The Ruins of Detroit

Stadtentwicklung Die Fotoausstellung im Kühlhaus Kreuzberg zeigt Ruinen, die der Industrie-Kapitalismus hinterließ. Aus dem Verfall entsteht neue Kreativität.

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Des einen Freud ist des anderen Leid heißt es. Oder umgekehrt: Die Tatsache, dass die einst blühende US-amerikanische Großststadt seit Jahrzehnten dahinsiecht und diverse Versuche, die Wirtschaft wieder anzukurbeln scheiterten, machte sie unfreiwillig zum Kreativzentrum – neben experimentellem Urban Farming vor allem für Künstler/innen. Mitte der 80er Jahre gebar die Stadt ihre eigene, weltweit prägende Version von House und Techno, da die diversen leerstehenden Fabrikhallen kostenlose Veranstaltungsräume für einen neuen Sound boten. Dann kamen die Bildenden Künstler, die aus der gesamten USA zuzogen, weil sie hier billig riesige Ateliers fanden. Zu allem bietet der morbide Charme der verfallenden Prachtbauten und Industrielandschaften aus besseren Zeiten die anregende Kulisse.

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Lee Plaza / Foto: Promo

Der zieht auch Fotograf/innen und Filmer/innen aus aller Herren Länder an. Zu ihnen gehören auch die Pariser Fotokünstler Romain Meffre und Yves Marchand. Ihre mit dem sehr straighten Titel The Ruins of Detroit benannte Ausstellung ist jetzt mit 28 großformatigen Bildern im Kühlhaus Berlin zu sehen. Die Arbeit an dem Projekt begann vor sechs Jahren und sind bereits im vergangenen Jahr als Bildband beim Göttinger Steidl Verlag erschienen. “Detroit zeigt alle archetypischen Gebäude der Amerikanischen Stadt in mumifiziertem Zustand,” schreiben die Künstler. Einst die Industriehauptstadt des 20. Jahrhunderts, habe die gleiche Logik, die sie aufblühen ließ die Stadt zerstört. Anders als an anderen Orten sei der Verfall nicht nur an einzelnen Stellen sichtbar, sondern präge als “natürliche Komponente” das gesamte Stadtbild. Die verfallenden Monumente seien wie die Pyramiden in Ägypten oder das Kolosseum in Rom Wahrzeichen eines untergegangenen Imperiums.

Der Ausstellungsort, das Kühlhaus am Berliner Gleisdreieck, ist selbst eines dieser Industriedenkmäler, das über Jahrzehnte leer stand und verfiel – bis es vor kurzem für eine Vernissage entdeckt wurde. Daraufhin entwickelten die Besitzer, die Unternehmensgruppe Argovent, mit Hilfe der Geschäftsführer und Künstlerischen Leiter Jochen Hahn und Cornelia Albrecht, ein Nutzungskonzept für das siebenstöckige Haus, das Kunst und Kommerz zusammenführen soll: Es soll ein anspruchsvolles Musik- Theater- Tanz- und Literaturprogrammen sowie Film- und Medienkunst präsentiert werden, das sich über Vermietung von Räumen für Messen, Shows, Tagungen, Bankette und Feste finanziert (mehr dazu in der Berliner Zeitung). Im November wurden die ersten drei Etagen fertig renoviert und eröffnet. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.

Ort / Termin:
noch bis 10. Januar 2012
Do – Sa ab 18.00 Uhr

Luckenwalder Str. 3,
10963 Berlin
Telefon: 030 21005605
Webseite

Romain Meffre und Yves Marchand – Webseite zum Projekt
Ankündigung des Kühlhauses

Originaltext bei Popkontext.de

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Journalistin, Bloggerin, DJ, Fotografin - Kultur, Medien, Politik, Sprache // Websites: popkontext.de / wortbetrieb.de

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