Die Wunderübung - Theater Neu-Ulm

Wagners Randnotiz Fulminante Beziehungskomödie

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Die Wunderübung im Theater Neu-Ulm

Bravo! Die Macher (Claudia Riese und Heinz Koch) vom Theater Neu-Ulm haben alles richtig gemacht, um dem hiesigen Publikum einen vergnüglichen, kurzweiligen Theater-Abend zu gewährleisten. Sie haben sich das Aufführungsrecht für das zurzeit meistgespielte Gegenwarts-Stück ‚Die Wunderübung‘ von Bestseller-Autor Daniel Glattauer gesichert. Die Boulevard-Komödie bedient zwar Klischees, aber mit pfiffiger Polemik, viel Situationskomik und überraschenden Wendungen bietet das Kammerspiel für drei Personen beste Unterhaltung.

Claudia Riese ist eine prima Inszenierung gelungen, die das Publikum in den „Beziehungskomödien-Bann“ zieht. Die Auswahl der Schauspieler passt wie die „Faust aufs Auge“. Treffsicher bohren sie in der Wunde einer Ehekrise. Absolut glaubwürdig verkörpert das Trio den Ablauf einer Sitzungsstunde auf der Bühne, die zum Behandlungszimmer eines Paartherapeuten umfunktioniert wurde. So sieht das Publikum auf eine schwarze Bühne, die mit Requisiten wie z.B. einem Standboxsack, zwei orangefarbenen Behandlungsstühlen samt Kissen, einem schwarzen Therapeutenstuhl, zwei kleinen Tischen, einer Pflanze und einer Stehlampe mit „Wohlfühlcharakter“ ausgestattet wurde. Das Ehepaar Joana und Valentin Dorek kommt bereits mit einer gereizten Grundstimmung zu ihrer ersten Sitzung, als sie den verständnisvollen Paartherapeuten Harald konsultieren. Joana: "Normalerweise haben wir getrennte Anfahrtswege. Normalerweise gehen wir überhaupt getrennte Wege. Bei getrennten Wegen tun wir uns leicht, darin sind wir geübter, nicht wahr, Valentin?"

Zu Beginn des Stücks gibt die völlig frustrierte Historikerin, die ganz stark von Kornelia Kirwald gespielt wird, einen kleinen Vorgeschmack auf Formulierungen, die noch auf der Bühne folgen. Sie streitet gerne temperamentvoll, ohne Punkt und Komma, schlägt verbal erbarmungslos scharfzüngig zu und wird von ihrem Mann deshalb als Furie und „Hysterikerin“ wahrgenommen. Er kommt meistens nicht zu Wort, denn sie weiß im Voraus, was er antworten könnte. Ihr gestresster Ehemann, ein technischer Direktor aus der Luftfahrtbranche, wirkt zunächst eher wie ein verklemmtes Triebwerkventil. Er ist sichtlich genervt, hat die Beißzangen-Attacken seiner Frau inzwischen satt und will nur noch Frieden, seine Ruhe. Schauspieler Thomas Koch nimmt man es absolut ab, dass er nicht mehr kann - dieses ewige Gezeter nicht mehr ertragen will. Kann Paartherapeut Harald mit diversen praktischen Übungen dem Paar wirklich helfen und ihre angeeignete Streitkultur bändigen? Er will es, fragt aber auch: "Warum trennen Sie sich eigentlich nicht?"

Scheitert die Ehe der Doreks durch die falsche Streitkultur? Im weiteren Verlauf der Therapiestunde muss er sich vor beiden ziemlich kleinlaut eingestehen, dass er selbst im „Beziehungs-Schlamassel“ steckt. Er ist zu verständnisvoll. Harald greift damit ganz tief in die therapeutische Trickkiste, denn er erfindet die Trennungsabsicht seiner Frau im Rahmen einer paradoxen Intervention. Sein Ziel ist es, dass sich das völlig zerstrittene Ehepaar gegen ihn solidarisiert… Heinz Koch alias Paartherapeut Harald passt wie das i-Tüpfelchen prima in diese fulminante Inszenierung.

Fazit des Theaterbesuchs: Streit in einer Partnerschaft ist total normal. Man muss nur die richtige, gesunde Streitkultur anwenden. Eine viel zu harmonische, total reibungslose Partnerschaft kann im Laufe der Zeit auch dazu führen, dass das Feuer ausgeht und die Liebe erlischt. Die streitbare Joana drückt es während der Inszenierung im Theater Neu-Ulm mit folgenden Worten aus: „Lieber dreimal verglühen als einmal erfroren!“.

;-)

Infos:

http://theater-neu-ulm.de/cmsroot/archiv-stuecke/die-wunderuebung/

Kornelia Kirwald: http://neu.kirwaldhamburg.de/

Thomas Koch: https://www.theapolis.de/profil/show/profil_id/1488/

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Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

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