Mit dem guten Geist ist das so eine Sache. Wer glaubt, dass Geister ein Leben lang die gleichen Klamotten tragen – etwa ein weißes Bettlaken –, irrt. Nehmen wir den Geist der grünen Bewegung: Der formierte sich aus der Hippie-Bewegung, der hörte Joan Baez, Janis Joplin, Jimi Hendrix oder Santana und trug lila Latzhose und Batik-T-Shirt. Als er an der Macht war, passte er sich an und wechselte zum Dreiteiler. Inzwischen spukt er in Jeans und lässigem Hemd durch die Opposition. Wandlungen, die nicht jedem Geist gelingen. Zum Beispiel dem Geist von Woodstock. Einst bester Kumpel des Geistes der Grünen. Er endet gerade als Gespenst – und die einzige Band, die noch auf ihn setzt, sind ausgerechnet The Zombies!
Als Michael Lang das legendäre Festival vor 50 Jahren veranstaltete, war alles ziemlich chaotisch: Die Anwohner des Festivalgeländes wehrten sich gegen den Ansturm der Hippies, erst vier Wochen vor der Veranstaltung stellte Bauer Max Yasgur im Dorf Bethel, 70 Meilen von Woodstock entfernt, sein Weideland zur Verfügung. Was dann passierte, ist Legende: Vom 15. bis zum 17. August trafen sich Hunderttausende Jugendliche, tanzten, nahmen Drogen, liebten sich und versanken in Matsch und Chaos. Für viele war Woodstock der Beweis, dass es ein neues Lebensgefühl geben kann: Vögeln, Frieden und Hasch-Kuchen.
Als dieser Geist 30 Jahre später wiederbelebt werden sollte, zeigte er bereits seine hässliche Fratze: Massenvergewaltigungen, Plünderungen und eine brennende Bühne. Nun, zum 50. Jubiläum, sollte alles wieder besser werden, gleichsam auf Anfang gestellt. Der mittlerweile 74-jährige Lang beauftragte die millionenschwere Agentur Superfly, das Chaos sollte kommerzialisiert werden. Doch der Geist wehrte sich: Die Veranstaltungsorte erweisen sich als unpraktisch, Genehmigungen fehlten, Bands wie The Black Keys sagten ab. Bis dahin waren bereits 30 Millionen Dollar versenkt. Ein japanischer Unternehmer soll Bands abgeworben und ihnen versprochen haben, bei den Olympischen Spielen in Tokio auftreten zu können. Ein neuer Sponsor scheiterte ebenfalls, der Bezirkssheriff wollte das Jubiläum verschieben, und als Jay-Z, Miley Cyrus und Santana ebenfalls absagten, musste auch Michael Lang einsehen, dass Woodstock 2019 keine Chance hat, auch wenn die Zombies (größter Hit: She’s Not There) weiter ihre Bereitschaft bekundeten. Der olle Geist bestand unter seinem schlammbedeckten Bettlaken nur noch aus klapprigen Knochen.
Mythen und Geister sind komplexe Gestalten: Seit zweitausendundneunzehn Jahren schaffen wir es jedes Jahr, das Jubiläum der Geburt Jesu zu feiern, dem Geist der Bayreuther Festspiele gelingt es seit 143 Jahren, sich den jeweiligen Moden der Zeit anzupassen: dem monarchischen Operetten-Gewand, der nazibraunen Uniform, dem demokratischen Hosenanzug und inzwischen sogar den Regenbogen-Klamotten. Dass Woodstock diese Wandlungen nicht gelingen (nicht einmal als Zeichen gegen Trumps rote Ami-Cap), sagt viel über seine Protagonisten aus: Viele 68er sind Ewiggestrige geworden, unflexibel, nicht mehr in der Lage, neue gesellschaftliche Visionen zu entwickeln und sie einfach – gegen jeden Mainstream – zu leben. Und so wird Woodstock inzwischen konserviert wie die Mona Lisa im Louvre. Neben dem einstigen Festivalgelände steht ein kleines Museum. Eintritt 13 Dollar, im Devotionalien-Shop gibt es Batik-T-Shirts mit Woodstock-Logo für 24,95 Dollar. Der Geist aber ist hier längst ausgezogen.
Kommentare 21
das produzieren von re-makes hat seine tücken.
auch "das erste mal" läßt sich nicht wiklich wiederholen...
Das klingt irgendwie einfallslos, so als ob man nur Ideen hätte, um in konservativen Nachbildungen, aus schon bestehender Ideen, Kultur erleben zu wollen und glückliche Gesichter produziert das auch nicht, beim Haschkuchen essen.
