Damals

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Resis Beichte

Raschel, Knister, schsrrrrrrrrrrrsdhcrer, flatsch und „Herrschaftseitn“, dies war die morgendliche Begrüßung von Theresia, als ihr Mann Franz-Josef senkrecht im Bett saß. Es war 7.00 Uhr am Sonntagmorgen und Theresia durchwühlte ihren Kleiderschrank nach einem passenden Outfit für die Frühmesse. „Hamme“, murmelte Franzl missmutig und drehte sich schwerfällig mit seiner Bierwampe im alten Himmelbett seiner Großmutter herum.
Ratsch und wieder ein Aufschrei von Resi: “Greizhalleluja!”

Sie zwängte sich in ein (um zwei Kleidergrößen) zu kleines, rosafarbenes Leinenkleid und wunderte sich, dass der Reißverschluss beim Zuziehen ausriss. Die Reißverschlusszähne hatten das Zeitliche gesegnet und Franz-Josef knirschte mit seinen Zähnen, als wollte er damit kleine Kinder erschrecken. „ Resi! Hoit dei Goschn!“, flüsterte er leise, drehte sich wieder zur Seite und bei diesem schwergewichtigen Wendemanöver beobachtete er kurz seine Gattin. Sie sah aus wie eine fette Paprikawurst, deren Haut aufgeplatzt war und nun die Masse heraus… quoll.

Resi überhörte gekonnt diese lieblichen Worte über ihren Schmollmund und zog das Kleid unter schwerstem Körpereinsatz wieder aus, wobei sie grobmotorische Übungen absolvierte. Schweißperlen standen auf ihrer reiferen Haut und sie überlegte sich, ob sie überhaupt noch in die Messe gehen sollte. Doch sie hatte da noch ein haariges Problem. Sie musste beichten und Buße tun. Auch angesichts des Geredes im Ort wagte sie ein neuen Versuch, sich modisch einzukleiden. Das T-Shirt in himmelblau saß sehr eng und zeigte alles, was sie am Körper trug. Ihr jetziges Erscheinungsbild konkurrierte mit der neuen Miss World aus unübersehbarem Grund jedenfalls nicht. Sie wählte eine schwarze Leinenhose, denn schwarz machte schlank. Sie schloss ziemlich grobmotorisch die Schlafzimmerschranktür, sodass sie ihren voluminösen Körper im Spiegel erblickte, erschrak und sagte leise: “Jesses!“
Das Wort “Jesses” hätte auch Franz-Josef ganz laut gesagt, wüsste er, was ihm ihn in dieser Nacht widerfahren war. Noch ahnte er nichts zu jener Stund.

Franz-Josef, also Franzl war ein Urbayer – durch und durch, aß gern Schweinshaxe mit Sauerkraut und Knödel. Er spielte einmal pro Woche Schafkopf mit seinen Fußballfreunden der Altherrenmannschaft. Während der Woche tourte Franzl durch die Gegend und spielte seine politischen Trümpfe aus. Sein Weißbierkonsum war unübersehbar und sein gezwirbelter Schnauzbart war absolut preisverdächtig. Nun lag er immer noch im Bett, fühlte sich von seinem Weib Resi gestört. Er ahnte nichts und dies war gut so.
Seit Monaten ging er nicht mehr zur Messe. Da nun in der idyllischen bayerischen Gemeinde ein afrikanischer Geistlicher predigte.

Hubert Engel, der alte Pfarrer, weilte nun in der dritten Reihe von links, quasi genau hinter seinem Bruder Georg. Schorsch fand ein tragisches Ende und wurde beim Melken vom Blitz getroffen. Kreszentia, die Mutter von Franzl, trug große Mitschuld (Gott hab’ sie selig!), warum ihr ältester Sohn dem dunkelhäutigen Pfarrer misstraute… Sie erzählte Franzl und Schorsch in ihrer Kindheit seltsame Gute-Nacht-Geschichten und diese waren allzu oft nicht vorbildlich.

Franzl hatte Angst, dass Pfarrer Thato in seiner Freizeit mit Voodoo-Püppchen spielen könnte. Da Franzl ein Schlitzohr war, ein windiger Bürgermeister, durchtrieben und stets zu jeder Schandtat bereit, war dies wohl der Grund, warum er sich anhand dieser Kindheitserinnerungen um seine Gesundheit sorgte. Er kannte sich selbst nur zu gut und deshalb konnte er sich durchaus im Traum vorstellen, dass der neue Pfarrer nicht nur die katholische Lehre vertrat. Heute musste man auch in der Wirtschaft zweigleisig verfahren, schmieren und Kompromisse mit der Unvernunft schließen.

Kaum dachte er an des Pfarrers Voodoo-Püppchen, schon bemerkte er einen Stich im Bauchraum. Doch vermutlich begrüßte ihn seine Leberzirrhose.
Während Franzl an Mamis Gute-Nacht-Geschichten dachte, hatte Frau Bürgermeister schon längst sämtlichen Goldschmuck angelegt, den sie aus ihrer Schmuckschatulle ergattern konnte. Dieses leise Geräusch des Klimperns störte Franzl nun nicht mehr, wusste er doch nun, dass sein Weib bald außer Haus sei. Resi positionierte sich hinsichtlich ihres eigenen Körperempfindens exakt dreieinhalb Meter entfernt vom Spiegel, als wäre es noch einmal ein letztes Aufbäumen.

„Schee“, sagte sie und dachte, was es ausmacht, nur weit genug vom Spiegel entfernt zu stehen. Die vielen langen Ketten streckten ihren gesamten Körperbau und umspielten sanft, eher goldlastig, ihre bayerischen Rundungen. Fast so schön wie… Heidis Kuh Susi beim Almabtrieb. Sie drehte sich zu ihrem Franzl um, als wollte sie von ihm wissen, ob sie sich so in die erste Reihe der Kirchenbänke setzen könne. Doch ihr Franzl träumte von der Wahl des Oberbürgermeisters und schnarchte mit Mops Ludwig um die Wette.

„Mei- wie schee!“, flüsterte Resi leise und verließ das Schlafgemach. Vor dem Haus verfiel sie in ein hysterisches Kichern. Heute müsste sie noch ein ernstes Gespräch mit dem neuen Pfarrer Thato führen. Sie würde ihm nicht von den rassistischen Gute-Nacht-Geschichten ihrer Schwiegermutter erzählen. Sie würde ihn fragen, ob ihr Mann mildernde Umstände bekommen würde, wenn er sie heute im Affekt umbringen würde. Resi war es leid, wie ihr geliebter Franzl ahnungslosen Bürger das Geld aus der Tasche zog und sie hatte ihn gewarnt, wenn sie ihn noch einmal dabei erwischen würde…

Sie hatte ihm in der vergangenen Nacht die Hälfte seinen gepflegten gezwirbelten Schnauzbart abgeschnitten.
Resi hatte noch nicht das Gotteshaus betreten, da musste Franzl sich seiner vier getrunkenen Hefeweizen entledigen …

© Corina Wagner, September 2009

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Geschrieben von

Corina Wagner

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