Genmais - eine Verantwortungslosigkeit

Europa, Deutschland: Ob der Genmais 1507 eine Zulassung bekommt, entscheidet nach einem Patt nun die EU-Kommission.. Hat sich Angela Merkel mit der Stimmenthaltung verkalkuliert?

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Sonderbare Zukunftsgestaltung

«Deutschlands Zukunft gestalten», so lautet der Titel des Koalitionsvertrages 1 der jetzigen Bundesregierung. Wenn ich mich nicht täusche, mutiert dieser Vertrag mehr und mehr zur Makulatur, zu einer Ansammlung von Absichten und Worthülsen. Zum Beispiel die Seite 87. Da steht unter der Überschrift «Grüne Gentechnik»:

«Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.»

An sich ist es ein kluger Satz, aber erst dann, wenn Koalitionspartner die richtigen Lehren aus den Vorbehalten ziehen. Und wie sieht das mit den Vorbehalten aus? 88 Prozent der Befragten einer Greenpeace-Umfrage 2 lehnen die Grüne Gentechnik ab. Dies ist jene Technik, um transgene oder gentechnisch veränderte Pflanzen zu züchten. Gleichzeitig handelt es sich um einen Markt für große Unternehmen mit Monopolambitionen, mit dem sich Milliarden – um diese geht es - verdienen lassen.

Zur Zeit ist die Genmaiszüchtung 1507 von Dupont Pioneer, die bereits zweimal gegen die EU klagte, auf der europäischen Tagesordnung, bei der es um die Zulassung der umstrittenen Züchtung geht 3. Trotz aller Kritik lobt das Unternehmen seine gentechnische Kreation, bekundet Unbedenklichkeit und erhofft sich durch die Europäische Union die endgültige Zulassung.

Angela Merkel und das Kuriose

Gestern ist beim Treffen der EU-Minister keine Ablehnung oder Zustimmung der Zulassung – also ein Patt - zustande gekommen. Das Kuriosum dabei: Die Bundesrepublik hat sich der Stimme enthalten 4, so dass nun die EU-Kommission entscheidet. Wie sie entscheidet, darüber sind Spekulationen im Moment nicht angebracht.

Aber das Kuriosum Merkel mit ihrer Anweisung bleibt hängen. Man kann nicht die «Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik» durch Stimmenthaltung anerkennen. Dazu wäre eine klare Haltungen nötig gewesen, und zwar mit der Nein-Stimme, um die genannten Vorbehalte anzuerkennen. Die Kanzlerin ist für ihr Lavieren bekannt. Die Stimmenthaltung der des deutschen Vertreters kann jetzt für sie eine gute Ausrede sein, nicht dafür gestimmt zu haben, falls die EU-Kommission diese Maissorte zulässt. Daher meine These: Merkel wendet sich gegen den Bürgerwillen und dient damit der Wirtschaft statt dem Volk - ein weiterer Beitrag zur totalen Ökonomisierung. Wohin diese Art der Verantwortungslosigkeit führt, kann niemand so richtig benennen. Vor allen Dingen die Politiker nicht.

Eine Frage der Verantwortung

Der CDU-Politiker Hermann Onko Aeikens, Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalt, der den Genmais 1507 befürwortet, äußerte sich im Deutschland Radio Kultur, folgendermaßen 5:

«Wir müssen wissenschaftsbasiert argumentieren und nicht ideologisch. Und wir müssen uns auch umschauen, was wir an Problemlösungen in der Welt haben für die drängenden Probleme Hunger und Energiebedarf. Und da bin ich schon der Überzeugung, dass gentechnisch veränderte Produkte auf dieser Welt einen Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten können »

Es ist nicht durchdacht, was Aeikens argumentiert. Erstens ist sich die Wissenschaft über die Folgen nicht einig. Zudem ist eine wissenschaftliche Diskussion weder mit Politikern noch mit Bürgern kaum möglich, weil in der Regel fundiertes Fachissen fehlt. Zudem: Wer sagt denn, dass die Wissenschaft immer Recht hat, besonders in solchen Fällen, bei denen es um fantastische Wirtschaftsinteressen geht. Zweitens präsentiert Aeikens genau das verbreitete Wiederholungsargument von Hunger und Energie, um die Grüne Gentechnik voranzutreiben. Weder die Hunger- noch die Energieprobleme sind gelöst worden, obwohl sie seit Jahrzehnten bekannt sind. Mit Gentechnik hat das wenig zu tun.

Was Aeikens sagt, ist ein Stück Verantwortungslosigkeit, weil er und andere mögliche negative Folgen ausblenden. Dazu gehören ökologische Risiken, wie unkontrollierte Verbreitung, Schädigung von Nützlingen und Resistenz von Schädlingen oder Artenwüsten und Monokulturen 6, von anderen Folgen ganz abgesehen.

Was lässt sich generell für die Verantwortung aller aus dem Fall «Genmais» ableiten? Man trägt einerseits für sich selber die Verantwortung für alles Handeln, aus der man sich im Prinzip nicht davonschleichen kann. Sie ist auch nicht übertragbar. Vor allen Dingen ist mit der Verantwortung die direkte Frage an sich verbunden. mit welcher Berechtigung, welchem Recht und mit welchen ethisch-moralischen Grundlagen ein Handeln erfolgt. Darf es sein, so meine Frage, genveränderte Pflanzen – damit auch Mais – zuzulassen, obwohl man von den negativen Folgen Kenntnis hat, unter Umständen davon weiss oder mögliche negative Folgen glaubwürdig annehmen kann? Das fehlende Nein bei der EU-Abstimmung ist Verantwortungslosigkeit für die Folgen in der Gegenwart und Zukunft.

1 Deutschlands Zukunft gestalten. PDF-Datei, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

2 Deutsche wollen keinen Gen-Mais. Zusammenfassung, Greenpeace-Umfrage, 2013

3 Dossier: Mais 1507. Informationsdienst Gentechnik

4 Umstrittener Genmais vor Zulassung. Deutschlandfunk, 11.2.2014

5 Ja zum Genmais. Deutschlandradio Kultur, Interview mit Hermann Onko Aeikens, 11.2.2014

6 Gentechnik-Info (5): Risiken und Nebenwirkungen. Umweltinstitut München e. V.

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