Das Leben in den Zeiten der Corona; AC 3.20

Das Logbuch geht weiter: Therapiepatient Deutschland

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Meine neue Mission ist vielfältig, ich erwähnte es bereits vorletzte Woche. Wir machen ja nicht nur “Age-Washing”, sondern auch “History-Washing”. Im Volksmund bezeichnet als “Verschwörungstheorien”, geht das ungefähr so: Im Internet werden Botschaften gesucht, die als Fake entlarvt werden sollen. Unser Analyse- und Multiplikationsinstrument dafür sind junge Menschen, die Schwierigkeiten haben, einfachste Informationen korrekt wiederzugeben. So stößt man auf einen Satz wie “Das Coronavirus ist eine biologische Waffe und stammt aus einem Labor in den USA oder Wuhan, China.” “USA” ist natürlich völliger Blödsinn, “biologische Waffe” ist im klassischen Wortsinne auch nicht allzu wahrscheinlich – wobei das Virus sich als Waffe zum Geldeintreiben bestens bewährt hat. Doch “Wuhan, China” galt bisher doch als gesichert, oder? “Labore” haben sich übrigens schon öffentlich zu Experimenten mit diesen Viren bekannt. Wie funktioniert das also mit dem History-Washing? Na klar, man baut korrekte Informationen zusammen mit Zweifelhaftem und komplettem Schwachsinn in einen gemeinsamen Satz ein – und schwupps – sind alle Informationen des Satzes obsolet. Clever, oder?

Auf diese Weise versuchen wir peu a peu, geschichtliche Fakten durch Fake zu ersetzen. “Faken” statt “Fakten” sozusagen, da muss man nur einen Buchstaben rausnehmen, völlig simpel, kann jeder Dorfdepp. Darf ich mich glücklich schätzen, an solch einem wichtigen Transformationsprozess teilzuhaben? Wenn am Ende nur noch die KI übrig bleibt, um etwas Gescheites zusammenzubasteln, haben wir doch endlich mal eine funktionierende Welt. “Versuchskaninchen Mensch” kann dann als Schöpfer und Vermittler von Werten und Wahrheiten mehrheitlich abgeschafft werden.

Auch ein anderes Projekt erregt meine Aufmerksamkeit, für das ich meine Mitwirkung bereitwillig anbiete. Wir nennen das Projekt “Mobbing-Machine”. In unserem Think-Tank – mitwirken dürfen Mitarbeiter ebenso wie “Versuchskaninchen” – dürfen Informationen nicht mehr wahrheitsgetreu weitergereicht werden. Je gefakter und manipulativer man über die Anderen spricht, desto besser. Wer es als erster schafft, jemanden rauszuekeln oder in eine Therapie zu treiben, bekommt Punkte. Die höchste Punktzahl gibt es, wenn man jemanden in den Suizid treibt. Auf der anderen Seite besteht die Herausforderung darin, sich Abwehrmechanismen anzueignen, um den Fake-Attentaten zu entgehen. Ich entwickle ein passendes Spiel dazu, es heißt “Manipuly”. Da gibt es einen Parcours mit Erlebnis- und Ergebniskarten, auf denen bespielsweise steht: “Geh nicht über LOS, sondern direkt in die Psychatrie”, “Kaufe einen Teilnahmeplatz und mache alle anderen platt” oder “Wenn du nicht schreiben kannst, dann rede einfach drauflos”. Besonders gerne genommen von den zahlreichen An- und Halbalphabeten unter den Mitspielern ist die Karte “Wer nicht schreibt, der bleibt.” Manch einer hat freilich das Pech, nicht einmal lesen zu können, was auf dieser Karte eigentlich steht. Der Trick besteht darin, dass es keine einzige Erlebniskarte gibt, zu der eine adäquate Ergebniskarte existiert. Ziel von “Manipuly” ist es, als letzter Spieler übrig zu bleiben, ohne in einem Wutanfall alle Figuren vom Brett zu fegen, die Mitspieler zu beschimpfen oder schwerstdepressiv zu werden.

Übrigens: Wenn man dann wirklich beim Psychiater landet, trifft man dort viele alte Bekannte wieder. Menschen, deren Intelligenz und Integrität man schätzt, kritische Zeitgenossen, die man als individuell und unbestechlich kennengelernt hat und große Kämpferherzen, die man versucht hat, klein zu machen.

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