„Ich bin kein Mäzen“

Interview Als Buback vor 30 Jahren gegründet wurde, malte Daniel Richter das erste Cover. Das Plattenlabel gehört heute ihm
Ausgabe 22/2018

Richters Arbeitsplatz ist eine dieser Berliner Hinterhofwerkstätten, erreichbar mit dem Lastenaufzug, wenn Besuch kommt, muss der Maler den Liftboy geben. Der Atelierboden ist mit ornamentalen Teppichen ausgelegt, an den Wänden hängen Leinwände, auf denen schemenhafte Figuren miteinander ringen. Auffälligstes Möbel: zwei schwarze Lautsprechertürme, die zugehörige Anlage steht hinter einer Trennwand bei den Platten.

Richters Ordnungssystem gestaltet sich stark vereinfacht so: unten die deutschen Sachen, also auch die seines Labels Buback, in der Mitte Punk (englisch und amerikanisch getrennt), darüber sehr viel HipHop. Ganz oben: Bach, Eisler, Weill, Brecht. Dazwischen Songwriter, Psychedelic, Blues, Jazz, Noise, Indie und Elektro. Das letzte Dinosaur-Jr.-Album mit dem Coverbild von Richter ist im amerikanischen Sektor nicht auffindbar, ebensowenig Kristof Schreufs Album Bourgeois with Guitar im Buback-Fach. Also läuft weiterhin leise Deutschlandfunk, während wir über die Geschichte dieses Labels sprechen, das in Hamburg kurz nach den Hafenstraßenprotesten wegen einer Band namens Angeschissen entstand und 30 Jahre später eine der wenigen Institution im Independent-Betrieb ist, die sich auf keine Sparte festlegt.

der Freitag: Herr Richter, woher kam die Idee, das Label nach einem von der RAF ermordeten Generalbundesanwalt zu benennen?

Daniel Richter: Die Heroisierung findet eigentlich ja immer bei den eigenen Opfern statt. Dieser ganze Kitsch. Das fängt bei Jesus Christus an, geht weiter mit Rosa Luxemburg zu Che Guevara und endet irgendwann bei Andreas Baader, in Stammheim umgebracht. Das war ja virulent in unserer Generation, die quasi als letzte diesen „Anti-Imp-Kampf“ noch begleitet und real mitgekriegt hat. Wenn man so will, ist die Namensgebung auch Programm für ein Label, das sich nie ganz einfach positionieren wollte. Die Szene, aus der wir kamen, hatte ein schillerndes Verhältnis zur radikalen Linken. Es gab da immer einen Widerspruch zu den gängigen Positionen. Wir hätten uns auch Schleyer Records nennen können.

Aber?

Das wäre zu offensichtlich gewesen. Buback klang auch gut. Von heute aus gesehen, ist das sicher geschmacklos, so sensibel wie die Menschen geworden sind. Aber als Zeichen war das irgendwie gut.

Gab es mal eine Reaktion seitens der Familie von Siegfried Buback?

Ich glaube, die wissen gar nicht, dass es uns gibt. Wir sind nicht EMI. Unsere Plakate habe ja nicht die Innenstädte der Republik überzogen.

Zur Person

Daniel Richter, 55, ist einer der bekanntesten deutschen Maler und seit 2005 Eigentümer des Labels Buback. Seine aktuelle Ausstellung Bavid Dowie mit Jonathan Meese und Tal R in Stade hat mit dem Musiker ähnlichen Namens nichts zu tun

Auf der Rückseite eines der ersten Alben des Labels steht: „Tod der Scheisse! Tod der CD“. War das auch Programm?

Buback hat sich gegründet mit dem Anspruch: „Der Tod der CD ist unser Auftrag“. Wir haben uns jahrelang geweigert, Platten auf CD herauszubringen. Bis wir in die Knie gehen mussten.

Weshalb?

Des Vertriebs wegen. Vinyl wurde nicht mehr gehandelt.

Warum haben Sie auf Vinyl beharrt?

Weil wir dagegen waren!

