Willkommen zwischen den Zeitenwänden, 5.05

Das Logbuch geht weiter: Im Wesentlichen nichts Neues ...

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Ab und zu werde ich an den Ursprung dieses Blogs erinnert: Da war ein Virus, über das sich der Kasper der Nation, Olli Welke, anfänglich lustig machte, indem er „WuHannover“ als dessen Ursprungsort ausmachte. Das Ortsschild der Landeshauptstadt wurde in der für die „heute-show“ typischen pennälerhaften Graffiti-Manier um den Zusatz „Wu“ erweitert und Welke selbst freute sich am meisten über diesen schlichten Kalauer. Wenn er diese Folge seiner albernen Pseudo-Satire heute noch einmal anschauen und in einen Zusammenhang mit späteren Sendungen stellen würde, müsste er vor Scham eigentlich im Boden – zumindest jedoch vom Sender – verschwinden. Doch Opportunisten wie Welke zeigen spätestens dann kein Schamgefühl mehr, wenn mehrheitsfähige Ideologien ins Spiel kommen, und bleiben mit einer bigotten oder auch trigotten Mentalität, die spielend jede Wende schadlos überstehen kann, im Sattel.

Dem Virus-Experten der damaligen Opposition und jetzigen Gesundheitsminister scheint der Allerwerteste derzeit etwas auf Grundeis zu gehen: Die Impf-Berichte (welche auch immer gemeint sind) werden zur Verschlusssache erklärt – gerade jetzt, da die FDP in ihrer Lieblingsfunktion als regierungsinterne Opposition Transparenz und Aufarbeitung fordert. Mit diesem Thema nun auch noch Talk-Shows wie die des Südtiroler Tierfilmers zu füllen, ist nur die konsequente Fortsetzung einer kollektiven Verdrehung und Verdrängung, die in der bundesrepublikanischen Geschichte ihresgleichen suchen dürfte. Alibis wohin man schaut – deshalb wäre mein Vorschlag zur Aufarbeitung der Corona-Krise: besser gar nicht, als (viel zu) spät. Denn dass das Kind – respektive des Plurals: „Kinder“ – hoffnungslos in den Brunnen gefallen ist, wird auch durch Vorstöße wie dem von Lisa Paus deutlich, die eine 5000-köpfige Behörde aus dem Biden stampfen will, um zwölf Milliarden Euro gegen Kinderarmut und für Familiensicherung auszuschütten. Und das, obwohl sich Deutschland schon jetzt zu Tode verwaltet und bis weit über ebendiesen Tod hinaus verschuldet ist.

Gibt es eigentlich noch Ecken in unserer festgefahrenen Demokratie, die nicht vor Schmutz und Altlasten strotzen? Man will ja nicht immer nörgeln, doch mir fällt bei so ziemlich jedem Thema, das gerade öffentlich kursiert, auf: Irgendwer in meinem Bekanntenkreis hat immer eine bessere Idee, um den grassierenden Wahnsinn durch etwas Vernunft zu entschärfen. Der Eine schlägt einen „Numerus Clausus“ für Städte vor, der dazu beitragen würde, dass Städte nicht explodieren und ländliche Regionen nicht veröden, der Andere befürwortet, dass man den Bürgern mehr energetische Eigenverantwortung zugestehen sollte. Kleine (E)-Autos für die Städte statt noch mehr SUVs, für die Parkplätze verbreitert werden müssen, sind ebenso Thema, wie eine berufliche Qualifizierung als Voraussetzung für eine politische Karriere. Doch diese Ideen kommen fast ausschließlich von Normalbürgern – der einzige parteipolitisch organisierte Bekannte in meinem Umfeld erzählt davon, dass er Olaf Scholz hin und wieder die Hand schütteln darf. Leider hat auch die „Union“ nichts Substanzielles anzubieten – dem Entfernen des „C“s aus dem Logo an der Berliner Parteizentrale ist längst die ideologische Verabschiedung vom „D“ gefolgt. Die offensichtlich farbenblinden „Grünen“ haben sich von ihren Kernkompetenzen mehrheitlich verabschiedet und stellen eine „Haltung“ (wissen sie überhaupt noch, was das ist?) über eine Leistung und die ohnehin schon schwache „Linke“ zeichnet sich durch Zellteilung aus. Ob Zellteilung jedoch immer gleichbedeutend mit Vermehrung ist, sei dahingestellt. Die Anderen, die noch nie die Chance des Scheiterns in der Realpolitik hatten, lassen wir jetzt mal außen vor.

Ich plädiere für eine Fernseh-Show, bei der sich all die Menschen als Gäste bewerben können, die eine tolle Idee haben, von der man aus Politik und Medien noch nie gehört hat. Nach der jeweiligen Vorstellung dieser Ideen geben die Zuschauer zuhause ihre Stimme ab und alle Ideen mit einer Zweidrittelmehrheit gehen anschließend in den Bundestag, in dem darüber abgestimmt wird. Dann müssten die Politiker sich auch nichts mehr selbst ausdenken und die üble Angewohnheit, Vorschläge der jeweils gegnerischen Fraktionen niederzureden und abzulehnen könnte endlich überwunden werden.

Dummerweise ist ein solches Verfahren ziemlich demokratisch – also für Abgeordnete und ihre Parteien ausgesprochen unsexy.

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