Öde Ode

Stream Über Bastian Schweinsteiger gibt es jetzt einen Film. Er bedient jedes Klischee eines seltsamen Genres
Ausgabe 27/2020
Auch „Libero“ (hier links: Franz Beckenbauer mit Familie) war ein Streifen ohne rechten Anspielpartner
Auch „Libero“ (hier links: Franz Beckenbauer mit Familie) war ein Streifen ohne rechten Anspielpartner

Foto: Fred Joch/Imago Images

Früher, zu Zeiten des Kaisers, war die Welt noch in Ordnung. Als Franz Beckenbauer das Libero-Spiel erfand, Fußballer nebenbei noch als Möbelpacker arbeiteten, auch mal ungeniert einen hoben, weil Vereinsheim und Profifußball einander noch näher waren.

Zugegeben, seither hat sich das ganze Geschäft verändert. Und doch gibt es ein paar Konstanten. Eine ist das Bedürfnis, den fußballernden Helden nah zu sein, zu wissen, wie sie leben, wer sie sind. Eine andere Konstante ist, sich der Sache im Film anzunähern: 1973 erschien Libero, ein pseudodokumentarischer Spielfilm über das Leben von Franz Beckenbauer. „So sieht es aus, das Leben eines gefeierten Fußballspielers“, heißt es im Trailer. Und: „Hat ein Fußballer auch ein Privatleben, oder rennt er immer nur dem runden Leder nach?“ Das sind natürlich elementare Fragen, denen sich Libero auf dem Fußballplatz und der Massageliege, auf dem Golfplatz und in der Wirtschaft widmet. Dort kann ein Wirt, als er den Kaiser erkennt, nur noch hauchen: „Mi leckst am Oasch.“ Was für ein Leben!

Seinerzeit war der Film wohl ein Flop, als „wirr“ und „peinlich“ wurde er in der Zeit bezeichnet. Unter nostalgischen Gesichtspunkten ist das Werk jedoch großartig und überwältigend – besonders angesichts der Fußballwelt der Gegenwart. Die ist zwar glänzender denn je, aber eben überhaupt nicht mehr in Ordnung. Und der Kaiser ist längst ein gefallener Held.

Fußballerfilme gibt es aber noch immer. Und man muss sagen, dass zumindest das Prädikat „peinlich“ auch heute noch adäquat ist. Neuestes Beispiel für dieses verunglückte Genre ist die bei Amazon Prime zu sehende Doku über Bastian Schweinsteiger, die ihm sein Kumpel Til Schweiger geschenkt hat. Schönen Dank auch, denkt man da – und zwar schon beim Titel. Der lautet Schw31ns7eiger Memories – Von Anfang bis Legende. Gut, könnte man meinen, vielleicht bleibt es bei dieser unglückseligen Mischung aus Passwort und Wortspiel. Immerhin gäbe die Figur Schweinsteiger ja einiges her. Der frühe Ruhm im Haifischbecken FC Bayern, die große Niederlage im Champions-League-Finale 2012, das Verhältnis zu seinem Bruder – ebenfalls Profifußballer, wenn auch weniger erfolgreich –, der Körper, der den Leistungssport nicht immer wegstecken kann.

Stattdessen gibt es knapp zwei Stunden Lobhudelei diverser Weggefährten, unterbrochen von Spielszenen oder verwackelten Hobby-Kamera-Aufnahmen aus F-Jugend-Zeiten oder bei Junioren-Skirennen. Denn Skifahren, erfahren wir, konnte der junge Basti auch sehr gut. Tennis spielen kann er übrigens nicht ganz so gut, gegen seine Frau, die ehemalige Tennis-Weltranglistenerste Ana Ivanović, verliert er sogar mit Vorsprung, was ihn, den Kämpfertyp, natürlich ärgert. Aber: Bastian Schweinsteiger ist auch sensibel, wie ihm sein ehemaliger Trainer Jupp Heynckes attestiert, während Uli Hoeneß das Verantwortungsgefühl Schweinsteigers für den FC Bayern lobt, weil er im Champions-League-Finale 2012 zum entscheidenden Elfmeter antritt – auch wenn er ihn verschießt.

