Willkommen zwischen den Zeitenwänden, 4.38

Das Logbuch geht weiter: Prima Klima

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Bereits letzte Woche stellte ich fest: In der unbeschwerten NDW-Zeit wurde mit vielem so herrlich unverkrampft umgegangen – oft zwar peinlich, aber ohne schlechtes Gewissen und überzogene Moralansprüche. Vielleicht fallen mir aufgrund genau dieser Sozialisation, in der auch Comedy, Satire und (ein in den letzten Zügen liegender) politischer Diskurs noch eine Rolle spielten, heute so viele No-Goes auf, von denen ich denke: Das muss doch jeder merken! Natürlich merkt es auch (fast) jeder – nur der Glaube an die Möglichkeit von Alternativen hat sich in der Merkel-Ära scheinbar völlig verabschiedet. Man akzeptiert heute Dinge, die völlig inaktzeptabel sind. Es reicht, etwas zu merken – geändert werden muss nichts, weil man ja auch nichts ändern kann. Demokratie ist nicht der Wille zur Veränderung, sondern begnügt sich mit der Erkenntnis, dass da etwas nicht ganz Ok ist. Eventuell macht man bei besonders absurden News ein skeptisches Gesicht, verzieht die Mimik etwas und stellt die eine oder andere Sinnfrage, die jedoch wie eine schwaches Lichtlein im Dschungel der Sinnlosigkeiten schon bald wieder verglimmt. Nehmen wir beispielsweise das Thema der Woche: ...

… die „Prima-Klima-Party“ in Dubai. Da fliegen tausende von Menschen zu einem Scheich, der nicht nur zum Vorsitzenden eines sogenannten Klima-Gipfels erkoren wurde – oder, wahrscheinlicher, sich eingekauft hat – sondern gleichzeitig einen riesigen Ölkonzern besitzt. Natürlich liegt diesem Mann der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen am Herzen – bezweifelt das jemand? Nur eben nicht sofort – sondern erst dann, wenn seine Vorkommen sowieso erschöpft sind. Und das wird wohl nicht vor 2050 sein. Bis dahin werden er und seine Kumpane genug Anteile an nachhaltigen Industrien anderer Länder gekauft haben, um sehr gut auch ohne Gas und Öl leben zu können – ohne selbst arbeiten zu müssen, versteht sich. Und das matched wiederum perfekt mit Deutschland, das besonders gut darin ist, sein Tafelsilber in Blech zu verwandeln. So muss es auch nicht verwundern, dass der „Teletubbi“ der Nation in Dubai ganz stolz „seinen“ Klimaclub präsentiert. Den gibt es zwar schon recht lange, doch erst jetzt soll es so richtig losgehen – so der Scheich will. Und der wiederum findet natürlich alles gut, was den deutschen Kanzler glücklich macht, solange es nicht die arabischen Geschäfte gefährdet. Scholli hat also seinen Club und Dubai eine Mega-Veranstaltung mehr, die eher an Las Vegas, als an eine ernstzunehmende politische Klima-Initiative erinnert. Überhaupt kaufen die Scheichs munter weiterhin alle Events auf – gleich, wie viele Menschenrechte und Nachhaltigkeitsanforderungen dabei missachtet werden. Katar beispielsweise steht bereits als Ausrichter der Basketball-WM 2027 fest – trotz der menschen- und umweltverachtenden Praktiken dieses mittelalterlichen Feudalregimes und der Proteste der Fußballer und Medien vor und zu Beginn der letzten WM. Fazit: Die Proteste haben nichts gebracht. Also wird sich auch nichts ändern, denn den Sklavenhalter interessiert nicht, ob seine Sklaven bei der Arbeit Freude verstrahlen oder bedrückt wirken: Hauptsache, sie machen ihre Arbeit. Und die Top-Spieler, die ebenfalls den Arabern gehören, kommen vor lauter Geld sowieso nicht mehr aus dem Lachen raus.

So langsam dämmert mir, wo der Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie wirklich liegt: In der Diktatur sollst du denken und fühlen, wie das System es von dir verlangt – der Rest ergibt sich von alleine. In der Demokratie darfst du eine eigene Meinung haben und eine Partei wählen, die sowieso nie was zu sagen haben wird – wichtig ist, dass du machst, was das System von dir verlangt.

„Prima Klima“ ist übrigens ein viel schönerer Begriff als „Klimagerechtigkeit“ – denn was soll das überhaupt sein? Gerechtigkeit „für“ das Klima oder Gerechtigkeit „durch“ das Klima? Meines Wissens ist Klima ein Zusammenspiel aus eng verzahnten geophysikalischen und biochemischen Prozessen, die weder ein Recht oder ein Unrecht kennen. Es sind einfach nur Prozesse – ohne Freunde oder Feinde. Ergo kann sich auch niemand gerecht oder ungerecht gegenüber dem Klima verhalten. Gerechtigkeit mag es für Menschen, Tiere oder Pflanzen geben – aber niemals für ein Klima. Denn dem ist es – wenn wir es für einen Moment mal vermenschlichen wollen – auf gut deutsch scheißegal, was wir mit ihm veranstalten. Dem Wasser ist es ja auch egal, ob es verdampft, gefriert oder einfach nur dahinfließt. Und auch wenn wir es trinken, färben oder vergiften – es wird sich wohl niemals ungerecht behandelt fühlen.

Also lasst uns diesen irreführenden Quatsch mit der „Klimagerechtigkeit“ endlich beenden und einfach zugeben, dass es uns ausschließlich um den eigenen Arsch geht. Auffällig ist auch, dass genau die Leute, die ständig von „Klimagerechtigkeit“ reden, gegen andere Menschen und deren Meinungen oft umso ungerechter sind. Also lasst und lieber den Begriff „Prima Klima“ etablieren – ein Begriff aus einer Zeit, in der nicht jeder jeden wegen jedem Furz gleich diskriminieren, der Lüge bezichtigen oder komplett ausgrenzen musste.

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