Selbstkritik

Im Kino "Bye-Bye Berlusconi" von Jan Henrik Stahlberg möchte einen Beitrag zur Verabschiedung des "Cavaliere" leisten

Wie gehen Filmemacher mit Politik um? Sie machen einen Film, natürlich. Und wenn sie besonders politisch sein wollen, machen sie einen Film übers Filmemachen. In Jan Henrik Stahlbergs Bye Bye Berlusconi geht es um ein junges Filmteam in Genua, das eine Berlusconi-kritische Produktion plant: Sie wollen die Entführung des Ministerpräsidenten durch eine Terrorgruppe zeigen, die den vor Gericht immer glimpflich davongekommenen vor das "Volksgericht" des Internets bringt - die Verurteilung erfolgt per Mausklick. Doch bereits am ersten Drehtag rät der Anwalt der Produktion zum Abbruch: Man würde ganz sicher verklagt werden. Ab da wird Berlusconis Name stets mit "Beep" überblendet.

Der scheinbare Vorteil des Films übers Filmemachen besteht darin, zwei Dinge auf einmal erledigen zu können: zum einen ein Thema abzuhandeln und zum anderen zu zeigen, welche Probleme man damit hat. Auf der Filmemacherebene illustriert Bye Bye Berlusconi die zunehmende Paranoia, von der das Team ergriffen wird. Je weiter die Arbeit fortschreitet, desto größer werden die Ängste vor der Person, der sie hier den fiktiven Prozess machen. Auf der Film-im-Film-Ebene schlägt sich das als zunehmende Aggressivität der Entführer nieder; auch hier nehmen die Dinge keinen guten Verlauf.

Das eigentliche Herzstück des Films bilden die wiederkehrenden Diskussionen der Crew. Wenn zu Besprechungen oder Drehpausen die Produzenten, der Regisseur, die Darsteller und Autoren zusammen sitzen und wild durcheinander reden, glaubt man sich fast in einem Dokumentarfilm, so authentisch ist die typische Atmosphäre von schlechter Laune, gegenseitiger Herablassung und allgemeiner Ermüdung unter idealistischen Selbstausbeutern wiedergegeben. Ein fortwährender Streit entsteht um die Namensnennung: Angeregt vom Micky-Maus-Heft seines kleinen Sohnes kommt dem Regisseur nämlich die rettende Idee, seinen Hauptprotagonisten "Micky-Laus", zu nennen und aus ihm den "Bürgermeister von Hühnerhausen", Herrscher über den Sender "Melonen-TV" zu machen. Die Szenen, die zeigen, was dieser Fernsehsender so in den Äther schickt, gehören übrigens zu den satirischen Höhepunkten des Films: Da gibt es die Werbung mit anzüglich an Melonen lutschenden, nackten jungen Frauen, die dümmlich-einseitige Berichterstattung über die Entführung und vor allem den Irrsinn der ständig durchs Bild laufenden Schrift-Bänder, die dazu aufrufen, das selbst gesungene Lied des entführten Bürgermeisters als Klingelton fürs Handy herunterzuladen. Das Geheimnis der Popularität von Berlusconis Mediaset-Sendern ist hier bestens offenbart.

Aber wie gesagt, die Filmcrew ist zunächst wenig begeistert über die Umbenennung in "Micky Laus". "Warum nicht Silvio Rossi? Ich finde das witzig", bringt sich eine Mitarbeiterin ein, und obwohl niemand ihren Vorschlag aufgreift, wird sie auch noch Tage später, als die Situation bei den Dreharbeiten aus ganz anderen Gründen zu entgleisen droht, starrsinnig weiter behaupten: "Ich fand ja Silvio Rossi eine gute Idee." In diesen Details am Rande zeigt sich, worin die eigentliche Stärke des Films übers Filmemachen liegt: in der Selbstkritik am eigenen Lager, an den Halsstarrigkeiten und Eitelkeiten derer, die doch die besten Intentionen hegen.

Genau das - zu selbstkritisch mit der Linken zu sein - wirft man interessanterweise derzeit Nanni Moretti vor, der vergangene Woche seinen lang erwarteten Film Il Caimano in die italienischen Kinos brachte. Darin geht es ebenfalls um einen Produzenten, der einen Film über Berlusconi drehen will - und an der Feigheit seiner Umwelt scheitert. Moretti hatte sämtlichen Beteiligten ein Schweigegebot auferlegt, so dass bis zur Premiere am vergangenen Freitag nichts über den Film bekannt war außer der Tatsache, dass mit dem Caimano des Titels natürlich der italienische Ministerpräsident gemeint war. Die Linke hatte von einem der prominentesten Berlusconi-Gegner einen Film erwartet, der in der heißen Phase des Wahlkampfs "ihre" Sache unterstützt. Aber Moretti widmet sich weitaus mehr den Unzulänglichkeiten des eigenen Milieus als denen seines "Feindes". Auch der apokalyptische Schluss des Films, in dem ein von Moretti selbst gespielter Berlusconi zwar verurteilt wird, aber das Volk zum Aufstand dagegen aufruft, stärkt nicht gerade den Optimismus der italienischen Opposition. Il Caimano wird, wenn überhaupt, erst in einigen Monaten in Deutschland zu sehen sein. Eigentlich wünscht man sich, das Thema Berlusconi sei dann nicht mehr aktuell.


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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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