Vorher hat man noch nie davon gehört. Dann ist es auf einmal überall. Ein Code, der aus drei Wörtern besteht und damit jeden beliebigen Punkt auf der Erde als 3 x 3-Meter-Quadrat verortet? Klingt exotisch und nach Cyber-Krieg-Thriller. Und dann entdeckt man genau diesen Code in den Twitter-Mitteilungen zum Endpunkt der „Queue“, der Schlange, in der sich am vergangenen Wochenende Tausende anstellten, um Abschied vom Sarg der Queen zu nehmen: „Navy.Noises.Overnight“ stand da etwa, und „What3words“. Wer die Webseite oder App aufrief und die drei Wörter eingab, konnte so den exakten Endpunkt der Schlange finden.
Allerdings muss das in der Channel-4-Serie The Undeclared War selbst die Informatik-Studentin Saara Parvan (Hannah Khalique-Brown
as in der Channel-4-Serie The Undeclared War selbst die Informatik-Studentin Saara Parvan (Hannah Khalique-Brown) erst erklärt bekommen. In Folge zwei lässt sie eine kryptografierte Botschaft entschlüsseln, die sie als scheinbar funktionslose Zeichenkette in einer Malware entdeckt hat. Heraus kommt dabei „Eagles Summer Stages“ plus Datum und Uhrzeit. Die amerikanische NSA-Kollegin gibt den heißen Tipp mit „What3words“, und siehe da, es handelt sich um den Ort einer Tagung zu „Cyber-Security“. Eine Einladung? Schon der Mathematiker, der die Zeichenfolge für Saara entschlüsselt hat, sprach von einer „Falltür-Verschlüsselung“, einer Botschaft, deren Kryptografie quasi das Seil, mit dem man sie aufzieht, schon mitbringt. Was man aus modernen Thrillern nicht alles lernen kann ...Der Brexit ist ein großer ErfolgEigentlich ist The Undeclared War ja Science-Fiction. Die Handlung beginnt im April des Jahres 2024 in London. Britischer Premierminister ist ein merklich nach Rishi Sunak modellierter Tory mit nigerianischen Vorfahren – sein Vater war ein reicher Businessman, erfährt man nebenbei –, sonst hat sich wenig verändert gegenüber der Gegenwart. Wahlen stehen unmittelbar bevor. In den Fernseh-Talkshows wird das Übliche geredet: „Die Rezession hat nichts mit dem Brexit zu tun, der ist ein großer Erfolg.“ Unterdessen tritt Heldin Saara ein Praktikum beim GCHQ an, der britischen Regierungsbehörde, die zuständig ist für Kommunikations- und Cyber-Sicherheit. Kaum dass sie an dem ihr zugedachten Schreibtisch ankommt, bricht im Haus das Internet zusammen. Ähnliches passiert an vielen Orten mit wichtiger Infrastruktur wie Flughäfen und Bahnhöfen. Als Ursache stellt sich eine Cyber-Attacke mit besagter Malware heraus, die „clever auf maximale Disruption bei minimalem Risiko für Menschenleben“ aus ist. Bald sitzt Saara neben vielen anderen und scrollt durch Meter von Code, um herauszufinden, von wem er stammt und welchen Schaden er noch anrichten wird.Dass so der Beginn eines „Cyber-Kriegs“ aussehen könnte, ist eine der großen Befürchtungen unserer Zeit. Digital-Anschläge gehören schon länger zu den Erzählbausteinen von Action- und Spionagethrillern von James Bond bis Mission: Impossible. Neu an The Undeclared War ist das Szenario, in dem der Gegner ein „staatlicher Akteur“ ist. Der Verdacht steht zumindest von Anfang an im Raum. Ein freier Hacker namens „Jolly Roger“ greift ihn auf und macht ihn sichtbar, indem er im Moskauer Kreml das Licht zum Blinken bringt. Die britischen Behörden, für die Heldin Saara arbeitet, geben sich vorsichtiger. Beim Beraten über Gegenmaßnahmen werden direkte Anschläge – „Wir könnten Putins Flugzeug ein paar hundert Meter absinken lassen“ – zugunsten von indirekten verworfen. Man attackiert eine Trollfabrik bei Moskau. Womit trotzdem eine Spirale der digitalen Gewalt in Gang gesetzt wird, die es bald mit den bedrückenden Szenarien eines Atomkriegs aufnehmen kann.Eingebetteter MedieninhaltImmer wenn es um Code, um Trolle und Cyber-Krieg geht, entwickelt The Undeclared War echte Spannung und findet originelle Darstellungsweisen fürs visuell eigentlich öde Geschäft der Code-Analyse. Da sieht man etwa Saara, wie sie sich in einem seltsam menschenleeren Straßen-Café umsieht. Sie entdeckt einen Gully, versucht ihn zu öffnen, dann hat sie plötzlich einen Werkzeuggürtel umgeschnallt, mit dem sie den Deckel heben kann. Sie steigt hinunter in eine Art Archiv und landet schließlich in einem Gang, der von einem riesigen Haufen Sperrmüll blockiert ist. Code-Entschlüsseln als Action-Computerspiel, und glaubt man den Programmierern, gibt es das tatsächlich: Zeichenmüll inmitten von Code, der einem den Blick verstellt.Die Cyber-Seite scheint nicht nur sorgfältig recherchiert zu sein, sie wird auch auf angenehm unaufgeregte Weise präsentiert. Es gibt kein manisches Bedienen von Tastaturen, mit dem in letzter Minute ein Attentat abgewendet wird, sondern lediglich mit pessimistischen Gesichtern gefasste Gremiums-Beschlüsse, die ein anonymer Angestellter ausführen muss.Albern viele „aktuelle“ KonflikteWomit die Serie enttäuscht, sind die abgeschmackten Versatzstücke der Seifenoper-Dramaturgie im Rest der Handlungsstränge. Da wird Saara noch einigermaßen selbstironisch als willkommene Abwechslung in der GCHQ-Abteilung begrüßt – „We tend to be very male, pale and stale“, gibt ihr Vorgesetzter den männlich-weiß-alten Überhang der Branche zu –, aber dann dichtet ihr das Drehbuch so viel „aktuelle“ Konflikte an, dass es fast albern wird: Nicht nur, dass sie eine gleichgeschlechtliche Affäre mit der NSA-Kollegin eingeht, ihr Migranten-Vater Selbstmord verübt und ihr Bruder als Imam in der Moschee predigt, nein, sie, die für die Regierung arbeitet, muss auch noch einen linken Freund haben, der als Lehrer seine Schüler zu gefährlichen Protesten mitnimmt. Und in der Moskauer Trollfabrik gibt es diesen einen Russen, der, wie sich herausstellt, mit ihr zur Schule ging. Zufälle gibt’s!Am meisten enttäuscht dabei, dass auf der russischen Gegenseite mit dem jungen Hacker, der nach dem Studium in Großbritannien nach Russland zurückgeht, und der ehrgeizigen Journalistin, die gleichsam wider Willen bei einem Russia Today nachempfundenen Sender landet, zwei spannende Figuren entwickelt werden, von denen man gerne mehr gesehen hätte.Placeholder infobox-1