Alawiten - Die Verehrer Alis und der syrische Bürgerkieg

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Syrien ist halb so groß wie Deutschland. Zwanzig Millionen Einwohner zählt der Staat am östlichen Mittelmeer, gelegen zwischen Türkei im Norden, Irak und Jordanien im Osten und Süden, im Süden grenzt es an den kleinen Libanon. Im Land herrscht seit über einem JahrBürgerkrieg. Die Ursachen dafür scheinen der Kampf um Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu sein – gegen die seit Jahrzehnten herrschende Baath-Partei und den Clan der Assads.

Doch im Falle Syrien wie auch bei den vorangegangenen Auseinandersetzungen in Libyen, Tunesien und Ägypten versagen hergebrachte Erklärungen zu den Ursachen. Sie sind mannigfaltig und bestehen resultieren nicht zuletzt in den unterschiedlichen Strömungen des Islam. Er ist mehr als eine Religion; er ist eine Art zu Leben – heute und mit der Geschichte.

Mohammed: Allen, denen ich gebiete, soll auch Ali gebieten.

Im Jahr 632 stirbt der Prophet Mohammed in Medina. Er hat den Moslems den Koran aber auch viele Probleme hinterlassen. Ein erstes war das seines Nachfolgers. Den habe er nicht bestimmt, sagten die einen. Andere entgegneten: Der Prophet hat seinen Vetter und Schwiegersohn mit den Worten „Allen, denen in gebiete, soll auch Ali gebieten“ zu seinem Nachfolger berufen.

Bei der Versammlung der Clans, der Shura, die über den Erben Mohameds abstimmen sollte, war jener Ali nicht dabei: er bereitete das Begräbnis des Propheten vor. Prompt wurde Abu Bakr, in den Augen vieler Gläubiger ein ebenso verdienstvoller Gefährte Mohammeds, zu dessen Nachfolger gekürt. Für die Anhänger Alis war das ein Skandal. Zwar wurde Ali gut zwanzig Jahre später doch noch Kalif, doch hielten Spaltung der Gläubigen und militärische Auseinandersetzungen unter ihnen Einzug.

Auf diesen Kalifen Ali, der 661 einem Attentat zum Opfer fiel, berufen sich heute noch manche Moslems, die Alawiten. Über die Jahrhunderte haben sie sich auch unter der Bezeichnung Nusairier zusammengefunden; nach ibn Nusair, ihrem ersten, 864 verstorbenen Scheich.

Der Islam ist keine einheitliche Religion. Grob wird nach Sunniten und Schiiten unterschieden; zwischen beiden Gruppen herrscht Zwist um die wahre Nachfolge des Propheten. Die Alawaiten zählen sich zu den Schiiten. Ihrem Glaubensbekenntnis nach unterwerfen sie sich nicht dem islamischen Recht, der Scharia, weil sie deren wahre Bedeutung nach dem Motto „Die Fesseln sind abgelegt“ durchschaut haben wollen. Der Koran aber ist in ihrem Leben und religiösen Riten stets präsent;ist er doch von Mohammed offenbart worden, dessen Gefährte der verehrte Ali einst war.

Das besondere der Alawiten: Es gibt keine religiösen Schriften, keine Strukturen, keine Moscheen, lediglich Kommentare von Vorbetern zu bestimmten Anlässen. Alawit wird man durch ein geheimes Ritual, deren Voraussetzung die Abstammung von Alawiten ist. Eine kleine, geheim und geräuschlos lebende islamische Minderheit – meistens ärmer als die übrige Bevölkerung – siedelte über anderthalb Tausend Jahre hauptsächlich am Küstenstreifen des heutigen Syriens.

1963 betraten die Alawiten erstmals die politische Bühne der Neuzeit. Da sie arm waren, konnten sie ihre Söhne nicht vom Militärdienst freikaufen. Aus armen syrischen Soldaten alawitischen Glaubenswurden die Offiziere, die mit dem Clan der Assads die Baath (Erweckung)-Partei schufen. Seit 1970 regierte der Vater des heutigen syrischen Präsidenten, ein Luftwaffenoffizier, das Land. Sein Sohn Bashir al Assad amtiert seit 2000.

Assad, der Alawit, und seine Familie werden von manchen im Land aus Angst vor einer Machtübernahme anderer muslimischer Gruppierungen als das geringe Übel angesehen: den von den Alawiten politisch benachteiligten Sunniten etwa oder gar den Moslembrüdern.

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Geschrieben von

Constantin Rhon

Realist mit liberaler Grundhaltung.

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