Unfriedlicher Kampf für den Frieden

Montags-Demos Um den richtigen Kampf für den Frieden ist in Deutschland ein heftiger Streit entbrannt. Aktivisten und Gegner verzetteln sich in einen medialen Kleinkrieg.

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Millionen in Opposition

http://www.neue-einheit.com/deutsch/aktuelles/irak/030118washington-anti-war.jpgAnti-Irak Demo, Jan 18 Washington DC - A.N.S.W.E.R. photo

In Deutschland wollen Millionen Menschen nicht, dass RUS, der Westen und die NATO ihren konfrontativen Weg weiter fortsetzen. Wir haben sogar ein 49% zu 46% Patt, derer die die Westbindung Deutschlands zugunsten einer neutraleren Haltung gegenüber RUS aufgeben wollen. Und wahrscheinlich sind auch vieler derer, die die Westbindung nicht aufgeben wollen, gegen eine mögliche militärische Eskaltion, wie sie derzeit von RUS und der NATO betrieben wird. Zudem herrscht grosser Widerspruch zur teilweise sogar scharfen Propaganda scheinbar gleichgeschalteten Mainstream-Medien.

Apathie gesellschaftlicher Organisationen

In dieser Zeit, wo viele Millionen Menschen grosse Ablehnung verspüren und die Internet-Foren stürmen, zeichnen sich die grösseren Parteien, Instititutionen und Organsisationen in Deutschland durch Nichtstun aus.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/68/London_anti-war_protest_banners.jpg/450px-London_anti-war_protest_banners.jpgAnders als beim Irak-Krieg, wo sich in Berlin eine halbe Millionen Menschen zum Protest versammelten, gibt es keine von grösseren Parteien, Gewerkschaften oder Kirchen unterstützten oder gar organisierten Proteste auf der Strasse.

Foto: 2 Millionen Kriegsgegner in London 2002

In diese Lücke sind nun einige mehr oder wenige Seriöse, mehr oder weniger Radikale - das kann ich nicht abschliessend beurteilen - gesprungen und organisierten die sog. Montagsdemonstrationen.

Vergleich zum Protestanlass Ukraine

In der Ost-Ukraine sind rund 2/3 gegen die Sezession, sie tragen aber grosse Ablehnung gegenüber der Politik aus Kiew in sich. Ihr Protest wird aber nur von radikaleren Separatisten geäussert.

Auf dem Maidan gab es Zehntausende, manchmal gar Hunderttausende Demonstranten, die sich zumindest am Ende von einer radikalen Minderheit aus einigen Tausend Gewalttätern und Faschisten haben leiten und diese sogar als ihre Vertreter in die Regierung haben kommen lassen. Diese Faschisten haben wichtige Stellen, gerade bei den Sicherheitskräften besetzt, und bestimmen mit Parteiverboten, versuchter Sprachdiskriminierung, gefälschter Verbrechensaufklärung oder der Verfolgung Oppositioneller allzu sehr die Kiewer Politik.

Das ist für mich zumindest ein Hauptkritikpunkt am Maidan, seiner neuen Regierung und am Westen, der dies duldet und unterstützt, dass eine radikale, faschistische Minderheit die Schwäche der "bürgerlicheren" Opposition ausgenutzt, den Maidan-Protest vereinnahmt und in eine gegenüber dem Osten rassistische Diskriminierung der Russen in der Ukraine verfälscht hat.

Unser Mainstream gibt also in diesem Krieg wichtige Werte auf, rechtfertigt und unterstützt

1) Undemokratische Machtübernahme gegen Verfassung und ohne Wahlen

2) Faschisten in Regierung und Sicherheitskräften

3) Rassistische und diskriminierende Politik gegen Minderheiten

4) Denunziation und Unterdrückung eines Volksprotestes

5) Militärische Gewalt gegen das eigene Volk

Montagsdemonstrationen

Bei den Montagsdemonstrationen nutzen nun anscheinend einige private oder halbinstitutionelle Splitter die Schwäche unserer Instititutionen - (wo bleibt etwa Die Linke?) und treibt einen Strassenprotest gegen militärische Eskalation voran. Natürlich versucht die Mainstream-Propaganda in DEU diesen Protest zu diskreditieren, ähnlich wie Propaganda in RUS den Maidan insgesamt durch die Rolle der Faschisten diskreditierte. Ich kann die Organisatoren und Sprecher dieses Protestes weder persönlich noch ideologisch abschließend bewerten: rechtsradikal oder anti-semitisch ... dazu bedarf es Extra-Betrachtungen.

