geduldig hinnehmen und nachdem man sie auf die eine Wange geschlagen hat, auch noch bereitwillig die andere hinhalten?!

Es gut,dass die Occupy-Bewegung endlich Fahrt aufnimmt. Doch ist im Sinne von Stéphane Hessel, der in seiner Streitschrift "Empört euch!" niederschrieb: "Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen.", ein friedlicher Wandel, mehr Gerechtigkeit und einen Erhalt oder sogar ein Ausbau von Demokratie überhaupt noch möglich?

Oder hat der Historiker Eric Hobsbawm mit seinen sich auf persönliche Lebenserfahrungen stützenden Befürchtungen recht, dass der wieder einmal schwer kriselnde Kapitalismus, sich abermals über eine fürchterliche Katastrophe rettet? Dem "Stern" sagte der Mann vor einiger Zeit: Es wird Blut fließen, viel Blut."

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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