Moskaus Eigeninteressen am Syrien-Bündnis

Enge Freundschaft? Russland verändert seine Rhetorik gegenüber dem Assad-Regime. Zuvor hatte Moskau seinen Partner stets gegen Interventionsversuche des Westens verteidigt. Warum?

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Als einer der wichtigsten Protagonisten zur Lösung des Syrien-Konflikts hat Moskau sich erstmals kritisch gegenüber Assad gezeigt und ihn um Handeln aufgefordert. Für Russland ist jedoch klar, das es keine Alternative zur friedlichen Lösung des Syrien-Konflikts gebe. "Wir fordern die syrische Führung auf, die Chemiewaffen nicht nur unter internationale Kontrolle zu stellen, sondern auch später zu vernichten", so der russische Außenminister Sergej Lawrow. Durch einen US-amerikanischen Angriff wäre auch das Leben russischer Staatsangehöriger in dem Bürgerkriegsland gefährdet. Zehntausende Russen leben in Syrien, vor allem durch den wirtschaftlichen Austausch zwischen den beiden Ländern seit Sowjetzeiten.

Das syrisch-russische Bündnis gründet sich auf eine jahrzehntelange wirtschaftliche und militärische Kooperation, die bis in die Zeit des Kalten Krieges zurückreicht. Der russische Stützpunkt in der syrischen Hafenstadt Tartus ist momentan die einzige Militärbasis Russlands außerhalb des postsowjetischen Raums. Die Wichtigkeit dieser Basis zeigte sich bereits 1972, nachdem der ägyptische Staatspräsident Anwar as-Sadat nach Konflikten mit den Sowjets die Schließung der drei sowjetischen Marinestützpunkte in Ägypten erzwang. Die damalige Verlegung der sowjetischen Marine nach Tartus und ihr Fortbestand nach dem Fall der Sowjetunion vergrößerte ihre geostrategische Bedeutung. Seit 2009 betreibt Moskau einen deutlichen Ausbau der Basis, so wurde der Schiffsanleger modernisiert und das Hafenbecken vertieft um Kreuzer oder Flugzeugträger aufnehmen zu können. Russlands Präsident Wladimir Putin möchte die ständige Präsenz der russischen Kriegsmarine im Mittelmeer wiederherstellen. „Das ist eine strategisch wichtige Region. Wir haben dort eigene Interessen, die mit der Gewährleistung der nationalen Sicherheit Russlands verbunden sind“, so Putin Anfang Juni in Moskau. Die neue russische Mittelmeerflotte soll allerdings erst 2014 oder 2015 einsatzbereit sein.

Bereits 2012 warnte der Oberkommandierende der Russischen Seekriegsflotte Tschirkow den Kreml vor einem Kriegsausbruch in der Nahostregion. Sollte sich dort ein Krieg mit dem Iran oder Syrien als regionaler Konflikt ausweiten, wäre die russische Kriegsmarine nicht darauf vorbereitet, die russischen Interessen im Iran oder in Syrien zu verteidigen, weil es an angemessenen Marinestützpunkten fehle. Ein Krieg würde zudem den russischen Einfluss in der Nahostregion eher verringern als stärken.

Die heutigen materiellen Interessen Russlands in Syrien sind geringer als weithin angenommen. Seit Jahrzehnten betreibt Moskau Rüstungsexporte an das Assad-Regime, ein Großteil der Bewaffnung des syrischen Militärs stammt aus Russland. Jedoch ist die Rentabilität fraglich, milliardenschwere Schulden aus der Sowjetzeit wurden Syrien komplett erlassen, neue Waffenlieferungen gegen die Gebühren für die russische Marinebasis im syrischen Tartus aufgerechnet. Eine Rückzahlung der Kredite, die Russland dem Assad-Regime seit Ausbruch des Bürgerkriegs gewährte, ist nicht absehbar.

Viel schwerer für Moskaus Haltung wiegen die Lehren aus der Libyen-Intervention des Westens und des steigenden Einflusses islamistischer Gruppierungen in Konfliktgebieten im Nahen Osten.

Als Mitglied im UN-Sicherheitsrat mit Vetorecht enthielt sich Russland bei der Libyen-Abstimmung und ermöglichte so eine UN-Resolution zur Schaffung einer Flugverbotszone über Libyen. Aus russischer Sicht nutzte der Westen das schwammig verfasste UN-Mandat dazu, einen Regimewechsel in Libyen herbeizuführen. Den Bombenabwürfen und Raketenangriffen der NATO zur Zerschlagung des Gaddafi-Regimes, fielen auch libysche Zivilisten zum Opfer. Für Moskau war der Sturz Gaddafis durch den Westen überraschend und unerfreulich. Unter keinen Umständen möchte Russland nun einen weiteren Regimewechsel durch kriegerische Interventionen seitens westlicher Staaten erleben.

Auch innenpolitische Stabilität steht für Moskau auf dem Spiel. Im Falle einer Islamisierung Syriens kann mit einer Stärkung islamistischer Gruppierungen im Nordkaukasus gerechnet werden.

Langsam entgleitet die Region der Kontrolle russischer Sicherheitskräfte. Radikale islamische Gruppen finden vor allem unter den jungen Kaukasiern Zehntausende Anhänger, teils ziehen diese in den Krieg nach Syrien.

Das Misstrauen gegenüber den geostrategischen Interessen der USA spielt für Russland ebenfalls eine große Rolle. Nach dem NATO-Einsatz in Libyen und dem drohenden Krieg gegen Syrien drängt sich die Befürchtung auf, der Iran sollte durch die Beseitigung Assads um seinen letzten Verbündeten in der arabischen Welt beraubt werden. Krieg mit dem Iran wäre dann das letzte Glied in der Kette westlicher Militärinterventionen, mit all seinen verheerenden Konsequenzen. Russland möchte eine Intervention des Westens in Syrien somit tunlichst vermeiden.

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