Kühlung, egal mit was-Fukushima I, Blöcke 1,2,3

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Hoffnung auf den Kühleffekt (14.03.2011, 13:00)

Mittlerweile verschärfte sich die Lage am Kraftwerk Fukushima I erneut. Nicht nur, hat sich bei Block 3 des Kraftwerkes nun ebenfalls eine Gasexplosion ereignet, wie sie am Samstag schon an Block 1 geschah, sondern auch der Block 2 dieser Großanlage ist nun ohne funktionierendes reguläres Kühlssystem.

Der Normalzustand

Noch einmal zu Erinnerung: Bei den betroffenen japanischen Reaktoren handelt es sich um Siedewasserreaktoren, deren Bauprinzip im Reaktorkerngehäuse aus Wasser, Wasserdampf erzeugt, und mit Kühlwasser, welches in den Kern geleitet wird, gesteuert werden soll. Die Brennstäbe müssen in Wasser „baden“ und arbeiten dort wie gigantische Tauchsieder.

Im Normalfall entsteht nur der reine, von Radioaktivität freie Wasserdampf in Form feiner Bläschen. Der heiße Wasserdampf sammelt sich unter dem Deckel des Containments und steht, durch den Widerstand des Schutzmantels unter zunehmendem Druck. Im Normalbetrieb wird nun dieser Wasserdampf durch Hochsicherheitsventile aus dem Stahl-Container ausgeleitet, um den Dampf als Treibmittel für die Energieerzeugung auf einem, bzw. mehrere Turbinen zu leiten. Im Anschluss wird der entspannte Dampf gekühlt, damit wieder zu Wasser rückkondensiert und von unten erneut in den Reaktorkern eingespeist.

Der Notfall und Verschärfung der Situation:

Kommt es, aus welchen Gründen auch immer, zu einem Ausfall oder Schaden an den Pumpen für den Reaktorkern, in diesem Falle geschah das durch das große Erdbeben, dann kann der Reaktorkern nicht mehr einfach vom Dampfdruck entlastet werden und ebenso wird kein gekühltes Wasser mehr in den Kern eingeleitet, weil erstens der Dampddruck über dem Wasser schnell steigt und damit gegen die Wassermasse drückt, dort den Druck erhöht und so die Nachfüllpumpen überfordert und zweitens, die Pumpen (elektrisch oder hydraulich) selbst auf Strom aus Dieselgeneratoren oder Batterien angewiesen sind.

Hält die Situation an, dann kommt es unweigerlich zu einer gefährlichen Lage, denn der Druck in der Kernhülle muss zunächst gesenkt werden, um eine Ausprengung der Kerns zu verhindern.

Das wäre noch nicht unbedingt absolut bedrohlich, wenn, gleichzeitig mit der Druckentlastung, iregndwie frisches Wasser zugeführt werden kann. Geht das nicht mehr, dann fallen die Brennstäbe trocken und stehen nun frei im Reaktorkern. Die Brennelemente sind nun ungekühlt und produzieren erhebliche Wärmemengen, sowie viele langsame Neutronen, die nun nicht mehr durch das Wasser moderiert (abgebremst und aufgenommen werden), die den Druck in der Gasblase oberhalb des sinkenden Wasserpegels weiter erhöhen, die Temperatur ansteigen lassen und gleichzeitig die Hüllmaterialien der Brennstäbe und der Kernhülle angreifen.

Notfallmaßnahmen:

Wenn der Kraftwerksbetreiber die Kühlung nicht mehr in Gang setzen kann, dann muss er die Regelung der Anlage aufgeben und die Notfallmaßnahmen durchführen. Die bestehen darin, die Regulator/Modulator-Steuerstäbe zwischen die Brennstäbe einzufahren und in (das sei betont) den Reaktorkern Borwasser einzuleiten. Die Moderatorstäbe (gefüllt z.B. mit Cadmium, Bor oder Grafit) und das flüssige Bor wirken als Neutronenfänger, die eine Kettenreaktion unterbinden, wenn der richtige Augenblick noch nicht verpasst wurde. - Diesen Zeitpunkt scheinen die japanischen Techniker glücklicherweise bei den Anlagen in Fukushima I noch getroffen zu haben und am Reaktorkomplex Fukushima II, wenige Kilometer vom ersten Unglückswerk entfernt, scheint derzeit die geregelte Kühlung sichergestellt.

