Mein Facebook-Eintrag

CoLyrik Jeder kennt Facebook. Das soziale Netzwerk bietet eine Menge Informationen über Freunde, Bekannte und wildfremde Menschen. Diese können aber auch gefakt werden...

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So und jetzt wird es die ganze Welt erfahren, so auch Erbtante Trude in New York, Onkel Hans in Buxdehude und die süße Lu in der Provinz Guandong in China. Facebook macht Cyber-Mobbing möglich. Und mal ganz unter uns: Seit mich mein Verlobter wegen seinem neuen Job auf zwei Beinen verlassen hat, bin ich ein ganz anderer Mensch geworden. Zunächst war ich für wenige Stunden total mies drauf, aber jetzt fühle ich mich wie neu geboren. Ehrlich!

Seit heute stehen wieder alle Tassen in Oscars Schrank. Sein alter Volleyball-Freund Fritz hat mir einen Haustürschlüssel nachgemacht. Er hat zu mir gesagt, wenn er mir endlich seinen kleinen Freund zeigen darf, dann tut er alles für mich. Gestern hatte ich nun das Schlüsselerlebnis und vorgestern lernte ich seinen schwulen Freund Heinz kennen. Er ist nur 1, 52 m groß, aber voll süß. Ich frage mich gerade, warum Oscar die ganze Zeit keinen Kontakt zu Fritz wollte. Vorurteile! Klar doch! Wenn Oscar von den Malediven zurückkommt, dann wird er vielleicht spontan einen Rettungssanitäter benötigen.

Seine absolut sympathische Mutter mag mich immer noch sehr. Mit ihr telefonierte ich mal wieder am Wochenende. Sie erzählte mir, dass Oscar drei Wochen mit der neuen Chefin auf den Malediven bleibt.

Schön, dachte ich mir. Zeit genug, um die selbstgetöpferten Tassen seiner Ex wieder in den Schrank zu stellen, die er in die Psychiatrie einwiesen ließ, als er damals ein Date hatte. Angeblich hätte ich ihn massiv mit einem handelsüblichen Akkuschrauber bedroht, als er im Keller die Wäsche aufhängen sollte. Dabei hatte er noch einen Tag zu vor zu mir gesagt, dass er mehr Action in unserem tristen Leben haben wolle. Er hätte mir ja nicht umsonst „Shades of Grey“ zu Weihnachten geschenkt. Ich bin ja so eine verliebte Kuh gewesen. Eine Woche lang musste ich dort ausharren, bis der diensthabende Arzt einsah, dass ich überhaupt keine Psychose habe. Ich musste deswegen alle weiblichen Register ziehen.

Mal sehen, wie die 2676 Facebook-Freunde reagieren, wenn sie die geposteten Bilder auf Oscars Seite sehen. Inzwischen war ich in mehreren Baumärkten und im Tierfachmarkt. Normalerweise soll man ja nicht angeben, aber ich habe total coole Bilder von seiner Wohnung ins Netz gestellt. Wow! Was für ein Adrenalin-Schub, den ich mir da gönnte.

Ich muss zugeben, dass es mir richtig Spaß gemacht hat, als ich eine absolut sehenswerte Straf-Box für ihn in seinem pikfeinen Wohnzimmer gebaut habe. Ich gebe grinsend zu, dass ich deswegen seine neue Designer-Vitrine zweckentfremdet habe. Schließlich musste diverses und außergewöhnliches SM-Zubehör wegen der Fotos ausgestellt werden. Die Bilder sind wirklich der Hammer. Sollte noch mal jemand behaupten, dass ich keine Fantasie hätte.

Jedenfalls hat nun Oscar auf seiner Facebook-Seite ganz stolz behauptet, dass er neuerdings Autor sei und demnächst ein Buch publizieren würde. Auf 700 Seiten könnte man dann nachlesen, welche Codewörter man zum Beispiel auswendig lernen müsse, wenn man in der Straf-Box sitzt und wieder raus will. Deshalb erschuf ich auch für Oscars angebliches Meisterwerk den Buchtitel: „ To sail close to the wind“.

So und nun treffe ich mich mit Fritz und Heinz zum Kaffeetrinken. Mal sehen, ob Fritz heute schon online war.

© Corina Wagner, Februar 2013

Facebook - Das soziale Netzwerk, das angeblich laut Statistiken, die am fünf häufigsten genutzte Website der Welt vorzeigen kann.

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Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

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