Gammastrahlung dringt durch Helikopterhüllen

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Gammastrahlung wirkt durch Helikopterhüllen (17.03.2011,18:30)

Die japanische Regierung tat zuletzt das einzig Richtige. Sie übertrug wesentliche Funktionen der Rettungs- und Hilfsaktion an das Militär. D.h. auch, dass auf die Gesundheit und das Wohlergehen der heroischen Arbeiter weniger Rücksicht genommen wird. Bisher hat der „Löschhelikopter“- Einsatz keine messbare Verbesserung der Situation gebracht. Die Strahlungsmessungen schwanken, je nach Windböe und Windrichtung, und es wird auch ganz offensichtlich nicht nach einem dichten Messnetzplan gemessen.

Ein Teil der Messstationen in der Nähe der Havariereaktoren dürfte durch das Beben und den Tsunami zerstört sein, und in der evakuierten Zone um das Kraftwerk hat man sicher andere Sorgen, nämlich mit allen Mitteln Stromversorgung und Kühlung wieder her zu stellen.

Warum ist selbst ein Helikopterüberflug der Havariereaktoren höchst gefährlich?

Das ist eine Folge der Strahlenart, die den Hauptteil der schwer schädigenden, vor allem weit reichenden und durchdringenden Strahlung ausmacht.

Es ist die Gammastrahlung aus den Spaltprodukten und Brennstäben selbst, die seit 2 Tagen frei im Abklingbecken am Reaktor 4, Fuksushima I, liegen. Wasser mit seinen vielen Teilchen und Bor(säure) als Neutronenfänger, wären ein gewisser Schutz, wenn sie denn die abklingenden Uran und MOX-Stäbe (Uran/Plutonium) noch vollständig bedeckten.

Alpha

Die relativ schweren Teilchen der Alpha-Strahlung, es sind im Grunde Helium-Kerne ohne Elektronenhülle, werden schon durch geringe Schutzhüllen (Papier, einfacher Mund- und Nasenschutz, einfache Schutzkleidung, Schutzmaske für die Augen) aufgehalten und können bei Kontakt nur wenig ins Gewebe eindringen (ca. 0,4- 0,8mm).

Allerdings schädigen sie beim Einatmen und aus der Nahrung aufgenommen, die besonders feinen Schleimhautoberflächen und die Lungenbläschen. Vor allem die Regenerationszellschichten dieser so wichtigen inneren Körperoberflächen, die sich beständig erneuern und einen erhöhten Zellumsatz aufweisen, sind betroffen. Dort können sie auch Karzinombildungen anstoßen.

Alphateilchen sind also, wenn sie in den Körper gelangen, extrem schädlich! Deshalb werden sie mit dem Faktor 20 bei der Berechnung der Effektivdosis in Sievert angesetzt. Weil die relativ großen Teilchen viel Energie transportieren (große Masse), schlagen sie akut, auf kurzer Strecke, in biologischen Strukturen viel kaputt, sind aber ohne große Reichweite.

Selbstverständlich entstehen auch in den Gas- und Dampfaustritten der GAU-Reaktoren radioaktive Wolken, die Partikelchen enthalten, die beständig Alpha-Strahlen bilden. Die Hauptlieferanten der Alpha-Strahlung sind jedoch die radioaktiven Zerfälle der Brennstäbe aus Uran und Plutonium und deren Folgeprodukte in der Zerfallsreihe, z.B. Radium, Radon.

Das ist auch verständlich, weil es schon einer erheblichen Energie bedarf, um einen ganzen Heliumkern (2 Protonen und 2 Neutronen) aus einem viel schwereren Kern heraus zu schleudern.

Militär- und Rettungspersonal, sowie Strahlenschützer sind gegen diese Einwirkungen mit Schutzmasken, Atemgeräten und dichten Schutzkleidungen, sowie einer anschließenden Dusche nach dem Einsatz, ausreichend gut gegen Alpha-Strahlung geschützt.

Beta

Die Betastrahlung ist eine Elektronen-, bzw. seltener, eine Positronenstrahlung (ß-,ß+).

