Russland-USA: Die neue Kubakrise?

Neuer Kalter Krieg Trotz Verhandlungen auf höchster Ebene erscheint das Verhältnis zwischen den USA und Russland aktuell so angespannt, wie schon lange nicht mehr. Ein historischer Vergleich zum Kalten Krieg der 60er Jahre wird in Moskau häufiger gezogen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Russland und den USA erscheinen vor allem beim Brennpunktthema Ukraine unüberwindbar. Die USA will sich eine NATO-Aufnahme der Ukraine nicht verbieten lassen. Reuters berichtet unter Berufung auf einen hohen US-Beamten, eine solche Aufnahme gehe einen Drittstaat nichts an und sei eine souveräne Entscheidung von NATO und Ukraine.

Russland vertritt die genau umgekehrte Position und verlangt vom Westen Sicherheitsgarantien und eine Nichtaufnahme der Ukraine in die NATO. Auch diese Position ist verständlich, würde sie doch die Bedrohungspotential des westlichen Militärbündnissen in zahlreichen Gegenden direkt an die russische Grenze verlagern. Waffen der NATO wären in den Ukraine auf Russland gerichtet.

Kein Entgegenkommen und ernstes Klima

Trotz Gesprächen zwischen Putin und Biden weicht keine Seite auch nur einen Millimeter von ihrer Position ab, Mehr noch: Gerade beim Thema Ukraine gehen Aufrufe zur Deeskalation stets nur in die Richtung des Gegners, ein Bewusstsein für das eigene Bedrohungspotential für der Gegenseite besteht weder in Washington noch in Moskau. Gleiches gilt für Vorwürfe wie die von durch den Westen behaupteten russischen Invasionsplänen und ebenso von Russland behaupteten ukrainischen Militäroffensiven im Donbass.

Der Ton bei den Verhandlungen zwischen Putin und Biden ist dementsprechend ernst und angespannt. Der russische Präsidentenberater Juri Uschakow berichtete laut der Moskauer Nesawisimaja Gaseta von hinter den Kulissen, Putin hätte Biden gesagt, die Verhandlungen dürften „nicht zu Geschwätz verkommen“ und Moskau erwarte zügig konkrete Ergebnisse.

Dass militärpolitische Entscheidungen souveräner Staaten sehr wohl auf Dritte bedrohlich wirken können, zeigte gerade in der US-russischen Geschichte das Beispiel der Kubakrise, als Kuba sowjetische Atomraketen auf seiner Insel stationieren wollte und die Welt dadurch an den Rand eines Dritten Weltkriegs geriet. Aus nachvollziehbaren Gründen fühlten sich die USA durch die potentiell auf sie gerichteten Waffen bedroht.

Der Kubakrisenvergleich fällt in Russland nun häufiger

Der Vergleich der aktuellen Situation mit der Kubakrise liegt nicht nur in der Luft, sondern wird in Russland in zahlreichen Veröffentlichungen bereits gezogen. So vom besagten Putinberater Juri Uschakow. Dieser setzte gegenüber RIA Nowosti die US-amerikanische Bedrohtheit durch sowjetisches Arsenal vor der Haustür in den 60er Jahren mit der russischen Bedrohtheit bei einem NATO-Beitritt aktuell.

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Interfax wollte der russische Außenpolitiker Kosachev noch nicht ganz so weit gehen, als er auf die Parallelen zur Kubakrise angesprochen wurde. Von einer „Kubakrise 2“ wollte er auf Nachfrage noch nicht reden. Bei den internationalen Spannungen sieht jedoch auch er die aktuellen Ereignisse in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg „nach der Kubakrise auf dem zweiten Platz“. Auch der bekannte russische außenpolitische Fachjournalist Fedor Lukyanov spricht gegenüber der Zeitung Kommersant von einer Rückkehr des Kalten Krieges und zieht Vergleiche zur Kubakrise und zum Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Auch optimistischere Fachleute sehen die Lage ernst

Selbst sonst optimistische russische Fachleute wie Andrej Kortunow vom Russischen Rat für Internationale Beziehungen sehen die aktuelle Lage zwischen den beiden Staaten als sehr ernst. Auch 2022 wird das Verhältnis von Rivalität geprägt werden. Nach seiner Ansicht müsse der aktuelle diplomatische Krieg im neuen Jahr unbedingt beendet werden und die diplomatischen Vertretungen in beiden Staaten ihre normale Arbeit wiederaufnehmen.

Bei den USA sieht Kortunow in einer weiteren Analyse auch einen Handlungsbedarf in anderer Richtung. Amerika brauche dringend eine umfassende Modernisierung seiner Infrastruktur, seines extrem defizitären Staatshaushalts und seines Bildungs- und Gesundheitssystems. Stattdessen fixiere es sich auf die strategischen Gegner China und Russland, für den Experten keine moderne außenpolitische Strategie. Intelligente Außenpolitik müsse sich dagegen auf die Lösung von Problemen konzentrieren.

Immerhin sieht Kortunow auf beiden Seiten noch den Willen, einen Dialog auf politischer Ebene auch über militärische Themen fortzuführen. Wichtig sei dabei auch der Kontakt zwischen den Militärs auf der unteren Ebene. Kortunow weiß, dass so manche militärische Auseinandersetzung nicht durch Planungen der Politik sondern durch Missverständnisse vor Ort ausgelöst wurde, die dann den Falken beider Seiten die Möglichkeit gibt, Öl ins Feuer eines beginnenden Konflikts zu schütten.

Analogien sind wegen Säbelgerassel passend

Wegen des ständigen Säbelgerassels von beiden Seiten - die russischen Militärmanöver an der ukrainischen Grenze sollen hier nicht unterschlagen werden - drängt sich die Analogie zu gefährlichen Krisen düsterer Zeiten weiter auf und wird weiter im Gespräch bleiben.

Es bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Krise dann auch wie die um Kuba glücklich endet und einige Jahrzehnte später doch zu einer echten Entspannungspolitik zurückgekehrt wird. Und dass nicht der Vorabend des Ersten Weltkriegs die passende Analogie zur aktuellen Situation ist - aus eben jenen Weltkriegen sollten alle Beteiligten ja gelernt haben, dass Kriege nur Leid und Zerstörung bringen und weder einen Fortschritt bei der Demokratie noch der nationalen Souveränität.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Bernhard Gulka

Politischer Osteuropablogger

https://berndgulka.wordpress.com

Bernhard Gulka

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden