Weil es nichts Besseres gibt

Fernsehnachwuchs Sie unterhalten die Massen. Wie? Darüber denken sie nicht viel nach. Die „Hoffnungsträger“ Joko und Klaas auf dem 33. Mediengipfel am vergangenen Dienstag
Weil es nichts Besseres gibt

Foto: Marcus Höhn / Pro Sieben

Der 33. Mediengipfel will über Fernsehunterhaltung und Nachwuchsmoderatoren sprechen. Da Joko Winterscheidt und Klaas Heuer-Umlauf das eine machen und das andere sind, scheint zumindest die Auswahl der Gesprächsteilnehmer gelungen.

Das Moderatorenduo wurde bei den Musiksendern VIVA und MTV groß, als diese selbst noch groß waren. Ihre Show „MTV-Home“ führen sie nun unter dem Namen „Circus HalliGalli“ bei ProSieben nahezu unverändert fort. Das Konzept ist leicht erklärt: Gespräche mit Prominenten, die sich einen Werbeeffekt für ein neues Album, einen Film oder für die eigene Person versprechen, wechseln sich ab mit Einspielern, bei denen sich Joko und Klaas über andere und über sich selbst lustig machen. Über eine Million Menschen schauen dabei zu.

Politisch inkorrekt und sadistisch

Bevor der Mediengipfel beginnt, danken die Veranstalter den Sponsoren. Es werden alle Geldgeber erwähnt, alle Unterstützer, befreundete Firmen – das dauert endlose zehn Minuten. Dann werden die „Hoffnungsträger des deutschen Fernsehens“ angekündigt: „Sie sind politisch inkorrekt, sadistisch und sie haben den guten Geschmack verdorben – kurz: Sie sind das Beste, was dem deutschen Fernsehen passieren konnte.“ Joko und Klaas betreten die Bühne. „Diese Ankündigung sagt viel mehr über das deutsche Fernsehen aus als über uns“, sagt Klaas und zeigt, dass die Gesprächsrunde sich vielleicht doch ab und zu auf die Metaebene verirren könnte.

Aber vorher nochmal Werbung: auf der Leinwand, mit Joko und Klaas, für die Sparkasse. Dann beginnt tatsächlich noch die Gesprächsrunde. „Wild at Heart!“ ist sie überschrieben. Doch die beiden „Hoffnungsträger“ scheinen alles andere als wild: zwei junge Väter, eher zufällig hinein gerutscht ins Fernsehmoderatorendasein. Wieso gerade sie die neuen Hoffnungsträger des deutschen Fernsehens sind? „Die Musiksender sind weitgehend verschwunden, die anderen Sender haben sich lange nicht um Nachwuchs gekümmert“, erklärt Joko. „Und da sind wir dann halt – weil es gerade nichts Besseres gibt.“

Unterhaltung gegen die Einsamkeit

Erfüllen sie die Erwartungen oder sind sie noch bei sich? „Natürlich bedienen wir die Mechanismen“, sagt Jako. Würde er anfangen darüber nachzudenken, würde die Show nicht mehr funktionieren, erklärt er. Wie bei der Fernsehserie Lost sei das. Die Menschen in Lost drücken jeden Tag auf einen Knopf. Sie wissen nicht wieso, auch nicht was passiert, wenn sie aufhören – sie tun es, weil sie es immer taten. Und Joko und Klaas unterhielten schon immer.

Von ihrer Unterhaltung sollen möglichst viele profitieren. Deswegen verließen sie ZDFneo. Dort waren Zuschauerinnen und Zuschauer entsprechend des Marktanteils von einem Prozent sehr überschaubar (70.000 bei der letzten Sendung). „Unterhaltung hat einen Sinn und einen Wert an sich“, philosophiert Klaas. Sie hole die Menschen einen Moment aus ihrem Alltag heraus. Und Fernsehunterhaltung helfe gegen Einsamkeit: „Die Menschen schauen fern, weil sie nicht alleine sein wollen. Sie wissen, Hunderttausende schauen diese Sendung mit mir.“ Vor dem Fernseher ist man alleine nicht einsam.

Die Grenze ist ein Regenwurm

„Ich fühle mich den Zuschauern gegenüber verantwortlich. Die wollen etwas Lustiges sehen. Ich will sie nicht enttäuschen,“ sagt Klaas. Ihre Erwartungen erfüllt das Moderatorenduo. Deswegen interessiere die beiden auch mehr, was Zuschauerinnen und Zuschauer auf Facebook schreiben als was die Presse über „Circus HalliGalli“ denkt. Joko und Klaas wollen gefallen – möglichst allen. Wie sie das tun, wie sie die Massen zum lachen bringen, darüber denken sie nicht viel nach. Aber ihre Witze, ihr Verhalten färben auf ihre Zuschauerinnen und Zuschauer ab. Wie, dafür muss man nicht mal die Busengrapschgeschichte hervorkramen: „Es geht nicht darum zu gewinnen, es geht darum, den anderen verlieren zu sehen“, sagt Klaas und fasst damit akkurat zusammen, welche Werte die Sendung der „Hoffnungsträger“ vermittelt.

Haben die beiden eine Grenze, die sie nicht überschreiten? „Ich sollte neulich einen Regenwurm essen“, sagt Klaas. „Da habe ich mich geweigert.“ Die Moderatorin fragt nicht weiter nach. Schließlich ist das hier nicht als Diskussion, sondern als „unterhaltsames Gespräch“ angekündigt. „Darf ich denn nun ein paar Fragen zu Eurem Privatleben stellen?“ fragt sie nach einer halben Stunde. „Deswegen sind wir schließlich alle gekommen.“ Na dann.

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