Horrorweihnachten

- Weihnachten war bei uns zu Hause ein Kinder- mit zunehmendem Alter ein Albtraum.

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Die Mama hat den ganzen Tag gearbeitet um Abends, völlig gestresst, den Christbaum aufzuputzen, zu kochen und die von ihr gekauften Geschenke zu verpacken.

Der Papa war den ganzen Tag mit mir unterwegs um alte Tanten, Friedhöfe und Wahlonkel zu beweihnachten und danach grantig und missmutig Essen und Geschenke entgegenzunehmen.

Unter dem blöden Baum haben wir, ganz heile Familie, entsetzlich langatmige Weihnachtslieder gesungen.

Meine Kinderweihnachten waren in schönes, warmes Licht getaucht, die Teenagerausgabe war von grauenhaften Kleidungsgeschenken, banalen Gebrauchsgegenständen und stetiger Streiterei begleitet.

Mein Vater hat sich jeglicher Schenkerei sowieso entzogen und somit zur jährlichen Totalenttäuschung meiner Mutter beigetragen, was ich, mit meinen beschränkten Taschengeldmitteln versucht habe Wett zu machen.

Die Mama hat meine, mit Liebe und der Hoffnung auf Freudentaumel überbrachten Gaben mit Märtyrermiene entgegengenommen. Mit einem gepeinigten Lächeln um ihre schmalen Lippen hat sie die Pakete befingert, gegen das Licht gehalten und geschüttelt um deren Inhalt zu identifizieren.

Spätestens an diesem Zeitpunkt ist mein Kinderherz bis in den Keller gesunken, wusste ich doch was danach folgt. War sie nämlich der Meinung zu wissen was es ist, wurde das Geschenk ganz einfach zur Seite gelegt.

Von den restlichen hat sie in Zeitlupe, bedacht das Papier nicht zu beschädigen, das Klebeband entfernt, sich über jeden Millimeter zu viel des selbigen mokiert, ewig an den Knoten des Bandes herumgefummelt, um dann, mit steinernem Gesichtsaudruck, das Geschenk hervorzuziehen. Es gab nicht einmal den Versuch Freude zu zeigen. Alle Jahre wieder knackste meine Seele, das Fest der Liebe war für mich ein Horror.

Im stolzen Alter von 35 habe ich es zu mir verlegt, die Eltern waren nicht begeistert, stimmten aber letztendlich zu. Am Essen haben dann beide herumgemäkelt, für die Mama waren immer zu viele oder die falschen Gewürze drin, dem Papa war es zu hart, zu weich, zu viel Fleisch oder Fisch, zu kalt oder er sagte gar nichts. In mir jedoch war es warm, begann ich doch stets um zehn Uhr morgens mit der regelmäßigen Einnahme von Prosecco. Gegen 17:00 Uhr, wenn die lieben Eltern bei mir eintrudelten, war mein Weltbild schon etwas verschwommen, ich musste mich sehr konzentrieren, das Essen richtig auf den Tisch zu bekommen und nicht zu lallen. Ich strahlte allerdings wie ein Weihnachtsengel und die Geschenke waren mir egal.

Ergänzt wurde meine Freude irgendwann durch die Anwesenheit meiner zwei besten Freundinnen, deren Eltern im Himmel und Lebensgefährten noch in ferner Zukunft weilten.

Nach ein paar Jahren dieser eigenmächtigen Routine haben meine geliebten Eltern ihre destruktiven Verhaltensweisen eingestellt und das Fest der Liebe ist seither harmonisch und angenehm. Meist steuert die Mama die Vorspeise bei und eine meiner Freundinnen den Nachtisch, mein exzessiver Alkoholkonsum konnte wieder auf das übliche Gläschen zum Anstoßen, reduziert werden.

Um die Feierlichkeiten abzurunden lade ich seit fünfzehn Jahren Freunde und sonstige Liebe zu einem Post-Weihnachts-Buffet am 26. Dezember. Es gibt einen ganzen Ferkelschinken, geheime Dipsaucen und andere Schmankerln.

Jung, alt, Hund und Nachbar folgen meinem Ruf, die Party ist meistens sehr lustig und ich bin ein glückliches Christkindl.

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