-osen aller Art

Knochenfotos Endlich habe ich mich entschlossen der Ursache für meine Gelenks- und Muskelschmerzen auf den Grund zu gehen. Lang genug quälen sie mich schon.

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Seit fast zwei Jahren schmerzt es. In Gelenken, Muskeln, beim Aufstehen in der Früh, Bücken vermeide ich, bei großer Hitze sind meine Hände so geschwollen, dass jeder Handgriff zur Qual wird.

Im Gegensatz zu den Rheumaleidenden die ich kenne, rebellieren meine Knochen nicht bei Nässe und kühlen Temperaturen, sondern bei Tropenwetter.

Bei 35 Grad im Schatten mache ich mich auf den Weg zu meinem überaus geschätzten, praktischen Doktor um Klarheit über diese Zustände zu erlangen.

Der Standardbluttest ergibt keinerlei tödliche Erkrankungen, ich muss zum Röntgenologen und in die Rheumaambulanz. Die Rheumaspezialistin findet auch nichts.

Bei kühl-schwülen 17 Grad sommerlicher Außentemperatur strebe ich in langer Hose, Stiefeln und Mantel, mit schlanken Fingerchen einem neu renovierten Durchleuchtungsinstitut entgegen. Im Moment quält das Kreuz, die nächtliche Fensterputzaktion könnte einen Beitrag dazu geleistet haben.

Laut telefonischer Vorabinformation wird die Untersuchung nicht länger als zwanzig Minuten dauern.

Pünktlich um 16.20 Uhr stehe ich an der Rezeption des Röntgenetablissements im Erdgeschoss. Die reizenden Damen nehmen meine Daten auf, übergeben mir ein grünes Mäppchen und schicken mich an eine weitere Rezeption im zweiten Stock.

Um 16:27 Uhr nimmt man mir dort mein Mäppchen aus dem Erdgeschoss wieder ab und schickt mich in den grünen Warteraum, wo ich zirka 25 Minuten meiner Curie Verabredung harre.

Eine junge, blonde Dame bittet mich in Kabine zwei. Ich soll alles, bis auf die Unterhose ausziehen.

Bin ich froh, dass ich Frotteepantöffelchen mithabe, in der Kabine stehen kleine, braune Wasserpfützen von den Schuhen diverser regennasser Vorpatienten. Nach wenigen Minuten werde ich aufgerufen und schreite durch meine Kabinentüre in einen riesigen Raum, in dem drei große, weiße Apparaturen stehen. Die blonde Dame erwartet mich und steckt mir wortlos etwas kleines, sehr kaltes vorne in meinen schwarzen Seidentanga. Ich erschrecke ob der Kälte und der Schwerkraft, die das Ding sofort, beim linken Beinausschnitt auf meine Zehen fallen lässt. Die Blondine gibt ein schnaufendes Geräusch von sich, bückt sich und will es wieder in meine Hose stecken. Ich frage höflich, ob es ein wärmeres Teil gäbe?

Sie verdreht die Augen und wickelt ein Stück Papier um den seltsamen Diskus.

Unwirsch erklärt sie, dass die Platte meine Gebärmutter vor Strahlung schützt. Ich soll mich x-beinig vor eine senkrechte Platte, welche sich in Bauchhöhe befindet stellen und mich daran anlehnen. Uhhh, sehr kalt. Eisfinger schließen sich um meine Taille und beginnen ungeduldig an mir zu zerren. Ohne erklärender Worte ruckelt sie in meiner Nierengegend, wobei ihrer Kehle stetige Ungeduldsgeräusche entsteigen. Ich scheine eine ganz schöne Belastung zu sein!

Die langen Haare der Röntgenassistentin flattern auf meine Brust. Selbst weiblich, nicht haarerotisch oder gleichgeschlechtlich orientiert, finde ich das unangenehm. Während ich versuche alle die Sinneseindrücke von Kälte, Unfreundlichkeit und Haarberührungen zu verarbeiten, rempelt mir die Frau ihren Ellbogen in die rechte Brust, schaut diese empört an und wendet sich ab. Ich bin normal gebaut, meine Oberweite kann nicht als natürliches Hindernis gewertet werden, ich bekomme meine Gefühle nicht mehr geregelt und werde zwischen Demütigung, Wut und Hilflosigkeit hin- und her gerissen, was zu Sprachlosigkeit führt.

Ganz klar erkenne ich plötzlich wie schmutzig der Boden auch hier ist, ich beschließe, meine Frottelatschen gleich nachher in der Garderobe zu entsorgen.

Alle Türen des Raumes stehen offen, es zieht, ständig huschen weiß gekleidete Menschen, grußlos an mir vorbei, von der Blondine kommen jetzt Kommandos.