Gegen technische Neuerungen?

Man musste das doch nur anfassen, das war ja alles ekelhaft. Außerdem gab es eine Enthistorisierung. Wenn du Platten gekauft hast, konntest du am Geruch feststellen, ob du einen illegalen Reissue hast. Ein Reissue riecht neu. Unabhängig davon sieht das total piefig auf. Die CD hat die Covergestaltung ruiniert. Das Verhältnis von Hand, Auge, Auge, Haptik ist verlorengegangen.

Inzwischen bringen auch große Labels ihren Backkatalog wieder als Sondereditionen auf Vinyl heraus.

Dieses Comeback von Vinyl auf 180 Gramm ist ein Manufactum-Fetisch für Leute, die sich Abba und Mike Oldfield remastered kaufen. Die blockieren nur die Pressen für den Underground.

Manche denken, schweres Vinyl verbessere den Klang.

Totaler Quatsch. Zuerst gab‘s das nur auf Jamaika. Unverkäufliche Platten sind eingeschmolzen worden und mussten dann dicker sein, weil das Material schlechter war. Ich glaube, die erste 180 Gramm Vinyl war in Deutschland sogar eine Angeschissen-Platte oder eine von Oma Hans.

„Angst macht keinen Lärm“ von Angeschissen war die erste Veröffentlichung von Buback.

Das Label gibt es nur wegen dieser Single. Jens Rachut ist wahrscheinlich der erste, der als Punker einen Song darüber gemacht hat, dass seine Oma gestorben ist.

Das wollte sonst keiner veröffentlichen?

Wir waren Freunde, das ergab sich so. Buback ist in der Wohngemeinschaft gegründet worden, in der ich in der Buttstraße wohnte. Ich war nur begleitend tätig.

Sie wohnten dort mit Ted Gaier von den Goldenen Zitronen, der das Label mit deren Drummer Ale Dumbsky gründete.

Ted wohnte unten. Unten wohnten die Dünnen, oben alle über 1,90 Meter und in der Mitte war eine Frauenwohngemeinschaft aus Autonomen, die Mechanikerin oder Ingenieurin wurden.

Im Gegensatz zu anderen Labels steht Buback nicht für ein Genre. Wofür dann?

Letztendlich ist Buback ein Haltungslabel. Die Goldenen Zitronen kommen vom Punk, Kristof Schreuf ist Indie, die Beginner machen HipHop. Was die Bands auszeichnet, ist in ihren jeweiligen Genres der experimentellere Umgang mit dem Genre. Das meiste Indiezeug ist ja so abgeschmackt wie Helene Fischer, nur für tätowierte Jungs. Mir ist das zu schwelgerisch, zu sentimental, zu selbstbezogen. Zu breiig. Schnipo Schranke ist eine echte Haltungsband. Es gibt sonst keine Band, die darüber singt, wie nervig das ist, als Frau kein Tampon dabeizuhaben, weitersaufen zu wollen und das Klo ist schmutzig. Da muss man sagen, das ist Wirklichkeit beobachtet. Man sieht Dinge. Das ist es, worum es geht. Die Beobachtung der Wirklichkeit und nicht die Beobachtung von sich selbst, wie man sich fühlt. Das ist die große Leistung.

Tod der Introspektion?

Es ist immer ein Versuch, die Welt zu verstehen. Nicht über Introspektion, sondern indem man versucht, die Welt zu beschreiben, die Sprache zu benutzen. Das hat ja auch Jens Rachut für so viele Leute aus unterschiedlichen Sparten wichtig gemacht. Er sieht einen Mensch auf einer Parkbank und denkt darüber nach, was dieser Mensch sein könnte.

In Hamburg wohnten Sie später in der Admiralitätsstraße, die der Anwalt Hans-Jochen Waitz 1987 dem Senat abgekauft hat, um zu verhindern, dass die dort ansässigen Künstler und Ateliers wegmüssen. Als Sie Buback 2005 kauften, war das für Sie auch ein mäzenatisches Projekt?

