Torheiten der Politik

Vorurteile: Deutschland steht unter Beschuss von Vorurteilen, was seine angebliche Führungsrolle innerhalb Europas und in der Eurokrise anbelangt. Ein Prinzip der Gegenseitigkeit.

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Immer diese Vorurteile

In einer vorurteilsfreien Welt zu leben, ist ein ehrenwertes Ziel. Aber leider macht die Praxis immer wieder Striche durch die Rechnungen beim Streben nach bestimmten Zielen. Vorurteile – in der Regel übernommene Klischeevorstellungen, manchmal auch erfunden – sind wie eine Waffe, die dann zum Einsatz kommen, wenn eigene Argumente ausgehen oder Kritiken totzuschlagen sind. Klar, es gibt auch jede Menge andere Motive, um Vorurteile aus der Schublade zu holen.

Gerade Deutschland steht sporadisch unter einem Beschuss von Vorurteilen, was die angebliche Führungsrolle deutscher Politiker innerhalb Europas und in der Eurokrise anbelangt. Und plötzlich tönt es, die Deutschen seien arrogant, oberlehrerhaft, als Masse ungeniessbar, diktatorisch usw. Bei manchen deutschen Zeitgenossen mag das zutreffen, aber für eine Pauschalisierung der gesamten Gesellschaft– die Deutschen seien so und so – sind Vorteile total ungeeignet. Pauschalisierungen sind zu einfach, führen zu nichts und erzeugen in der Regel peinliche Gegenreaktionen. Manchmal ziehen Menschen die Nazikeule aus dem Sack, was dann mehr als peinlich ist.

Nichts als Torheiten

Neulich hat eine Keule mal wieder richtig funktioniert. Aber nicht Ungarn hat die Keule geschwungen, sondern, um es klar auszudrücken, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Dieser meinte, die Deutschen hätten schon einmal eine Kavallerie nach Ungarn geschickt, in Form von Panzern. Unsere Bitte sei, sie nicht zu schicken. Ob es sich um einen Nazivergleich handelt, sei offen gelassen, aber solche Äusserungen sind im hohen Masse töricht. Solche Leute wie Orbán mit ihren Nationaltümeleien sind noch nicht in der Gegenwart angekommen, weil sie mit ihrem rechts-nationalen Gedankengut eine vergangene, unheilvolle und zukunftslose Welt verkörpern.

An Torheiten fehlt es dieser Welt nicht, auch nicht in Deutschland. So war es ja Peer Steinbrück, der gegen die Schweiz die Kavallerie reiten lassen wollte und von schweizerischen Indianern faselte. Wie töricht von diesem Mann, selbst wenn seine Sprüche metaphorisch gemeint waren, auf diese Art Macht und Grösse demonstrieren zu wollen. Für einen Teil der Schweiz war es eine ausgewachsene Lachnummer, für den anderen Teil eine Art Beleidigung.

„Nicht gleich die Kavallerie schicken“

Ein anderes Beispiel aus dem politischen Deutschland: die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gefeiert wird, von der man nicht genau weiss, warum sie gefeiert wird. Merkel sagte in einem Interview in Richtung Ungarn, bevor Orbán reagierte: „Wir werden alles tun, um Ungarn auf den richtigen Weg zu bringen, aber nicht gleich die Kavallerie schicken“, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet. Tönt wie Merkelismus statt Taoismus - die Lehre vom rechten Pfad. Dass Merkel mit der Kavallerie einen verbalen Stein in Richtung Steinbrück werfen wollte, dürfte klar sein. Aber der Satz als Gesamtheit muss, wenn man ihn genau betrachtet, zu Missverständnissen führen. Bei Angela Merkel und vielen anderen Politikern ist dies sehr häufig der Fall. Wenn also die Kavallerie nicht gleich geschickt wird, heisst das nichts anderes, als dass Optionen offenbleiben, unter Umständen doch noch eine Kavallerie zu schicken. „Wir werden alles tun“, wie die Kanzlerin sagt, lässt sehr tief blicken. Dies sind ebenso törichte Äusserungen wie die Kanzlerin-Äusserungen, die Demokratie sei nicht für die Ewigkeit oder man brauche eine marktkonforme Demokratie.

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Kavallerie: Noch nicht

Bei Politikern wie Merkel & Co. in Deutschland und Politikern im internationalen Umfeld Deutschlands muss man grundsätzlich aufpassen. Sie kreieren, damit es ins politische und ideologische Konzept passt, ihre eigene Weltbilder, die mit der Wirklichkeit nichts oder selten zu tun haben. Gleichzeitig kreieren sie von Fall zu Fall unbewusst bei Anderen Reaktionen – es sei denn sie wollen provozieren -, die dann unter Umständen in einem Pingpong mimosenhaften Beleidigtseins und Keulenschwingens enden. Unsere Gesellschaften – national und international – haben Besseres zu tun als sich unbedachtem Gerede vieler Politiker auszusetzen.

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