Beine noch mehr X.

Ein bisschen in die Knie.

Oberkörper mehr andrücken.

Endlich, völlig verkrampft, scheint die Position zu passen, sie verschwindet hinter einer Wand mit kleinem Fensterchen, mein Röntgenapparat macht Geräusche, ich darf normal stehen.

Nun ist es an der Zeit sich auf einen schwarzen Plastikhocker zu setzen. Das Ding hat Abdrücke von anderen Lebewesen, ich bitte um eine Auflage. Meinem Wunsch wird mit einem Seufzen nachgekommen.

Die senkrechte Metallplatte wird in die Waagrechte gebracht, befehlsgemäß lege ich beide Hände darauf. Die Curie-Assistentin nimmt diese und reißt sie ruckartig Richtung anderem Ende der Platte, wo der Knochenfotoapparat schwebt. Die Arme gestreckt, Achselhöhlen auf der Platte, beschwert sich die Dame nun, dass meine „Hände“ kurz sind. Ich erkundige mich, ob sie die Röntgenapparatur denn nicht etwas näher zu mir bewegen könnte? Nein, kann sie nicht.

Heilfroh, dass meine Gelenke nicht mehr so weh tun wie noch vor einigen Tagen, sonst hätte ich eben vor Schmerzen geschrieen, hoffe ich auf ein baldiges Ende dieser Tortur.

Als nächstes möchte die Verrückte, dass ich mich seitlich zu dem Metallmonster setze und meine Ellbogen an dieselbe Stelle bringe, wo zuvor meine Hände waren.

Wie soll das bitte gehen?

Jetzt zerrt sie an meinen Ellbogen!

Mangels Erfolg, meinen Oberarm auf die gewünschte Länge zu bringen, hält sie inne. Ruckartig drückt sie einen Knopf auf der Apparatur und, ohhhh, der Metalltisch senkt sich! Nun befindet er sich in Taillenhöhe, ich kann mich weiter vorbeugen und meine Ellbogen an die richtige Stelle bringen.

Zu guter Letzt habe ich mich auf die Eisplatte zu legen, die Füße werden geröntgt.

Danach darf ich mich anziehen und wenn ich zwanzig Minuten warten möchte, bekäme ich den Befund gleich mit.

Nach 20 Minuten erscheint das blonde Röntgenmonster um mir zu eröffnen, dass sie meine Hüften vergessen hat. Das geht aber ganz schnell, ich soll nur meine Hose ausziehen. Die Tante muss bescheuert sein. Nur die Hose? Ich habe Kreuzschmerzen! Deshalb bin ich hier. Und Stiefel an! In der Miniumkleide ist kaum Platz zum Atmen, geschweige denn, sich rückenlahm der Kleidung zu entledigen! Außerdem habe ich keine Pantoffel mehr und stehe jetzt erst recht im Dreck der Regenrückstände.

Ich könnte heulen. Natürlich schaffe ich es. Nach weiteren zehn Minuten Wartezeit erhalte ich meinen Befund. Es ist 18:10 Uhr. Zwanzig Minuten dauern hier verdammt lang.

Sofort lese ich das Resultat und bin bis in die müden Knochen erschüttert: Abgesehen von der bekannten Skoliose und Lordose gibt es Chondrose, Spondilose und irgendeinen beginnenden Morbus. Ich bin dem Tod geweiht. Wahrscheinlich sitze ich in fünf Jahren im Rollstuhl!

Eigentlich wollte ich zum Japaner ums Eck essen gehen, es wird aber besser sein, nach Hause zu fahren umsofort das Internet zu durchforsten.

Oder noch besser, der über alles geschätzter Arzt hat heute bis 19:00 Uhr Ordination. Das geht sich aus.

Mit ernstem Blick studiert er meinen Befund, während ich ihn mit Fragen ob der Absehbarkeit einer Rollstuhlanschaffung oder möglicherweise tödlichem Knochenschwund bombardiere.

Der Mann blickt mich aus seinen wunderschönen Augen mitfühlend an und drückt Verwunderung über meine Endzeitszenarien aus.

Alles Abnutzungserscheinungen, nicht ganz altersgemäß, in Anbetracht meiner jugendlichen Extremsportaktivitäten und deren begleitender Unfälle jedoch im Rahmen. Meine Schmerzen resultieren mit großer Wahrscheinlichkeit aus Verspannungen durch die allseits präsenten ....osen, Physiotherapie wäre dringend angesagt.

Ich werde nicht in fünf, auch nicht in zwanzig Jahren im Rollstuhl sitzen, vielleicht in 50.

Das geht. Dann bin ich dreiundneunzig.

Bis dahin habe ich Zeit jemanden zu organisieren, der meinen Rollstuhl schiebt!

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