Zäher Kampf der Cinestar-Beschäftigten lohnte

Tarifabschluss Kinobetreiber Cinestar überweist jedes Jahr etwa 30 Millionen Euro an das australische Mutterhaus. Für die Mitarbeiter hatte man nur Hungerlöhne übrig.

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Beim Warnstreik der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes, ver.di, im März diesen Jahres in Dortmund vertraten zirka 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre berechtigten Forderungen auf der Straße. Schockiert zeigten sich die Menschen, als Kollegen, die bei der Cinestar-Kinokette tätig sind, von der Bühne herab berichteten, sie “verdienten” für ihre Arbeit lediglich zwischen 6,30 und 6,80 Euro die Stunde. Hungerlöhne in einem so reichen Land wie es Deutschland! Davon kann man eigentlich weder leben noch sterben. Manche Cinestar-Mitarbeiter musste sogar, um im Winter die Wohnung warm zu bekommen, sozusagen von der Arbeit gleich herüber ins Jobcenter gehen, um sich dort ihre Aufstockung abzuholen. Gewissermaßen eine Subvention vom Steuerzahler für den knauserigen, weil Hungerlöhne zahlenden, Arbeitgeber. Cinestar, Teil der Kinosparte des australischen Entertainment-Konzerns AHL indes wollte von Lohnverbesserungen nichts wissen. Was den Cinestar-Beschäftigen besonders auf den Magen schlug: Die deutschen Cinestar-Ableger überweisen alljährlich 30 Millionen Euro ans australische Mutterhaus! Auf dem Plakat, das die Cinestar-Leute in Dortmund zeigten, hatten sie im Wort Cinestar das i, das e und das a weggelassen. Zu Lesen stand: "CNSTR - Für Vokale haben wir kein Geld"

Hart auf hart - Die vielen hundert Streikenden erkämpften endlich einen Tarifvertrag

Die Cinestar-Kinokette betreibt in Deutschland Kinos an 61 verschiedenen Standorten. Für die Mitarbeiter der Cinestar-Häuser existierte bislang kein Tarifvertrag! Die Kinopaläste verfügen über 518 Leinwände und bieten ihren Besuchern ingesamt 116.479 Sitzplätze.

Die Cinestar-Beschäftigten führten einen kräftezehrenden, scheinbar aussichtslosen Kampf für einen Tarifvertrag. Cinestar blieb hart. Die Beschäftigten jedoch auch. Es waren jahrelange Auseinandersetzungen mit teilweise über 100 Streiktagen in einzelnen Cinestar-Kinos. Streikende wurde durch Aushilfen oder Arbeitswillige ersetzt, die von einem Kino zum anderen kutschiert werden mussten, um den Kinobetrieb aufrechterhalten zu können. Der Kampf hat sich offenbar gelohnt. Wie ver.di gestern mitteilte, konnte die Gewerkschaft noch kurz vor Weihnachten einen Tarifabschluss für alle 52 Betriebe der größten deutschen Kinokette durchgesetzen. Damit gilt ab 1. Januar 2013 zum ersten Mal überhaupt ein Tarifvertrag für die rund 3500 Cinestar-Beschäftigten. Bisher waren die Arbeitsbedingungen nur auf Basis der grundlegenden Arbeitsrechte reglementiert. In den kommenden drei Jahren werden die Löhne nun je nach bisheriger Entgelthöhe zwischen acht und 33 Prozent steigen. Ver.di: "Die Löhne bei Cinestar waren bislang sehr niedrig, sie lagen zumeist weit unter dem Niveau anderer Kinowettbewerber."

Für den Arbeitgeber waren die Streiks in vielen Cinestar-Kinos wohl letzten Endes so zermürbend, dass sie nun einlenkten. Hat man nun doch plötzlich Geld für Vokale bei Cinestar? Die Hoffnung greift nun um sich, dass die Zeit der vollkommen unbefriedigenden, teils willkürlich geregelten Arbeitsbedingungen für die Cinestar-Kolleginnen und Kollegen ein Ende hat. Erreicht haben das die vielen hundert Streikenden, die sich nicht haben entmutigen lassen.

Weitere Eckpunkte des Tarifergebnisses sind Urlaubsansprüche zwischen 25 und 28 Tagen, ein Weihnachtsgeld von 335 Euro, unbezahlte Freistellungen bis zu einem halben Jahr, beispielsweise für die in den Kinos beschäftigten Studenten sowie eine Befristungsquote, die höchstens jeden fünften Arbeitsvertrag als befristeten zulässt.

Cinestar-Beschäftigte trotz Wermutstropfen erfreut über die erkämpfte einheitliche Basis für alle

Auf Facebook verleihen Mitarbeiter ihrer Freude darüber Ausdruck, "dass sich der Arbeitgeber nun auch zu seiner Verantwortung gegenüber all seinen Mitarbeitern bekennt und eine zuverlässigere und angemessenere Lohnstruktur schafft, die auf Rechtsbasis eines Tarifvertrages auch eine bessere Planbarkeit für die Mitarbeiter schafft."
Der neue Tarifvertrag stelle eine einheitliche Basis für alle Mitarbeiter dar, postet man. Die Meisten profitierten dabei nicht nur von der deutlichen Entgeltsteigerung, sondern auch ausdrücklich von den Leistungen des Manteltarifvertrages, der Inhalte wie Urlaub, Nachtzuschläge und Feiertagszuschläge regele.
Ein Wermutstropfen gibt es dennoch: "Das Glattziehen der Leistungen für alle", bedeute für Teile des Unternehmens auch leichte Verschlechterungen." Dies gelte aber nur für Mitarbeiter die im kommenden Jahr neu eingestellt würden. Es sei der Preis dafür, dass alle Mitarbeiter nun z.B. einheitlich 25 Tage Urlaub hätten und nicht wie bisher oft noch üblich nur 20 Tage.

Das erzielte Ergebnis sei somit nicht identisch mit den Forderungen, heißt es. Aber ohne Kompromisse kommt nun einmal kein Tarifvertrag zustande.

Weiter wachen Auges auf den Kinobetreiber blicken

Ende gut, alles gut? Das Beispiel eines langen, geduldigen Kampfes für einen Tarifvertrag und annehmbare Löhne für die Cinestar-Beschäftigten beweist wieder einmal: Wer nicht kämpft, hat bereits verloren. Zweifelsohne waren die bislang bei Cinestar gezahlten Löhne mit Fug und Recht schändlich zu nennen. Erst recht, wenn man bedenkt, dass der bis dato betreffs der Entlohnung seiner Mitarbeiter dermaßen knauserige Kinobetrieb stets um die 30 Millionen Euro pro Jahr "übrig" hatte, um sie ohne mit der Wimper zu zucken dem australischen Mutterkonzern zu überweisen. Gewerkschaft und Cinestar-Beschäftigte haben - noch dazu so kurz vor Weihnachten - allen Grund zur Freude über das nach zähem Arbeitskämpfen Erreichte. Doch es dürfte nicht schaden, von nun an dennoch weiter ein waches Auge auf den Kinobetreiber zu werfen. Immerhin ist nicht auszuschließen, dass dieser künftig versuchen wird, die nun entstandenen Mehrausgaben anderweitig zu kompensieren, bzw. künftig geschickt zu vermeiden.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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