Eine Frage des Ernstnehmens

Medien Die Debatte rund um eine KiKA-Doku hat längst erschreckende Formen angenommen. Das darf nicht dazu führen, dass der Sender seinen sinnvollen Ansatz über Bord wirft

Nun stehen Malvina und Diaa, das deutsch-syrische Protagonisten-Pärchen aus der viel diskutierten Dokumentation "Malvina, Diaa und die Liebe" des Kinderkanals (KiKA), also auch noch unter Polizeischutz. Der rechte Hass, die Drohungen sind zu viel geworden. Es ist der traurige Höhepunkt einer Geschichte, die zeigt, wie schlecht es um gesellschaftliche Debattenkultur bestellt ist und wie leicht solche Diskussionen derzeit von rechts gekapert werden.

Auch wenn diese Tatsache gefühlt täglich auf der Agenda steht – genau über dieses vergiftete Klima kann man sich nun mit jeder Berechtigung echauffieren. Über die persönlichen Konsequenzen für einzelne Personen, die in keinem Verhältnis stehen. Über den rechten Hass. Darüber, wie verroht ein Teil der Menschen in diesem Land sein muss, dass zwei junge Menschen, die den Zuschauern sagen “Schau in meine Welt!” – so der Name der Sendereihe – derart bedroht werden, dass die sich mit der Bitte um Schutz an die Polizei wenden.

Was man jedoch auch diskutieren sollte, sind etwaige Konsequenzen für Kinder- und Jugendmedien. Denn die Idee hinter der Dokumentation ist ja sehr begrüßenswert. Da wagt es ein Spartensender für junge Menschen, sich den zentralen Themen der Zeit zu stellen: Migration und Integration, das Aufeinanderprallen von unterschiedlichen Religionen und Wertvorstellungen. Das ist durchaus kontrovers, wird jedoch durchaus auch abgebildet – ohne erklärende Stimmen aus dem Off. Sowohl die selbstständige Äußerungen als auch deren selbstständige Interpretation zuzulassen, ist mutig und richtig.

Denn ja, Diaa, der syrische Flüchtling, sagt Dinge – etwa über Frauenrechte oder Homosexualität –, die schwer verdaulich sind und der Idee einer offenen, freien Gesellschaft widersprechen. Genauso zeigt die Sendung aber auch den Widerspruch von Malvina, die nicht daran denkt, zum Islam zu konvertieren, und sich selbst als “Emanze” bezeichnet.

Statt “besorgte Bürger” über die Bedrohung der “deutschen Frau” schwadronieren zu lassen, ergreift Malvina selbst das Wort. Und, siehe da, das ist nicht blauäugig, nicht unkritisch, sondern eine eigenständige junge Stimme in einem extrem vielstimmigen Chor.

Auch eine Frage des Ernstnehmens

Genau darum möchte man dem KiKA zurufen, jetzt bloß nicht aufzugeben. Es wäre ein einfacher, bequemer Schritt, angesichts der persönlichen Konsequenzen und der aus dem Ruder gelaufenen öffentlichen Debatte einfach wieder zu leichteren Themen zurückzukehren.

Dabei wird häufig übersehen, dass man gerade Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchaus mehr intellektuelle und diskursive Eigenleistung zugestehen kann als es Zeichentrickfilme oder Sitcoms auf Super-RTL abverlangen. Das ist auch eine Frage des Ernstnehmens. Der KiKA macht das auch mit seinen Kindernachrichten logo! schon gar nicht so schlecht. Umso betrüblicher ist es da, dass das Modell einer Diskussion des Inhalts Dokumentation über Malvina und Diaa mit Jugendlichen, aber auch mit Experten vor dem Film ausgestrahlt und behandelte die kontroversen Themen auch nur am Rande. Online ist sie nun auch nicht mehr zu sehen.

Nicht nur Themen, die Erwachsenen herzlich egal sind

Das zeigt, dass es immer noch Verbesserungsbedarf gibt. In der konkreten Ausgestaltung solcher Formate, aber auch in der journalistischen Genauigkeit. Dass das Alter von Diaa zunächst nicht stimmte, darf nicht passieren – auch, weil das Tür und Tor für rechte Trolle öffnet.

Die Frage indes, ob Filme die Realität verzerrt darstellen, wird immer wieder gestellt werden. Doch das ist normal bei derlei Themen. Dass das nun auch bei einer Sendung des KiKA geschehen ist, ist lediglich ein Zeichen dafür, dass dort nicht nur Dinge abgehandelt werden, die den Erwachsenen herzlich egal sind. Von derlei Themen gibt es mehr – seien es beispielsweise Armut oder sexuelle Belästigung –, hoffentlich werden auch die bald alle erwachsen im Jugendfernsehen verhandelt.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

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