Was ist das für eine Jugendbewegung, die den Sinn darin findet, in die Ihre Angst vor dem unbedeutenden selbst, so Ihrer Kulturbewegung in mysteriöse Ihnhalte einer vergangenen Religion einkleidet und darin kriminelle Energie, als Haschkuchen essen verstehen zu können und der aufklärende bildende Effekt darin, bemündigt sich dieser Methode, um über nachgespielte Emanzipation selbst diesen Erfolg zu erleben. Ein nachspielen von einem Zeitgeist der niemehr so wie wir ihn romantisieren, auch eine Entfaltung erleben wird und ist keine inspirierende Anregung für die jetzige Kultur, wie auch als ein Teil einer Jugendbewegung gelten zu können, mit all diesen Anstrengungen im retrostyl einer Identifizierung.
Und dann wundert man sich, warum Depressionen zunehemen und auch Glücksratgeber benötigt werden. Das ist eine enttäuschende Bilanz für eine gegenwärtige vorzufindende Kultur und wer produziert diese? Wir durch unser Verhalten. Ne Leute, dass kann weg.
Die im Artikel dargelegte Sichtweise mag zwar für die moralisch-emotionalen Haushalte von verbürgerlichten Grünen und Zeit-lesenden Oberstudienräten die passende Droge sein: resignative Wehmut, gepaart mit pragmatischem Nach-Vorne-Blick der Machart: Naja – es war halt zu schön, um (dauerhaft) wahr zu sein.
Dabei zeugt bereits die Auswahl der Acts fürs Jubiläum größtmögliche Beliebigkeit. Null Gespür – weder für den Hippie-Spirit noch für das, was Woodstock einst war. Anders gesagt: Mit Künstlern wie The Zombies, Miley Cyrus (!!) und Jay-Z war »Woodstock 50« geradewegs auf dem »Highway to Hell« – oder, um die Richtung noch deutlicher anzuzeigen: im sperrgitterbewehrten Vorbereich zur Duisburger Loveparade. Da der klingende Name offensichtlich sowieso das Wichtigste war respektive als Publikumsmagnet fungieren sollte: Gut, dass es nicht geklappt hat. Vielleicht – man sollte derlei Schicksalsfügungen nie ausschließen – hat das ein vormals selbst Hippie gewesener Deputy Sheriff ebenso gesehen und in seiner Eigenschaft als Ordnungshüter seiner Gemeinde den Nachwuchskarrieristen den Saft abgedreht ;-).
Um den Hippie-Spirit ohne aufgesetzte Nostalgie zu konservieren, braucht es eh kein aufgesetztes Revival. Vor Ort, also an der Basis, stehen die fähigen Leute sowieso schon lange in den Pedalen. Beispielsweise beim hessischen Burg-Herzberg-Festival, dass seit 1991 im jährlichen Turnus stattfindet. Auch hier hat sich im Lauf der Zeit einiges kommerzialisiert. Wohlweislich ist man jedoch mit der Zeit gegangen – was musikalisch heißt: man setzt auf den gelungenen Mix aus (Krautrock-)Veteranen, neuen Acts und elektronischem Trance. Das Allerwichtigste hier allerdings ist: Passen muß es. Und es passt – Jahr für Jahr. Weswegen das Herzberg-Festival auch ohne die Schreckensmeldungen auskommt, die der Markenname »Woodstock« fürs bürgerliche Publikum eben mitzugenerieren hat.
Die Chose hat natürlich auch Nachteile: Fette Schlagzeilen wie die diversen Woodstock-Wiederbeatmungsversuche hat das Burg-Herzberg-Festival bislang noch nicht hingelegt.
Woodstock war das Ende der Hippiezeit. Hier wurde diese Bewegung junger Menschen für die Freiheit und Liebe endgültig begraben unter Drogensumpf und Vermarktung der Bewegung...warum sollte man das feiern?!
Sehen wir es mal so: Hätte es 50 Jahre vor Woodstock ein ähnliches Festival für die aufmüpfige Jugend gegeben - was wäre da wohl für Musik gespielt worden? Siehste! Die Hippies hätten damit ebenso wenig etwas anfangen können, wie die Kiddies heute mit den "Zombies"... es wäre Musik für alte Frauen und Männer gewesen. Und davon sind die meisten doch schon fast tot. Wie eben Woodstock.
«warum sollte man das feiern»
Nicht feiern, gedenken/reflektieren. Wo sind die unangepassten, naiv träumenden, an ein anderes Morgen glaubenden jungen Menschen von heute?