Der Reaktor im Notfall ist nun ungeregelt. Es geht nunmehr nur darum, die Überhitzung der Kernhülle zu vermeiden, die durch die Wärmeenergie aus dem natürlichen Zerfall des radioaktiven Materials droht. Gleichzeitig muss verhindert werden, dass nun entstehendes Wasserstoffgas in der Kuppel des Reaktorkerngehäuses verbleibt. Durch Notöffnungen wird das Gas ins umgebende Betongehäuse des Reaktors abgeleitet, gefiltert, und daher frei von radioaktiven Substanzen, oder aber notfallmäßig ungefiltert, mit den verdampften Teilen und Partikelchen aus den sich selbst zerstörenden Brennstäben, in die Umgebung abgelassen.

Das letzte Hemd ist gerade recht

Die Kraftwerkstechniker hatten in Block 1 und Block 3 des Kraftwerks Fukushima wohl nicht mehr die Möglichkeiten, diese Gase geregelt abzulassen.

Es kam zu den bisher beobachteten, zwei Knallgasexplosionen. Ebenso wie die Gasexplosionen, hat auch das so genannte „Venting“/“Lüften“ der äußeren Betonhülle der Reaktoren, Radioaktivität in die Umgebung frei gesetzt, die zum großen Teil wegen der Wetterlage, aufs Meer zog. - Die Art der gefundenen radioaktiven Teilchen, vor allem das Caesium, beweisen, dass es Schäden an den Brennstäben gegeben haben muss, die aus einem unkontrollierten Kernprozess stammen.

Mittlerweile spitzt sich die Lage um Block 2 des Kraftwerks Fukushima I zu. Dort sank der Wasserstand nun so weit, dass die Kernbrennstäbe mit den eingefahrenen Regulatorstäben teilweise oder ganz frei von Wasser sind. Nun muss auch dieser Reaktorkern mit Borwasser (Neutronenfänger) befüllt werden, nachdem der Dampfdruck über dem Restwasser gesenkt wurde und ausgeschlossen wurde, dass sich im Reaktorkern noch gefährliche Mengen an Wasserstoffgas befinden. Gleichzeitig versucht man mit jedem erreichbaren Kühlmittel, in diesem Falle dem Meerwasser, von außen an der ReaktorhülleWärme abzuleiten. - Ob das nun auch bei dem dritten, völlig unkontrollierten Reaktor gelingt und die beiden anderen, schon havarierten Reaktoren kontinuierlich über die nächsten Tage und Wochen abgekühlt werden können, ohne doch eine Explosion mit Schäden am Containment auszulösen, das werden die nächsten Stunden und Tage erweisen.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Kerntechniker an den Anlagen 1 und 3 nur noch über rudimentäre Kontrolltechnik verfügen, um Auskunft über das Innere der Reaktoren zu erhalten. Durch die Explosionen dürfen viele Geräte ausgefallen sein oder nicht mehr richtig anzeigen. Durch die Explosionen sind dort auch Experten aus der Kraftwerksmannschaft ausgefallen.

In der Anlage 2, Fukushima I sind sie offenbar ebenfalls nur noch notfallmäßig in der Lage den Wasserstand wieder zu erhöhen (letzte Meldung +30cm).

Schon heute steht fest: Die beschädigten Reaktoren können nicht mehr als Kraftwerke dienen. Die Schäden müssen dauerhaft über Jahre und Jahrzehnte kontrolliert und gesichert werden. Ob am Ende die Anlagen überhaupt dort abgebaut werden können, -es wäre wünschenswert, wegen der offensichtlich auch in Zukunft gefährdeten Lage bei Beben und Tsunami-Katastrophen-, ist derzeit nicht einzuschätzen. Die andere Maßnahme wäre eine „Versiegelung“ der Kraftwerksblöcke vor Ort.

Christoph Leusch

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