Ammann gibt auf

Buchbranche Zwischen Herz und Buchhandlung darf kein Riss entstehen: Einer der renommiertesten deutschsprachigen Literaturverlage stellt sein Programm ein.

Zum 30. Juni 2010 wird der ­Ammann Verlag seine publizistische Verlagsarbeit beenden.“ Diese kurze Ankündigung auf der Website des Verlages läutet vor wenigen Tagen das Ende eines literarischen Unternehmens ein, das Egon Ammann und ­Marie-Luise Flammersfeld mit leidenschaftlichen Engagement für die Literatur in 29 Jahren groß gemacht haben.

Seit 1981 ist in dem Zürcher Verlag ein erstaunliches literarisches Programm erschienen. Erinnert sei an die Werkausgaben von Fernando Pessoa und Ossip Mandelstam, oder an die Neuübersetzung Dostojewskijs durch Swetlana Geier. Auch wichtige zeitgenössische Autoren wie Thomas Hürlimann, Ulrich Peltzer, Ismail Kadare oder Wole Soyinka, die hier eine ­Heimat für ihre Bücher gefunden haben, werden sich einen neuen Verlag suchen müssen.

Aber das Ende des Ammann Verlags betrifft weit darüber hinaus alle diejenigen, die anspruchsvolle Literatur schätzen. Denn die hohe Kunst des Verlegers besteht darin, Herz und Buchhaltung derart in Einklang zu bringen, dass dazwischen kein tiefer Riss entsteht. Ammann und Flammersfeld scheint dies geglückt zu sein. Erfolgreiche Bücher wie die von Eric-Emanuel Schmitt und Thomas Hürlimann haben sich gut verkauft, ohne dass sich die Verleger dafür zu schämen brauchten. Was so Gewinn abgeworfen hat, ist in Bücher und ­Projekte investiert worden, die keine Rendite versprechen sollten. Neugierde und Geschmack, vor allem aber auch Mut und Risikobereitschaft zeichneten diese Verlagspolitik aus. Bücher wie German Sadulajews Ich bin Tschetschene: Roman" target="_blank">Ich bin Tschetschene oder Abraham Sutzkevers Bericht Wilner Getto 1941-1944: Biographische Aufzeichnungen" target="_blank">Wilner Getto 1941-1944 demonstrieren dies im aktuellen Jahresprogramm.

Schleichender Fall

So gesehen ist dieses überraschende Ende auch ein untrüglicher Fingerzeig dafür, dass es verlegerische Freiheit und Selbstbestimmung im heutigen Marktumfeld schwer haben. Auflagen und Umsätze gehen zurück, die Branchenriesen trommeln mit Werbegetöse die Leser zu ihren Blockbustern hin, und die Nischen für literarische Experimente werden enger. Erschwerend kommt hinzu, dass das Medium Internet vollkommen neue Konzepte für den Literaturbetrieb erfordert. Vor allem letzteres hat sich der 68-jährige Egon Ammann nicht mehr zugetraut.

Ammann ist nicht der einzige Verlag, der sich um die Literatur kümmert, dennoch gibt sein jetzt verkündetes Ende Anlass zu kritischen Fragen. Gibt es noch Platz für selbständige Verlegerpersönlichkeiten? Oder bestimmt der Markt künftig über die literarische ­Qualität? Ja, droht dem Buch ein schleichender Fall in die mediale Bedeutungslosigkeit?

Antworten sollten nicht unnötig kleinlaut ausfallen. Im Auf und Ab der Geschichte hat das Medium Buch schon einiges erlebt, ohne dass die Literatur davon beschädigt worden wäre. Literatur ist mehr als ein Druckerzeugnis. Doch ein guter Text, mit Geschmack ausgewählt, gut lektoriert und sorgfältig ausgestattet, kommt eben erst in Buchform optimal zur Geltung.

Wenn Ammann nun sein Programm einstellt, beendet nicht nur einer der besten Literaturverlage seine Arbeit, es treten auch zwei leidenschaftliche Verlegerpersönlichkeiten zurück, die selbst leidenschaftliche Leser waren – und hinterlassen eine empfindliche Lücke. Hoffentlich nehmen sich andere, jüngere Verleger ein Beispiel an dem Mut der zwei, mit neuen Konzepten nicht einfach nur Bücher verkaufen, sondern anspruchsvolle Literatur unters Volk bringen zu wollen.

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Geschrieben von

Beat Mazenauer

Autor, Literaturkritiker und Netzwerker.

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