«Die Hippies trauten sich 1967, was sich die Linken heute nicht mehr trauen: Sie formulierten eine Vorstellung davon, wie eine andere Gesellschaft aussehen könnte, und begannen sofort, die Veränderung zu leben. Heute, spätestens seit Donald Trump US-Präsident ist, haben sich Linke in eine Verteidigungshaltung drängen lassen. Als progressiv gilt die Forderung, am Errungenen festzuhalten, die alte Ordnung gegen das Chaos von rechts verteidigen. Wir können also von den Hippies lernen.»
https://taz.de/50-Jahre-Summer-of-Love/!5411562/
Aber kann man den Glauben an eine Veränderbarkeit wie festgezurrt wirkender Konventionen noch einmal - so wie damals - entfachen?
||| ein neues Lebensgefühl geben kann: Vögeln, Frieden und Hasch-Kuchen |||
und am Ende des Lebensgefühls, oder wenigstens am Ende des Geldes und/oder des Urlaubs die Rückkehr ins traute amerikanische Familienleben^^
...Sie haben scheints nicht begriffen was ich geschrieben habe! Und ich war Kind in der Zeit und hab se mitgekriegt die Hippies, das ist viel zu verklärt und inzwischen haben wir weit weniger Demokratie im Gegensatz zu damals.
"Seit zweitausendundneunzehn Jahren schaffen wir es jedes Jahr, das Jubiläum der Geburt Jesu zu feiern, dem Geist der Bayreuther Festspiele gelingt es seit 143 Jahren, sich den jeweiligen Moden der Zeit anzupassen: dem monarchischen Operetten-Gewand, der nazibraunen Uniform, dem demokratischen Hosenanzug und inzwischen sogar den Regenbogen-Klamotten. Dass Woodstock diese Wandlungen nicht gelingen (nicht einmal als Zeichen gegen Trumps rote Ami-Cap), sagt viel über seine Protagonisten aus: Viele 68er sind Ewiggestrige geworden, unflexibel,..."
Nun ja, sowohl die Kirche(n) selbst (bzw. der jeweilige Klerus), die vor allem Geburt u. Tod Jesu feiern - und ohne die Weihnachten u. Ostern schon längst vollends gekillt/umgewidmet worden wären -, als auch nicht wenige Laien-Gläubige scheinen mir auch nicht mehr gerade die Frischesten, was das Selbst- u. Vorleben der ursprünglichen Ideen des Christentums angeht. (was z. T. ja ganz gut, überwiegend aber extrem schlecht ist: beim hoc-est-corpus-meum an den nächsten Kinder- o. Jugendmißbrauch zu denken ...) Und ähnlich sieht's bei Bayreuth aus: Der Hosenanzug oder die Regenbogenklamotten machen eben gerade nicht eine lebendige Geistestradition aus, - zum Glück, muss man im Falle Wagners sagen -, sondern stellen die immer neue Ausstaffierung einer müffelnden Leiche aus Gründen ihrer anhaltenden Bewirtschaftung dar.
Guten Abend Herr Zietz! ich stimme Ihnen zu, daß die Musik von Miley Cyrus und Jay Z zum 50. kein beitrag gewesen wäre. Da sollte wohl schnell was zusammengeflickt werden, um doch noch Money zu machen. Das legendäre Woodstockfestival ist nicht wiederholbar, wer Das glaubt ( vom wünschen und hoffen) abgesehen, will wohl auch einfach nicht älter werden und möchte ,,gute ,alte Zeiten konservieren. Ihr Hinweis zum Herzberg Festival gefällt mir sehr.
Beitrag - muss es heißen
Guten Abend Herr Brüggemann! Gut zu lesen, wie die Organisation zum 50. schon Geld ,,verbrennt'' und dann Nichts bringt und Geist schon gar nicht.Praktisch Börsenwoodstockgeist mit Pleitespirit....Habe Alles gerne gelesen und ohne den Leseeindruck von Zynismus.
..LOL, ja...genauso war es. Und Woodstock hatte nichts mit wirklicher gesellschaftlicher veränderung zu tun. Oder höchstens im Negativen...denn auch das war nur Konsum!!!
Guten Tag Axel Brüggemann,
das die 68iger inzwischen in die Jahre gekommen sind und keine neuen gesellschaftlichen Visionen mehr entwickeln und vorleben können, liegt im Lauf des Lebens, in dem alles was geboren wird auch wieder sterben wird.
Vielleicht ist es ja nunmehr an der Zeit, dass Sie mit 47 Jahren den Geist Ihre eigenen gesellschaftlichen Visionen vorstellen und besser erkennbar wird, wessen Geistes Kind Sie wirklich und wahrhaftig sind.