Diese Strahlungsart ist schon viel tückischer, weil ihre Wirkung und Reichweite von der Energie abhängt, die den Elektronen aus dem radioaktiven Zerfall oder durch Elektronenröhren mitgegeben wurde. Die Energie bestimmt die Geschwindigkeit der Teilchen und damit die Reichweite in technischen Materialien und biologischen Geweben. Betastrahlung geht vor allem von den Spaltprodukten aus den Reaktoren aus. Die radioaktiven Jod-Isotope- 131, 133, sowie Cäsium-137 und Strontium-90 sind Beta-Strahler.

Auch diese Strahlung muss aber die Piloten der Helikopter nicht unbedingt kümmern, denn die Hüllen des Hubschraubers und das Panzerglas oder Plexiglas der Scheiben schützen ausreichend, wenn die Besatzung noch dazu Schutzkleidung und Atemgeräte trägt.

Gamma

Die Gammastrahlung, ist eine elektromagnetische, keine Teilchenstrahlung! Sie ist daher nur schwer abzuschirmen. - Für Röntgenapparate und die Reaktoren gelingt das durch Bleimäntel, durch dicke Betonschalen und Wassercontainer, sowie dicke Eisenplatten. - Sie durchdringt aber Leichtmetalle, Kunststoffe, normales Glas und biologische Materialien mühelos.

Tückisch an dieser Strahlung ist ihre Wirklatenz! Während die Alpha und Beta-Strahlen sofort viele Schäden verursachen, z.B. an den Schleimhäuten, an der Haut, an den Augen, dringen die Gammastrahlen zur dicht gepackten Erbsubstanz und zu den Struktureiweißen vor und schädigen diese.

Der Mensch, der einer Dosis dieser Strahlen ausgesetzt ist, merkt zunächst nichts (außer wenn die Dosis extrem hoch ist). Dann aber, versagen die Basal- und Stammzellen in seinem Körper, die die inneren und äußeren Köperoberflächen ständig neu bilden und die Blutzellen nachliefern. Es kommt zum Verlust der weißen Blutkörperchen, zu schweren Darmschädigungen und Blutungen in praktisch alle Gewebe, zur Zerstörung von Drüsengewebe und Ausscheidungsepithelien, zur Zerstörung des blutbildenenden Knochenmarks, zur Zerstörung der Knochenaufbauzellen und der Haut.

Mit Latenz geht der so bestrahlte Organismus zu Grunde. Bei niedriger, nicht letaler Effektivdosis, wirken Gammastrahlen mit längerer Latenz karzinogen und schädigen Ei- wie Samenzellen.

Die offen liegenden Kernbrennstäbe erzeugen eine sehr starke Gammastrahlung. Es gilt zur Sicherung das quadratische Abstandsgesetz. Doppelt so weit weg vom Strahler, reduziert sich die Strahlung um das Vierfache. - Um es einfach zu sagen: Vor Gammastrahlen gilt es möglichst weit weg zu kommen oder viele Hindernisse zwischen sich und den Strahlungsherd zu bringen. Die Ausbreitung der Gammastrahlen erfolgt in alle Richtungen linear. So lange nicht allzu viele Uran oder Plutoniumteilchen in die Atmossphäre gelangen, bleibt auch die weitere Umgebung von dieser Strahlenart weitgehend verschont.

Vor dieser Strahlung muss jeder, der damit zu tun hat, die größte Vorsicht walten lassen und ein einziger, kurzer Kontakt beim Überflug genügt unter Umständen schon, weil die Strahlungsintensität über den havarierten Reaktoren so extrem hoch ist, dass hundert, zweihundert oder fünfhundert Meter Abstand eben nicht ausreichen. Da sind dann Strahlungsdosiswerte weit oberhalb von 400 mSv/Stunde, gar weit über 10.000 mSv/Stunde wirksam. Zur Erinnerung: Eine Strahlendosis von 5000 -6000 mSv ist absolut tödlich. 2500 mSv töten 50 % der Exponierten.

Christoph Leusch

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