Der weibliche Stinkefinger

Männersache Stefan "Effe" Effenberg hat es vorgemacht, die Musikerinnen M.I.A. und Adele machen es nun nach. Aber was soll das bringen? Lassen wir die Finger doch in der Hose!

So, nun ist der Mythos vom Monopol des Mannes als Macho also auch zerstört. Ja, liebe Frauen, ihr könnt genauso vulgär, sexistisch und blöde sein wie wir. Schade aber auch.

Denn wenn uns Männern etwas peinlich ist, dann höchstens unsere eigenen Artgenossen, die – obwohl sie Idioten sind – als Pars pro Toto für unser Geschlecht verstanden werden. Stefan Effenberg zum Beispiel. Seine Libido scheint so unbegrenzt zu sein wie sein Wortschatz begrenzt. Wir erinnern uns: Er war der Mann der Zeichensprache, der den „Effe“, den „Stinkefinger“, den „digitus impudicus“ auf die Titelseiten gebracht hat, als er mit Tiger-Frisur seinen Mittelfinger in Richtung Publikum streckte. Und, ja: wir anständigen Männer haben uns dafür geschämt. Weil man nicht zeigt, was man hat. Und schon gar nicht, was man nicht hat.

Seinerzeit wurde viel über die antike Herkunft dieser Vulgär-Geste gesprochen. Das Feuilleton hat herausgefunden, dass schon Platon mit Stinkefinger durch Athen gegangen sein soll. Man könnte den Finger natürlich auch wissenschaftlich deuten: Als Phallus oder als Zeichen sexueller Potenz. US-Wissenschaftler haben die Geste tatsächlich untersucht und festgestellt: Wer sie nutzt, ist in der Regel destruk­tiver, aggressiver und unempathischer als der Rest der Welt.

Pendant Nipplegate

Klar, auch die Frauen haben sich Gesten einfallen lassen. Weil es blöde wäre, einen Finger als Pimmelmann in die Luft zu strecken, ohne einen zu haben, erfanden sie seinerzeit (ebenfalls kurz nach Platon) das Nipplegate. Damals, vor fünf Jahren beim Super-Bowl-Finale, ließ Janet Jackson für einen Moment lang ihren Busen blitzen. Ach, war die Aufregung groß! Wahrscheinlich war sie euch Frauen genauso peinlich wie uns der Effe.

Und wer nun sagt, dass M.I.A. eine Vorkämpferin für die Gleichberechtigung sei, der hat nicht alle Tassen am Helm. Sie streckte beim letzten Super-Bowl ihren Schniedel-Finger in die Welt und stahl damit sogar Madonna die Aufmerksamkeit, die mit dem Slogan „Weltfrieden“ von muskulösen Männern auf einem Thron getragen wurde. Und dann kam Adele, die bei den Brit-Awards nicht lange genug reden durfte und ebenfalls den Effe zeigte. Menno, Mädels!

Jetzt haben wir Männer endlich begriffen, dass unser Charme nicht unterhalb der Gürtellinie liegt und der Pimmel in die Hose, nicht in die Luft gehört, und ausgerechnet jetzt kastriert ihr unsere abgelegten Finger, um auch mal Macho zu sein? Bitte, liebe Frauen, lasst uns gemeinsam je zwei Finger in die Luft recken, „Peace“ rufen und uns darauf einigen, dass der Effe nicht so ernst genommen werden sollte wie unser Kopf. Und dann wird irgendwann sogar „Fuck you“ nur noch bedeuten: „Ich liebe Dich!“

Jungs und Mädels, lassen wir die Finger doch in der Hose!

Axel Brüggemann lebt als Journalist in Bremen, ist Linkshänder, hat noch alle zehn Finger aber benutzt sie selten einzeln.

Die wöchentliche Kolumne Frauensache/Männersache im Alltagsressort widmet sich Genderthemen und wird abwechselnd von weiblichen und männlichen Autoren geschrieben. Zuletzt schrieb Ulrike Baureithel über Männer, die nun auch Mutterschutz bekommen könnten.


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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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