...na dann sagen Sie mal was die Jugend 1919 gehört hat?! Eine jugendverherrlichende Bewegung wie seit den 1950er Jahren, hat es vorher nie gegeben. Und es ist auch nicht gut, denn die meisten jungen Menschen sind zu leicht zu beeinflussen..
Das ist eine steile These! Andere nennen statt dessen die Morde der Manson-Family, den Mord an Bobby Kennedy, den an John Lennon ...
Drogen spielen bis heute eine bedeutende Rolle bei Festivals, Matsch und Vermarktung auch. So what?
Auch sind viele Größen der Zeit in Woodstock gar nicht aufgetreten (Dylan, Stones, Led Zeppelin, Doors, Beatles, Zappa usw.), The Who waren ausdrücklich verärgert über den chaotischen Ablauf. Woodstock war ein kommerzieller Flop, andere Festivals lukrativ.
Ich denke, das damals neue Format der Outdoor-Festivals ist einfach heute kein Aufreger mehr. Eine - auch kommerziell - sorgfältigere Organisation sollte niemanden stören, der/die keine Lust auf Katastrophe hat. Die nämlich wäre Woodstock fast geworden. So aber wabert der Geist der Hippies immernoch durch die Welt, ja sogar in diesem Forum: Freiheit und Liebe - hirnverbranntes Geschwurbel!
...ich weiß nicht worauf sich Ihre Antwort bezieht, ich widerspreche Ihnen doch nirgendwo, oder lesen sie die Kommentare nicht und schreiben dann ne Antwort?!
das war einer meiner Kommentare zur Erinnerung:
Woodstock war das Ende der Hippiezeit. Hier wurde diese Bewegung junger Menschen für die Freiheit und Liebe endgültig begraben unter Drogensumpf und Vermarktung der Bewegung...warum sollte man das feiern?!
Ja genau. Darauf bezog sich mein Kommentar. Der Link verweist dahin.
a) Woodstock war m.E. nicht das Ende der Hippiezeit (leider). Eher war es ein weiterer Anlass für die Reaktion.
b) Drogensumpf war in Height-Ashbury schon Jahrelang elementar für die Hippies und ist bei Festivals bis heute eine Konstante (vgl. Loveparade).
c) Woodstock war (unfreiwillig) kostenlos. Das Ergebnis war ein kommerzielles Debakel und wäre fast eine humanitäre Katastrophe geworden.
d) Freiheit (hier eigentlich Frieden) und Liebe sind gesellschaftlich einstweilen einfältige Schwärmerei. Beides lässt sich nicht einfach so daherleben sondern setzt solidarischen Kampf und Abschaffung des Kapitalismus voraus.
Jetzt klar?
a) Was haben Sie gegen die Hippies an sich? b) Drogen wurden leicht zugänglich gemacht für junge Menschen um sie davon abzuhalten ihre Ideen zu leben(West - Berlin hätte man zu Mauerzeiten Drogenfrei halten können, hamse aber nicht, das gibt zu denken). d) Sie wissen ganz offensichtlich zu wenig über die damaligen Verhältnisse(die waren noch nicht Neoliberal und bei weitem weniger kapitalistisch) und natürlich kann man das nicht 1 zu 1 auf heutige Verhältnisse übertragen. Ich bin sicher kein Schwärmer, ich habe lediglich die damalige Stimmung beschrieben, Sie Schlaumeier!
Wenn Sie meine Ansichten für anmaßend halten, sehen Sie sich mal an, was z.B. Dylan oder Zappa von den Hippies hielten. Es gab auch zeitgenössische KritikerInnen. Das waren nicht irgendwelche und weder KonformistInnen noch Reaktionäre.
Im übrigen wäre es illusorisch gewesen, Westberlin drogenfrei zu halten, wenn das schon mit Hochsicherheitsknästen nicht gelingt. Zorri. Das wäre allenfalls zum Lachen, wenn da nicht dieser Anklang von Verschwörungstheorie mitschwingen würde. Der gibt mir zu Denken.
Das bei Hippies so beliebte LSD ist in den USA 1966 verboten worden, Hanf wurde 1971 vollständig illegal. Von "leicht zugänglich gemacht" kann wohl kaum die Rede sein.
Im übrigen wäre es illusorisch gewesen, Westberlin drogenfrei zu halten, wenn das schon mit Hochsicherheitsknästen nicht gelingt.
Sie sind derart doof das es zum Himmel stinkt...wenn man es aufhalten will kann man es!!!