Aber natürlich muss der Protest, der sich wesentlich gegen die Akzeptanz von Rechtsradikalen in der Ukraine wendet, besonders sensibel mit Rechtsradikalen in den eigenen Reihen umgehen. Aber stattdessen beobachte ich auf Seiten des Deutschen Montags-Protestes eine ähnliche unsinnige, verteidigende Haltung und reflexartige Abwehr wie sie auch unsere Mainstream-Medien zur Verharmlosung der Maidan-Faschisten angewendet hatten:

1) Es liege im Interesse der Gegenseite, den Protest als rechtsradikal zu diffamieren

2) Es gebe mehrheitlich auch Nicht-Radikale (Jebsen: "Rastazöpfe")

3) Es sei in DEU nur der Anfang des Protestes (Ukraine: nur Übergangsregierung)

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Gefahren dieses Montags-Protestes

So sehr ich mir in DEU auch eine starke Opposition und einen starken Protest gegen den politischen und medialen Mainstream in DEU wünsche, so sehr dürfen wir in DEU nicht selbst das wiederholen, was wir am Maidan kritisieren:

* die Radikalisierung des Protestes

* die Relativierung europäischer Demokratie- und Friedenswerte zugunsten einer angeblich höher zu bewertenden Zielsetzung

* den taktischen Zusammenschluss mit wertefeindlichen Kräften

Nur weil Radikale (Rechte) in DEU sich ebenfalls mit bestimmenden Zielen des Protestes solidarisieren, darf man ihren Einfluss - wie auf dem Maidan - nicht unterschätzen, kleinreden. Dass auf dem Maidan AUCH Faschisten mit demonstriert hatten, war kein Grund, den Protest insgesamt zu diskreditieren. Genausowenig wie es die Montagsdemonstrationen nicht diskreditiert, wenn Rechtsradikale darunter sind. ABER wenn es tatsächlich Rechtsradikale, Verschwörungstheoretiker, Anti-Semiten sind, die den Protest maßgeblich organisieren und bestimmen, dann ergeben sich selbstverständlich Gefahren, die den Protest insgesamt in Verruf bringen und verfälschen können.

1) Organisatoren wählen die Sprecher aus.

2) Unter die bestimmenden gemeinsamen Ziele werden radikale Botschaften und exotische Weltanalysen gemischt.

3) Der Protest wird durch Radikale verfremdet, verfälscht und vereinnahmt.

4) Er verliert seine Glaubwürdigkeit, Wahrhaftigkeit und innere Kraft.

5) Der Protest radikalisiert im Interesse Radikaler, er verlässt den gesellschaftlichen Werte-Konsens

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Der Konsens eines konstruktiven Protestes liegt in den gemeinsamen Zielen, Deeskalation, Demilitarisierung und ausgewogener Medien-Berichterstattung. Ohne die Rolle Rechts-Radikaler zu beleuchten, reichen mir schon die Reden Ken Jebsens, der diese gemeinsamen Ziele nutzt, um seine radikalen Botschaften unter das Volk zu bringen. So thematisiert er offen seine Wahlverweigerung, keine Partei sei für ihn wählbar. In einer Demokratie ist diese Position ja durchaus akzeptabel. Aber was hat sie auf einer Montagsdemonstration für Frieden zu suchen? Es mag ja durchaus Unklarheiten bei 9/11 geben, die es wert sind, untersucht zu werden. Aber was haben diese auf einer Montagsdemonstration für Frieden zu suchen? Und bei aller berechtigten Kritik am Vorgehen des Westens, der NATO und vor allem auch der USA, kann der Protest sich nur glaubhaft gegen das mediale und politische RUS-Bashing wehren, wenn er die Problematik im Handeln aller Konflikt-Parteien anprangert, und nicht selbst in ein einseitigen Anti-Amerikanismus verfällt.