Ich würde das nicht Mäzenatentum nennen. Es ging einfach nur darum, das Label vor der Insolvenz zu bewahren. In der Geschäftsführung waren Fehler gemacht worden, die einzige Möglichkeit war, dass es jemand kauft. Unabhängig davon funktionierte Buback aber als Label und Bookingagentur. Ich hatte einfach gerade das Geld. Und habe das Geld, das ich dadurch verdient habe, dass ich im Underground soziale und kulturelle Distinktion gewonnen habe, in den Underground zurückgegeben.

In der Sammlung Falckenberg in Hamburg-Harburg hängt im obersten Stockwerk im Schiebelager ihr Bild „Lonely Old Slogan“. Bekannter ist das Motiv als Cover der „Lenin“-Platte von den Goldenen Zitronen. Was ist originärer: Falckenbergs Ölgemälde oder das Album in meinem Plattenregal?

Ich fetischisiere das Original nicht so. Ich produziere die, aber ich selbst hätte kein Interesse an Original-Kunstwerken. In dem Fall ist es ein Zwitterwesen, weil es das Bild schon gab. Sonst mache ich die Sachen meistens direkt für die Platten. Hier war es eher so, wie bei Sonic Youth, die für Daydream Nation ein Bild von Gerhard Richter verwendet haben.

Wie wichtig waren Plattencover für Sie als Teenager?

Superwichtig. Ich habe nach Cover gekauft. Man bildet da ja Geschmack bei aus und hat auch fast immer recht.

Inwiefern?

Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Covergestaltung und der Präzision, die eine Band hat. The Fall wären die Ausnahme, da hat man das Gefühl, denen war irgendwann egal, wie die Cover aussahen. Kürzlich war ich in einem neuen Plattenladen hier um die Ecke. Der hatte die größte Sammlung an zweitklassiger Musik, die ich in meinem Leben gesehen habe. Und zwar das zweitklassigste aus den 70ern, 80ern und 90ern. Das Interessante ist, dass die Cover dem vollkommen entsprachen. Das ist so eine Form von Wischiwaschihaftigkeit, die genau zu der Musik passt. Ramsch, der irgendwann seine Zeit hatte. Als der NME noch groß war, hat die Zeitschrift jede Woche eine super Band erfunden, an die sich heute kein Mensch erinnert. Und so sieht das Zeug auch aus. Und so hört es sich an.

Welche Cover haben Sie als Heranwachsender beeindruckt?

Die Gestaltung von Crass. Weil die als Anarcho-Kollektiv eine Corporate Identity für sich erfunden haben. Und zwar weit vor den späteren Techno-Labels und viel enger, brutaler und reduzierter als Jazz-Labels wie Atco, Verve oder Atlantic. Crass haben das auf schwarz-weiß-Grafik reduziert, ihr Logo sah aus wie eine Mischung aus Union Jack und „Don‘t Break“-Stempel.

Richter greift ins Fach Punk, zu den Briten. Auf dem Cover ist Jesus am Kreuz abgebildet, über sein Gesicht ist das eines Kriegsverwundeten montiert. Das Album lässt sich zweifach aufklappen, ein gefaltetes Poster liegt bei. Es zeigt einen Mann in Galauniform und einen im Anzug mit zerschossenem Gesicht. „‚Get well soon‘, the prince said“, steht darunter. Und „Yes, Sir, I will“. Daneben die Quelle: The Sun, December 2., 1982.

Yes Sir, I Will kam zum Falkland-Krieg raus. Die hatten eine Botschaft und das sieht man den Dingern auch an.

Wo kommt eigentlich das Logo von Buback her?

Die Hand mit den sechs Fingern? Die kommt von mir. Es gibt ja den alten Slogan „fünf Finger sind eine Faust“. Und sechs Finger sind ... keine Ahnung was. Keine Faust.

Info

30 Jahre Buback wird am 7. Juni im Übel und Gefährlich in Hamburg gefeiert, u.a. mit den Goldenen Zitronen, Schnipo Schranke und den Beginnern

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