Diskussionen um Nord-Osterweiterung der NATO

Finnland Eine Osterweiterung der NATO wäre nicht nur durch die Aufnahme der Ukraine möglich. Auch Finnland ist nicht Mitglied im Bündnis – um eine mögliche Änderung gibt es Äußerungen finnischer Politiker und Sorgen russischer Experten.

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Als Mitte Dezember das Russische Außenministerium gegenüber der NATO Sicherheitsgarantien über eine Nichtausweitung nach Osten vorschlug, dachten bei diesem Thema viele politische Beobachter nur an die Ukraine. Gleiches gilt für die von den gewünschten Garantien umfasste Nichtaufstellung von NATO-Truppen direkt hinter der russischen Grenze.

Doch ein zweiter Staat wäre von einer solchen Garantie direkt betroffen und stellt sich gegen eine solche: Finnland. Der nördliche Nachbarstaat Russlands verfolgte zur Sowjetzeit eine strikte Neutralitätspolitik. Nach dem Ende der UdSSR weichte es diese Position auf und arbeitet seit 1994 als Nichtmitglied mit der NATO im Rahmen des Programms „Partnerschaft für den Frieden“ zusammen. Es beteiligt sich seitdem im nichtmilitärischen Bereich an NATO-Manövern in der Ostsee.

Lange Tradition strikter Neutralität wurde aufgeweicht

Eine Vollmitgliedschaft des Landes im Militärbündnis war danach nie fest geplant, schwebte aber immer in politischen Diskussionen in der Luft: Von finnischer Seite als Möglichkeit, die man nicht ausschließen möchte, von russischer Seite als zusätzliche Bedrohung an der eigenen Westgrenze. Putin warnte erst bei einem Finnlandbesuch 2017 davor, dass Russland an der gemeinsamen Grenze Truppen stationieren müsste, würde Finnland der NATO beitreten. Das Russische Außenministerium bezeichnete kurz darauf die Neutralität Finnlands als wichtigen Faktor für die Sicherheit in Nordeuropa.

Ganz anders sieht das die NATO. Generalsekretär Stoltenberg bezeichnete erst in diesem Oktober eine enge Zusammenarbeit zwischen seinem Bündnis, Schweden und Finnland als Beitrag zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Frieden in der Region. Wie so oft widersprechen sich auch in Skandinavien die Sicherheitsinteressen des US-geführten Bündnisses und Russlands diametral.

In der Bevölkerung unbeliebt, in der Politik diskutiert

Beide Seiten beobachten jetzt genau das Verhalten der zwischen den beiden stehenden Finnen. In der dortigen Bevölkerung ist eine NATO-Mitgliedschaft nicht sonderlich beliebt. Das deutschen Handelsblatt berichtete 2018, dass nur 17 % der Finnen eine NATO-Mitgliedschaft befürworten, auch eine engere Kooperation mit dem transatlantischen Bündnis habe keine Mehrheit.

Doch entscheidend ist bei einem möglichen Bündnisbeitritt vor allem, was die finnische Politik denkt und die hält sich insbesondere seit Putins Garantievorstoß im Dezember die Möglichkeit eines NATO-Beitritts betont offen. Der finnische Präsident Niinistö erklärte nach der russischen Forderung in seiner Neujahrsansprache, diese seien mit dem Grundsatz der Gleichheit der Staaten unvereinbar.

Schon einen Tag später legte seine Premieministerin Sanna Marin nach. Dem TV-Sender Yle teilte sie mit, dass sich Finnland ausdrücklich die Möglichkeit einer NATO-Mitgliedschaft vorbehält und erntete damit eine umfangreiche Berichterstattung in fast allen wichtigen russischen Tageszeitungen. Marin kündigte an, dass Finnland seine Verteidigungszusammenarbeit vor allem mit der EU intensivieren würde.

Finnland im Sog der Polarisierung?

Hier stellt sich die Frage, ob die finnische Politik in den Sog der Polarisierung durch zunehmende Spannungen zwischen Russland und dem Westen geraten ist. Dafür spricht auch der Kauf von 64 US-amerikanischen Jagdbomber vom Typ F-35 in den USA. Russische Experten beurteilen die finnische Haltung uneinheitlich. Nikolai Meschewitsch von der Russischen Gesellschaft für Baltische Studien bezeichnete gegenüber der Onlinezeitung gazeta.ru den Ton der finnischen Äußerungen als unangemessen und schon die Jagdbomber, die mit Atomwaffen bestückt werden können, als Bedrohung Russlands. Ein NATO-Beitritt der Finnen sei eine Bedrohung St. Petersburgs und müsse zu einer russischen Aufrüstung im Norden führen.

Entspannter sieht der Programmdirektor des Russischen Rates für Auswärtige Beziehungen Iwan Timofejew die Lage in einem Interview mit RIA Novosti. Er glaubt, es bestehen auch in der finnischen Politik keine Beitrittsabsichten zur NATO. Nur eine Minderheit in Finnland unterstütze solche Absichten und ein echter Bedarf für eine Mitgliedschaft des Landes im Militärbündnis bestünde ebenfalls nicht.

Aufgrund von Äußerungen von NATO-Generalsekretär Stoltenberg ist ein Eingehen des Militärpakts auf die von Russlands geforderten Sicherheitsgarantien praktisch ausgeschlossen. So wird sich von Russland aus noch viel Aufmerksamkeit auf jede Äußerung der finnischen Politik richten, wie man sich im angespannten Verhältnis zwischen der NATO und Russland verhalten will.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Bernhard Gulka

Politischer Osteuropablogger

https://berndgulka.wordpress.com

Bernhard Gulka

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