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Es mag durchaus sinnvoll sein, die Interessen des Finanzkapitals an einer Eskalation zu beleuchten. Auf einer Montagsdemonstration für Frieden haben FED-Verschwörungstheorien keine Chance auf gesellschaftlichen Konsens. Sie wirken abschreckend und grenzen aus.

„Woran liegen alle Kriege in der Geschichte in den letzten 100 Jahren? Und was ist die Ursache von allem? Und wenn man das halt alles ‘n bisschen auseinander klabüsert und guckt genau hin, dann erkennt man im Endeffekt, dass die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, das ist eine Privatbank, dass sie seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht.“

- lars maehrholz (Mit-Initiator der Montags-Demos)

Alternativen des Montags-Protest

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Ostermarsch 1960 von Hamburg nach Bergen-Hohne

Wenn die Montagsdemonstrationen für Frieden ihre gemeinsamen Ziele von Deeskalation, Demilitarisierung und ausgewogener Medien-Berichterstattung glaubhaft und erfolgreich verfolgen wollen, dann sollten sie sich vor allem auf Organisatoren und Redner stützen, die diese Ziele verkörpern und die nicht noch eigennützig zusätzliche Botschaften und Absichten verfolgen. Sie sollte mit Kritik aufwarten, die an alle Konfliktparteien gerichtet ist und selbst keine einseitige Propaganda betreiben, die die Mehrheitsfähigkeit und den Erfolg der Bewegung von vornherein ausschließt. Ohne die grossen Parteien und gsellschaftlichen Institutionen wie Kirche oder Gewerkschaften startet der Montags-Protest ohnehin schon mit einem Handicap. Die Millionen Menschen in DEU, die sich in Opposition zum medialen und politischen Mainstream befinden, tun sich ohnehin schon schwer damit, aktiv zu werden. In der Mehrheit lehnen sie wohl das Verhalten aller Konflikt-Parteien ab: die Gewalt und den Faschismus auf dem Maidan und in seiner Regierung, die einseitige Einmischung des Westens, die gewalttätige Unterdrückung des Protestes in der Ost-Ukraine, aber auch die millitärische Aggression RUS auf der Krim, die Verletzung der Selbstbestimmung der Ukraine.

Wenn der Maidan sich nicht seine Ziele der Korruptionsbefreiung, Demokratisiserung und Westöffnung durch Radikale hätte verfälschen und in Neu-Korruption, Neu-Oligarchie, Westhörigkeit und Russen-Diskriminierung umwandeln lassen, dann hätte er wohl auch ohne Unterdrückung, ohne diktatorische Gewalt und ohne propagandistische Lügen Erfolg gehabt. Durch die Unterwanderung von radikalen und einseitigen Interessen hat sich der Maidan-Protest zumindest moralisch kaputt machen lassen. Und muss jetzt durch Lügen und Propaganda krampfhaft gerechtfertigt werden.

Der Montags-Protest in DEU sollte sehr darauf achten, das ihm nicht dasselbe Schicksal wiederfährt. Statt radikalen Kapitalismus-Kritikern, Verschwörungs-Theoretikern, Deutschnationalen, Anti-Amerikanern oder UFO-Gläubigen die Bühne aufbauen und besetzen zu lassen, müssen Organisatoren und Sprecher ran, die zumindest Montags nichts anderes wollen und äussern, als den Wunsch zur Deeskalation, Demilitarisierung und ausgewogener Medien-Berichterstattung.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/4f/Peace_symbol.svg/512px-Peace_symbol.svg.pngDer Protest braucht eine organisatorische und inhaltliche Basis, die es schafft, Jutta Dittfurth, Ken Jebsen, Gregor Gysi, Erhard Eppler, jeden Mainstream-Oppositionellen gemeinsam für eine Teilnahme zu gewinnen. Eine ganz breiten bürgerlichen, keinen radikal revolutionären gemeinsamen Nenner. Wer den radikalen Weg betreibt, hat kein wirkliches Interesse an Deeskalation, Demilitarisierung und ausgewogener Medien-Berichterstattung, sondern eigene.

Es muss doch möglich sein, aus den Millionen in Opposition gegen den medialen und politischen Mainstream eine glaubhaften, breiten Protest aufzubauen, der die ganze Diskussion um rechte Steuerung und Beeinflussung obsolet macht?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

berlino1010

Russland-Versteher in Ausbildung

berlino1010

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