Mattis war gegen das meiste von dem Zeug

Trump redet übers Töten Man könnte ihn für einen Ironiker halten.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der US-Präsident verblüfft immer wieder durch seine Sprache. Meint der das ernst?, fragt man sich, und weiß im selben Moment: Yes! Trump sagt, was er denkt. Seine Unverblümtheit hat was von Sitcoms, deren linguistische Grundlage die Verletzung von Sprachnormen ist: Das Brechen von Tabus auf der einen, von Erwartungen auf der anderen Seite.

In den Neunzigern war es die postmoderne Ironie, die zuweilen in Nihilismus, Sarkasmus, Misstrauen und Dekonstruktion vertrauter Narrative umschlug, um herkömmlichen Sprachnormen den Garaus zu machen und die Leute aus dem Schlummer der Selbstgerechtigkeit zu reißen (z.B. Harald Schmidt). Weil der verbale Dauerbeschuss dem Fernsehpublikum irgendwann auf den Keks ging, wich er in den 2000ern einem wärmeren, heimeligen Tonfall, mit dem die Leute sich besser zur Nachtruhe begeben konnten (z.B. Dieter Nuhr, Eckart von Hirschhausen). Hierzu gehört auch die zeitgeistige Marotte, das eigene Familienleben zum Thema öffentlichen Interesses zu stilisieren: Das Publikum erfährt vom Windelwechseln und von Schul- und Geschwisterproblemen, um mit WarmumsHerzGefühl festzustellen, dass Luke Mockridge, Lisa Fellner u.v.a. eine der ihren ist.

Wenn nun Trump das familiäre bzw. vertrauliche Register zieht, könnte man meinen, er befinde sich damit textuell im absoluten Zeitgeist. So, wenn er sich in politischen Entscheidungen auf seine Tochter und seinen Schwiegersohn beruft, oder wenn er jüngst nach dem Tod der 87-jährigen US-Richterin Ruth Bader Ginsburg vollmundig verspricht, die nächste Bundesrichterin werde wieder eine Frau. Leute, alles bleibt wie gehabt!, verkündet er damit, und sorgt für einen kurzen Wohlfühlmoment.

Wenn er dagegen dem Chef der US-Gesundheitsbehörde CDC, Robert Redfield, in dessen Einschätzung der Pandemie-Bekämpfung widerspricht, begibt er sich auf eine weniger gemütliche Sprachebene. Der Präsident zieht sein treuherziges Gesicht (O-Mund, aufgerissene Augen), und alle wissen: Achtung, gleich gehts los! An die Adresse von Redfield verkündet er: „Ich denke, er war verwirrt!“ Zu dessen fachlicher Einschätzung hat er Sätze drauf wie: „Ich denke, er hat vermutlich die Frage falsch verstanden“, oder: „Vielleicht kennt er sich nicht mit dem Verteilungsprozess aus.“ Trump möchte glauben oder glauben machen, Corona-Impfstoffe seien in absehbarer Zeit verfügbar. Während Redfield schätzt, dass es Mitte bis Ende 2021 soweit sein könnte, verspricht Trump seinem Wahlvolk: „Ich denke, dass es sehr bald sein wird.“

In diesem Zusammenhang erinnert man sich auch an Trumps Äußerung zu den steigenden Infektionszahlen, er habe seine Leute angewiesen, „verlangsamt bitte die Tests.“ „Wenn wir mehr testen, finden wir mehr Fälle!“

Ist das lustig gemeint? Referenziert Trump hier postmoderne Ironie, Sarkasmus, Misstrauen und Dekonstruktion vertrauter Narrative, um von einem bösen Thema abzulenken? Das hieße allerdings, dass er sich dieser Stilmittel bewusst bedient. Es hieße außerdem, dass der Präsident selbst nicht an einen schnellen positiven Ausgang der Pandemie glaubt, was er doch allem Anschein nach tut.

Auch mit seinen jüngsten Aussagen zu Assad scheint Trump sich intertextuell auf zuvor Dagewesenes zu beziehen, das den meisten Menschen bekannt und deshalb leicht dekodierbar sein dürfte: Indem er den Cowboy, den gesellschaftlich Unangepassten mimt, darf er auch verbal entgleisen und erweist damit dem klassischen Western seine Referenz: 2017 habe er die Ermordung Baschar al-Assads geplant, erzählt er freimütig. Doch der damalige Verteidigungsminister James Mattis habe die Operation verhindert. „Ich hätte ihn lieber ausgeschaltet“, präzisiert der US-Präsident sein Anliegen noch einmal überdeutlich, und das hätte genauso Clint Eastwood knurren können. Alles sei vorbereitet gewesen, doch „Mattis wollte es nicht tun.“ Dieser sei nämlich ein „hoch überschätzter General“ gewesen, den er später gefeuert habe, ätzt Trump weiter. Die Entscheidung, Assad nicht zu töten, bereue er jedoch nicht: „Ich hielt ihn sicher nicht für einen guten Menschen, aber ich hatte die Chance, ihn auszuschalten, wenn ich gewollt hätte, und Mattis war dagegen. Mattis war gegen das meiste von dem Zeug.“

Bei den letzten beiden Sätzen muss man unwillkürlich lachen. Wirklich komisch ist – neben der Anmaßung, zwischen guten und bösen Menschen zu unterscheiden –, der Widerspruch zwischen der sprachlichen Saloppheit und dem todernsten Thema. Wer über einen politischen Auftragsmord mit Stammtischvokabular daher palavert, zeigt sich als ein Meister der Inkongruenz – ein das Referenzieren weiterführendes Mittel, das Verblüffen und Lachen evoziert: Wenn zwei Ebenen nicht zusammenpassen, aber zusammengezwungen werden, ist das ein logisches Paradox, was seinerseits den Kern des Humors ausmacht.

Doch Trump ist kein Komiker, der alle Register seines Könnens zieht. Weder zitiert er aus alten Werken noch parodiert er irgendwen oder irgendwas noch bedient er sich bewusst der sprachlichen Inkongruenz. Trump verletzt Sprachnormen, indem er gerade das feine Besteck außer Acht lässt und mit groben Stiefeln über Normen des Anstandes, des Feingefühls, der Aufrichtigkeit, der Bildung und Herzensbildung hinwegtrampelt. Trump unterscheidet keine Sprachebenen. Auf seine merkwürdige Ausführung zu den Corona-Tests angesprochen, versicherte er: „Ich scherze nicht.“ Trump ist nie ironisch. Schon gar nicht selbstironisch. Trump meint alles ganz eindimensional genauso, wie er es sagt. Mit seinen verknappten, militaristischen, immer polarisierenden Slogans, die er der Welt am liebsten per Twitter verkündet, bestätigt er sein eindimensionales Weltbild. Das ist das Besondere an ihm. Das besonders Schreckliche.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

C. Juliane Vieregge

Autorin, Bloggerin. Am 13. März 2019 ist ihr neues erzählendes Sachbuch "Lass uns über den Tod reden" im Ch. Links Verlag, Berlin, erschienen.

C. Juliane Vieregge