Neo-Realität verfestigt sich

Ukraine Wahlen Die gestrigen Wahlen zum Präsidenten der Ukraine und zum Bürgermeister von Kiew haben die neuen Realitäten des Landes aufgezeigt.

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Die Ukraine ist weder ein Hort des Faschismus, wie in der Russischen Propaganda dargestellt, noch einer der Demokratie, wie im Westen verkauft wird.

Die Ukraine ist nach wie vor, bzw. mehr denn je - gegen den Willen des Maidan - in der Hand der Oligarchen ... eine reine Plutokratie ... Poroschenko (Ex-Janukowitsch-Minister) wie Timoschenko und auch sämtliche neu eingesetzten Governeure kommen aus dem Großkapital: Taruta in Donezk, Bolozkich in Lugansk oder Nemirowsky in Odessa. Diese Gouverneure würden alle keine Wahl überleben, sind aber ernannt von Kiew und unterstützt und getragen von den Nationalisten mit der Nationalgarde als militärischer Schattenmacht.

Es wird sich zeigen, wie demokratisch Poroschenko mit dem Süden und dem Osten umgehen wird. Ob es tatsächlich eine dezentrale Ukraine mit föderaler Autonomie für Süd-Ost geben wird, oder ob er die militärische Eskalation sucht, die Unterdrückung des ost-ukrainischen Protestes, die Zwangs-Ukrainisierung und das Durchdrücken seiner Oligarchen-Kollegen. Es wird sich auch zeigen, ob Süd-Ost bereit sein wird, sich mit weitgehend kultureller und wirtschafticher Unabhängigkeit zu begnügen, wie seinerzeit auf der Krim, sowie den Anschluss an Russland aufzugeben und die Zentralgewalt in Kiew in nationalen Fragen anzuerkennen.

Auf demokratischem Weg kann der Süd-Osten derzeit kaum agieren. Alternative Kandidaten oder gar Programme der pulverisierten Opposition, der Partei der Regionen, für die gesamte Ukraine gab es kaum bis gar nicht. Ein glaubwürdiger, volksnaher Neuanfang liegt noch in weiter Ferne.

In den Teilen der Ostukraine, in denen die Wahl - von Kiew kontrolliert - durchgeführt wurde, war die Beteiligung deshalb gestern auch sehr niedrig. Im Gegensatz zu den westukrainischen Oblasten Lwiw (77,62 Prozent), Ternopol (76,63 Prozent), Iwano-Frankowsk (74,57 Prozent) gingen in Odessa nur 46,01 und Charkow nur 48,69 Prozent zur Wahl, in Donezk (15,03 Prozent), Lugansk (20,88 Prozent) fand diese Wahl praktisch nicht statt. Protest wurde durch Enthaltung ausgedrückt. Selbst in Kiew gingen nur 62% zur Wahl. Wie erwartet hat aber Poroschenko die Macht bekommen, deutlich, und die Unterstützung für den pro-europäischen Kurs ist da - sogar mit ähnlicher Begeisterung wie in RUS zu Beginn der 90er.

Man wird sehen, ob der erneute Marktradikalismus für ein marodes, osteuropäisches Land, für den Poroschenko und der IWF stehen, wieder zur nationalen und sozialen Katastrophe wird, wie in der Ukraine selbst oder in RUS der 90er Jahre. Die Unterstützung für die aktuelle, neoliberale Plutokratie in der Ukraine ist aber wohl deutlich gegeben, bzw der Widerstand gegen die privatkapitalistische oligarchische Willkürherrschaft gebrochen. Der Maidan jedenfalls hat seine sozialen Hoffnungen und Forderungen für die Selbstbestimmung des Landes, gegen Oligarchie und Kleptokratie für die rein "nationale Revolution" gegen Russland erst einmal geopfert und dem Großkapital, der EU und den USA das Schicksal ihres Landes übergeben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

berlino1010

Russland-Versteher in Ausbildung

berlino1010

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