Gegenseitige Unterstellungen sind im Donbasskonflikt an der Tagesordnung. Die russische Invasion auf Seiten des Westens, die vom Westen unterstütze Militäraktion auf Seiten Russlands. Dabei fühlen sich alle Beteiligten im Recht und legen Wert darauf, dass sie selbst nur defensiv tätig sind. Schlimm ist dabei, dass 2022 durchaus ein militärisches Eskalationsszenario möglich ist, bei dem wiederum beide Seiten sich weiter im Recht fühlen können, aber dennoch viele Menschen danach tot sein werden.
So betrachtet es Kiew als sein Recht, die abtrünnigen und von Russland unterstützten Rebellengebiete auch mit militärischen Mitteln wieder unter die Kontrolle der ukrainischen Regierung zu bekommen. Russland wiederum betrachtet es als sein Recht, im Falle einer solchen ukrainischen Militäroffensive die Rebellen im Nachbarland zu unterstützen. Dies stellte gerade in einem Interview mit der Onlinezeitung lenta.ru das Russische Föderationsratsmitglied Sergej Zekow fest. Auch Putins Äußerungen angesprochen auf die Ukraine, man habe das Recht, die eigene Sicherheit zu verteidigen, sind so zu verstehen. Er unterstellte bei seiner Jahrenpressekonferenz eine bereits geplante Ukrainische Offensive.
Verdecktes Anwerben von Donbass-Söldnern in Russland
Wie eine russische Unterstützung aktuell aussieht, falls sie in diesem Format ausreicht, hat die lettische Onlinezeitung Meduza recherchiert. Aktuell gäbe es nach Informationen der Zeitung unter Ex-Militärs in Russland die aktivste Anwerbekampagne für Donbass-Söldner seit 2014. Durchgeführt würden sie von Personen, die zum Teil dem Verteidigungsministerium nahe stünden. Klar kommunizierten die Anwerber, dass die Kämpfer in „Richtung der Ukraine“ benötigt würden.
Wären Eroberungsversuche der Rebellengebiete mit solchen Kräften, die ja offiziell nicht für Russland kämpfen, nicht abwendbar, wäre die nächste Eskalationsstufe ein direktes Eingreifen russischer Militäreinheiten. Nicht zuletzt deshalb sind davon sehr viele nahe der ukrainischen Grenze versammelt. Spätestens dann wäre der Moment da, wo der Westen sich im Recht sähe, massiv auf ukrainischer Seite einzugreifen, sei es mit Waffenhilfe oder harten Sanktionen gegen Russland. Eskalation total - und alle haben gefühlt das Recht weiter auf ihrer Seite.
Kiewer Pläne für Rebellen unannehmbar
Dass ein solches Szenario dauerhaft in der Luft liegt, liegt an der brenzligen Situation vor Ort und den miteinander unvereinbaren Vorstellungen der Kontrahenten über eine Konfliktlösung. Alleine am 22. Dezember registrierten die OSZE-Beobachter vor Ort 564 Verstöße gegen eine Waffenruhe. Ein neuer Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Selenski gleich laut der Zeitung Nesawisimaja Gaseta früheren Vorschlägen aus Kiew und sähe zuerst eine Abrüstung der Rebellenkräfte und Übernahme der militärischen Kontrolle durch die Regierung vor, dann erst politische Schritte.
Für die Rebellen ist diese Reihenfolge unannehmbar, müsste man sich doch zuerst in die Hände des Gegners begeben und dann darauf vertrauen, dass dieser die übrigen Vereinbarungen umsetzt. Dementsprechend beharrt Moskau als Schutzmacht der Rebellen auf einer Umsetzung der Minsker Vereinbarung, aus denen die Punkte des Kiewer Plans entlehnt sind, in der ursprünglichen Reihenfolge des Planes aus Minsk. Das wäre zuerst eine Amnestie für die Separatisten und ein Sonderstatus der Rebellengebiete.
So sehen zwar alle Konfliktparteien die Minsker Übereinkunft als Grundlage für einen Friedensprozess - vorwärts kommt dieser trotz Vorschlägen und Gegenvorschlägen seit Jahren nicht. Ob stattdessen bald wieder massiver die Waffen sprechen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Den Opfern wird es dabei nichts nützen, wenn sich dann wieder auf beiden Seiten moralisch überlegene bekriegen, die nach eigener Ansicht alle nur defensiv handeln.
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