Berliner Fotograf Arno Fischer verstorben

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Der Berliner Fotograf Arno Fischer verstarb am Dienstag im Alter von 84 Jahren. Fischer gehörte neben seiner im vergangenen Jahr verstorbenen Frau Sibylle Bergemann und dem bereits vor drei Jahren verstorbenen Roger Melis zu den bedeutendsten DDR-Fotografen. In den letzten Jahren arbeitete er für die Ostkreuzschule und -agentur für Fotografie und die privaten Fotoschule Fotografie am Schiffbauerdamm (fas), die er gemeinsam mit seiner Frau nach der Wende begründet hatte.

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Foto: Promo

Nach dem Krieg hatte er zunächst Bildhauerei studiert. Ende der 50er entdeckte er jedoch seine Neigung zur Fotografie, wobei er hier nie eine formale Ausbildung absolvierte. Anregung seien die Ausstellung Family of Man von Edward Steichen und das Buch The Americans von Robert Frank gewesen, wie er im Spiegel-Interview angab.

Nach dem Mauerbau blieb der Berliner in der DDR, wo er bereits beruflich sehr erfolgreich war, obwohl ein bereits druckfertiges Buch über Berlin aufgrund der politischen Situation nicht veröffentlicht wurde. Die Bilder aus Situation Berlin erschienen in neuer Anordnung und mit neuen Texten erst nach der Wende. Fischer arbeitete wie viel der künstlerisch orientierten DDR-Fotografen für die Zeitschrift Das Magazin, das es meist nur unter dem Ladentisch gab und das freimütiger, widerspenstiger und frecher war als die meisten anderen DDR-Publikationen, und die Modezeitschrift Sybille, die einen sehr hohen ästhetischen Anspruch an die Bilder hatte. Nach eigenen Angaben versuchte er, sich ästhetisch dem dem “sozialistischen Realismus” zu entziehen und seine Modelle zu porträtieren, wie sie wirklich waren. Er verzichtete auf offene Systemkritik, sondern richtete sich in seiner Nische ein.

Dadurch war Fischer in einer privilegierten Situation, in der er mehr Freiheiten hatte als die meisten seiner Landsleute: Als Fotograf bereiste er den gesamten Ostblock bis nach Murmansk, durfte jedoch später auch für Aufträge in die Bundesrepublik und die USA reisen. So veröffentlichte er 1988 im Verlag Volk und Welt gemeinsam mit Heiner Müller einen Bildband über New York.

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Ostberlin, 1956 / Foto: Arno Fischer - arnofischer.com

In den 60ern gründete er mit Kolleg/innen die Fotografengruppe Direkt, ab 1972 war er zunächst Gastdozent und Lehrbeauftragter, später Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, wobei er viele Seminare zum Mißfallen der Institution in seiner Berliner Wohnung am Schiffbauerdamm nahe dem Bahnhof Friedrichstraße abhielt.

Nach der Wende wollte er zunächst eine private Schule in seiner 160 qm Wohnung eröffnen, aufgrund einer Sanierungsankündigung verlegten er und Bergemann die Fotografie am Schiffbauerdamm (fas) dann in die Mauerstraße. 1993 wurde er in Leipzig “abgewickelt”, hatte aber bereits seit der Wende schon einen Lehrauftrag in Dortmund. Zudem arbeitete er für die Agenur und Schule Ostkreuz mit anderen renommierten Ex-DDR-Fotograf/innen.

In den letzten Jahren lebte und arbeitete er bis zu ihrem Tod mit seiner Frau in Gransee bei Berlin.

Webseite von Arno Fischer

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