Und so sind zwei belanglose Stunden Film herausgekommen. Da darf man natürlich schon fragen, was das soll, und die Antwort liegt im Grunde nahe. In Zeiten, in denen der Fußballer selbst zur Marke wird, mit Modelabels und Social-Media-Accounts, ist der Film das vorläufige i-Tüpfelchen, die Heldenverehrung mit Kalkül. In einem Mannschaftssport ist das durchaus bemerkenswert. Doch am Ende muss eben der Einzelne schauen, wo er bleibt, beziehungsweise seine Marke.

Wenn Hoeneß stinkstiefelt

Schw31ns7eiger ist nur ein weiterer Tiefpunkt. Vergangenes Jahr musste man zunächst sogar ins Kino, um den Film Kroos sehen zu können (das doppelte o wurde auf dem Plakat zu seiner Rückennummer 8, na klar). Auch hier gibt es die obligatorischen verwackelten Filmaufnahmen aus der Jugend, auch hier eine beachtliche Riege mehr oder weniger wohlmeinender Weggefährten, die erzählen, wie viel Bodenhaftung der Toni doch hat. Jupp Heynckes ist auch in diesem Film dabei, ebenso Uli Hoeneß. Der stinkstiefelt allerdings ein bisschen herum, weil Toni Kroos im Champions-League-Finale 2012 – anders als Schweinsteiger – keinen Elfmeter geschossen, sich also aus der Verantwortung gestohlen hat. Kroos’ Berater hingegen sieht darin eine wahrhaft große Entscheidung.

Es ist ein bemerkenswerter Spagat, der in Filmen wie diesen geschafft werden soll. Einerseits die Inszenierung des Besonderen (wahlweise als stilles Genie oder als Leader), andererseits das Porträt eines „ganz normalen Menschen“. Das kann nicht klappen.

Kurioserweise ist gerade das der Moment, in dem Filme wie die über Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos, aber auch die vierteilige Doku-Serie Being Mario Götze aufschlussreich werden. Denn sie zeigen viel Leere. Große Neubauwohnungen, in denen klinische Ordnung herrscht – kein Chaos, die Küchen so, als würde selten darin gekocht. Interviews werden in schicken, aber eben anonymen Hotels geführt, die Büros der Club-Geschäftsstellen sind clean, in fast all diesen Filmen gibt es eine Szene, in der die Protagonisten entweder Türen aufgehalten bekommen oder sie in Autos durch die Gegend gefahren werden – zum Fotoshooting, zum Fundraiser-Event. Die tiefen Unterhaltungen werden auf der Massageliege geführt. Das wirkt sehr einsam – und eben überhaupt nicht normal. Es stimmt fast schon melancholisch. Jedenfalls wünscht man den porträtierten Profis mehr Geborgenheit.

Die Offenheit ist Inszenierung, schon klar. Umgekehrt ist der Wunsch der Spieler, das Private auch weiterhin privat zu halten, verständlich. Am ehesten ist eine gewisse Offenheit noch bei Being Mario Götze gelungen. Kein Zufall, hat hier doch Aljoscha Pause Regie geführt. Er hat mit Tom meets Zizou einen der besten Filme über einen Profifußballer gedreht: Thomas Broich, einst große Nachwuchshoffnung des deutschen Fußballs, der die Erwartungen nie erfüllen konnte – und wollte. Er erzählt darin ehrlich von Zweifeln und Sorgen, davon, allein zu sein – aber auch davon, aus einem Leben auszubrechen, das er nicht führen will.

Im Vergleich dazu wird die absichtliche Oberflächlichkeit der neueren Fußballproduktionen sichtbar. Oder, wie es der Kaiser in Libero – zugegeben, in anderem Kontext – sagt: „Wenn ich so was sehe, möchte ich einfach aufhören.“

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts.

Benjamin Knödler

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