Konsequenzen nach der Ära Wulff sind dringend notwendig

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Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft hat es in der Bundesrepublik schon immer gegeben. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller war sowohl vor als auch nach seiner politischen Tätigkeit ein hochdotierter und erfolgreicher Manager. Er kam bereits bestens vernetzt in sein Amt als Ressortchef. Das war sogar gut, hatte Müller doch nicht die immer wieder viel beschriebene Ochsentour durch die Niederungen einer Partei hinter sich, die die Biographie so vieler Berufspolitiker auszeichnet. Er kam als ein in der Wirtschaft bewährter Mann, der ausserhalb der Politik hoch angesehen war. Dadurch war er auch nicht abhängig von seiner politschen Funktion und musste keine Rücksicht auf irgendwelche Parteiinteressen nehmen. Er konnte freier und unabhängiger agieren und ging nach einer Legislaturperiode wieder in die Wirtschaft zurück.

Anders liegt der Fall bei vielen Berufspolitikern, die auch persönlich abhängig sind von ihren finanziellen Einnahmen, die die Privilegien und Vergünstigungen immer mehr wie die Luft zum Leben brauchen und dabei ihr Rückgrat verlieren, weil sie sich an die Macht klammern. Sie werden aufgrund ihrer Verdienste für die Partei nach einer Abwahl irgendwo in einer Stiftung, im parteieigenen Apparat oder in der Partei nahe stehenden Organisationen untergebracht. Ein Leben ohne Politik ist aber für viele langjährige Parteisoldaten überhaupt nicht mehr möglich.

Christian Wulff nun hat beides in einer unerträglichen Weise vermischt. Er nahm alles mit, was er, auch aufgrund seiner politischen Funktionen, bekommen konnte, ungeniert und raffgierig. Die Grenze zwischen einer durch eine Wahl erlangten privilegierten Stellung als hochrangiger Politiker und dem privaten Menschen Wulff, der natürlich seine Freunde selber aussuchen darf, verschwamm immer mehr. Da mal ein wenig Geld des niedersächsischen Steuerzahlers für eine Filmfirma, dort mal ein staatliches Sponsoring für eine privat organisierte Veranstaltung, und im Gegenzug der Aufenthalt bei reichen Freunden, es herrschte das Prinzip des Gebens und Nehmens. Moral war für Wulff, der aus einfachen Verhältnissen kam, immer mehr ein Fremdwort, er handelte nach dem Motto, ich darf das, weil ich bin Wulff.

Noch nie war die Verquickung der Politik mit der Wirtschaft so offensichtlich, wie Wulff sie uns vorgeführt hat. Von Peer Steinbrück wissen wir, dass er viel mehr Geld durch Vorträge und Beratertätigkeiten verdient als als Mitglied des Deutschen Bundestages. Wie viel, das legt Steinbrück nicht offen. Doch er bleibt bei seinen Unternehmungen immer der Geschäftsmann, der früher mal ein Spitzenpolitiker war und sein Wissen und seine Kontakte heute für sich einsetzt. Eine Verquickung privater Interessen mit politischer exekutiver Macht ist Steinbrück dagegen nie nachgewiesen worden.

Wulffs Rücktritt war überfällig, nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch, weil ein Politiker wie er, der jegliche moralischen Grundsätze verloren hat, nie wieder ein politisches oder wirtschaftliches Spitzenamt bekleiden sollte.

Als Lehre aus dem Fall Wulff bleibt, dass die moralischen Normen für diejenigen , die durch Wahlen legitimiert, uns als Souverän für eine bestimmte Zeit regieren sollen, dringend neu definiert werden müssen. Und vielleicht sollten wir als Souverän mehr darüber nachdenken, wen wir wie lange in politischen Ämtern sehen wollen.

Eine Direktwahl des Bundespräsidenten und eine Begrenzung der Amtszeit für Politiker in exekutiven Staatsämtern wie Minister, Regierungschefs und auch Kanzler ist dringend erforderlich. Verknüpft werden sollte dies mit der Möglichkeit einer Abwahl durch das Volk, wobei hier die Hürden schon sehr hoch angesetzt sein müssen.

Der Fall Wulff hat jedenfalls gezeigt, wie moralisch verkommen selbst der höchste Repräsentant des Bundesrepublik sein und wie lange er trotzdem in seinem Amt bleiben kann.

Ohne den Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover wäre Wulff heute nicht zurückgetreten, dies hat ihn erst so in die Defensive gedrängt, dass er aufgeben musste.

Und dass es Staatsanwälte gibt, die auch gegen den höchsten politischen Repräsentanten Deutschlands ermitteln wollen und öffentlich die Aufhebung seiner Immunität fordern, ist nun wiederum die gute Nachricht. Sie zeigt, dass zumindest in diesem Fall unsere Justiz immer noch unabhängig ist.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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