Gehorche! Gehorche! Gehorche!

CoLyrik Aus der Reihe: Ein bisschen seltsam...

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Gehorche!

Lisa führt ein Selbstgespräch:

Gehorche! Gehorche! Gehorche Du Depp! Warum sage ich das nur? Jetzt habe ich ein echtes Problem. Ich habe erst kürzlich einen Mann gedemütigt und ihn gebeten den Müll herunterzutragen. Jawoll!

Jetzt kommen deswegen die ersten Klagen. Ich muss mich für mein Verhalten rechtfertigen. Ich sitze in der geschlossenen Abteilung. Gitter sind vor den Fenstern, ein Stuhl, ein Tisch, ansonsten nichts, außer einem Pappbecher, der mit Wasser gefüllt ist. Draußen auf dem Gang kommen Schritte immer näher. Klick, Klack! Klick, Klack! Man meint, da käme das trojanische Pferd. Doof. Echt doof. Ich benötige wohl demnächst einen guten Rechtsbeistand, denkt Lisa nun.

Vom teutonischen Müllverband, der Verwertungsindustrie kam u.a. ein Schreiben. Nur wegen dieser blöden Sondermüllentsorgung von neulich. Lisa grübelt und denkt weiter nach. Der Mann hatte sich doch aus Versehen mit entsorgt. Dafür kann ich doch nichts. Dieser Depp! So etwas ist ja heutzutage in der schnelllebigen Zeit eigentlich nichts mehr Besonderes oder? Ihm fiel durch seine eigene Schusseligkeit das neue Smartphone mit in den Müllschlucker, als er die Klappe öffnete. Die Klappe des Müllschluckers öffnete. Ein Müllschlucker im Größenwahndesign. Da passt sogar eine ganze Großfamilie nebeneinander hinein. Dafür kann ich doch nichts. Fehlkonstruktion des Herstellers. Der Gute glaubte dann spontan, dass man es noch retten könnte. Sein neues Smartphone. Ha! Typisch für ihn. Er rettet auch jede Haustaubmilbe, wenn ich ihn lassen würde. Ähm… Gelassen hätte. Die Rettungsaktion endete für alle Beteiligten nachteilig. Jawoll. Lauter Ärger habe ich nun deswegen. Er hatte zunächst mit der App im Hochhaus nach der Entsorgungsanlage für den Hausmüll gesucht. Das hat ja noch keinen Schaden verursacht, aber seinen Aufenthaltsort verraten. Er kam dann unglücklicherweise zu Tode, was ich auch ohne Bedenken so in einer E-Mail an den teutonischen Müllverband bestätigte. Nur wegen diesem Depp sitze ich nun in diesem kargen Raum im weißen Flügelhemdchen. Echt doof.

Angeblich habe ich dadurch ein Trauma erlitten, wegen dieser Müllschlucker-Aktion vermuten die Ärzte. Nicht wegen der E-Mail an den Müllverband oder dem weißen Flügelhemdchen im XXL-Format, wo man die Hände sogar auf den Rücken binden kann. Sondern wegen dem Tod eines Freundes, der zum Sondermüll wurde. Ärzte können aber auch totale Nieten sein. Neuerdings habe ich mir eine kleine, eigentlich nicht erwähnenswerte Marotte angeeignet. Überhaupt nicht relevant, so finde ich, aber die Ärzte vermuten. Vermuten, vermuten. Pah! Es begann quasi seit dem mein dritter Freund nun tragischerweise auch so früh ums Leben kam. Dafür kann ich doch wirklich nichts. Es sind ja eigentlich auch nur gute Bekannte. Männer. Kerle! Ich bin herzensgut zu Männern, wenn sie aufs erste Wort hören. Das sind einfach nur Einzelschicksale in Hochhäusern. Nichts als Einzelschicksale, meint auch meine beste Freundin Olga und die muss es wissen. Sie arbeitet auch als Domina. Jawoll! Einer stürzte aus Versehen nackt vom Balkon, aber nur weil er seine Brille nicht trug. Der andere starb nachts total einsam im Fahrstuhl. Das war total traurig, weil er so ein geselliger Typ war. Er hatte wahrscheinlich eine Fahrstuhlphobie. Woher sollte ich das wissen, wenn er normalerweise gerne bunte Plastiktüten über dem Kopf trug, wenn er mit Gleichgesinnten Kartoffeln schälte. Das war immer so schön. Danach kam keiner mehr von denen zu mir. Sobald ich einen Mann mit Smartphone sehe wie zum Beispiel vor drei Stunden im Park des Psychiatrie-Zentrums, sage ich in einem energischen Tonfall, also eher in einem Befehlston in Endlosschleife: Gehorche! Gehorche! Gehorche! Das ist doch nicht schlimm oder?

© Corina Wagner, 18. August 2014

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Corina Wagner

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